Rede von
Paul
Harig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Wir haben zu der Kohle- und Stahlpreiserhöhung zwei Anträge eingebracht. Zur Begründung dieser unserer Anträge möchte ich folgendes ausführen.
Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung — den Abgeordneten noch sehr gut bekannt — ausgeführt, daß keinerlei Grund zur Beunruhigung vorhanden sei, daß die Preise sich nur geringfügig verschieben werden und daß es die vornehmste Pflicht der Bundesregierung sei, soziale Ungerechtigkeit zu verhüten. Es hat sich bis jetzt schon erwiesen, wer hier soziale Ungerechtigkeit verhütet. Es ist im Bundestag schon des öfteren der Unwille gegen die unsoziale Handlungsweise der Regierung zum Ausdruck gebracht worden. Was stellen wir fest? Wir stellen fest, daß die vornehmste Pflicht, die soziale Ungerechtigkeit zu verhüten, darin zu erblicken ist, daß laufend die Preise nach oben klettern, die Preise für die Dinge des täglichen Bedarfs, die der arme Mann draußen erwerben soll; das sind Brot, Fleisch, Fett, Kartoffeln, Eier und so fort. Noch heute habe ich in einer Zeitung gelesen, man habe im Regierungsprogramm vorgesehen, daß die Altbaumieten um 20 % erhöht werden sollen. Das trifft wiederum den armen Mann. Mit den Kohlenpreisen werden auch die Strom- und Gaspreise in die Höhe gehen, und nicht unwesentlich. Der Ausschuß für Wirtschaft hat bereits an das Ministerium die Bitte gerichtet, doch möglichst bald eine Vorlage einzubringen. Jetzt ist man dazu übergegangen, die Kohlenpreise um 4,50 DM zu heben. Die Auswirkungen auf ' sozialem Gebiete werden katastrophal sein. Es ist doch nicht damit getan, daß der Arbeiter nun für den Zentner Kohle meinetwegen 25 Pfennig mehr zahlen muß, sondern auch der Bäcker wird die Kohlenmehrpreise auf das Brot abwälzen. Ich habe heute morgen noch erfahren, daß die Bauern in der Umgebung von Bonn ihre Zuckerrüben an die Zuckerfabriken nicht abliefern können, weil die Fabriken erklärt haben, infolge des Kohlenmangels seien sie nicht in der Lage, die Zuckerrüben abzunehmen. Das wird dazu führen, daß eine ganze Reihe Betriebe Einschränkungen vornehmen müssen, und das wird die Herstellungskosten der Produkte ungemein erhöhen. Selbstverständlich wird man versuchen, die Erhöhung der Selbstkosten auf den Konsumenten abzuwälzen. Die Fernwirkung dieser Kohlenpreiserhöhung
ist unabsehbar. Dabei müssen wir sehen, daß die Kohlenpreise für den Sozialrentner, den Arbeitslosen, den Arbeiter mit niedrigem Einkommen unerschwinglich sind. Aber vornehmste Pflicht dieser Regierung ist eben, soziale Ungerechtigkeiten zu verhindern! Ich kann nur sagen: Macht ruhig so weiter! Das Volk wird erkennen, wo Freund und wo Feind steht.
Es geht bei der Kohlenpreiserhöhung doch darum, den Besitzern der Kohlengruben zu helfen. Man will ihnen helfen, aus dem Dilemma herauszukommen. Diejenigen, die während des Krieges Raubbau getrieben haben an Menschen und Maschinen, wollen jetzt die Folgen auf die breiten Kreise des Volkes abwälzen. Das müssen nicht nur wir erkennen, das werden auch draußen die breitesten Massen des Volkes erkennen.
Dabei müssen wir aber auch noch folgendes sehen: Der Export der Kohle ist laufend gesteigert worden, obwohl man weiß, daß pro Tonne sich ein Defizit von 4,35 DM ergibt. Meine sehr verehrten Anwesenden! Im Interesse des deutschen Volkes liegt es nicht, den Kohlenexport zu steigern, wenn wir von vornherein feststellen, daß wir unter Verlust Handelsbeziehungen mit den anderen pflegen. Und so stellen wir jetzt fest, daß der Export im kommenden Quartal auf 6,83 Millionen Tonnen steigen wird. Rechnen Sie selbst aus, welche Unsummen das ausmacht. Dazu hätte die Regierung nein sagen müssen. Es genügt da nicht, nur zum Petersberg hinzugehen und dort die Bitte vorzutragen, doch diese Quote zu vermindern. Das tut man auch nur zum Schein; denn wer zu den New Yorker Beschlüssen ja gesagt hat, ja gesagt hat dazu, daß die deutsche Grundstoffindustrie dem Rüstungsplan Europas zur Verfügung gestellt wird, der kann zu der Erhöhung der Kohlenexportquote nicht nein sagen.
Der Petersberg wird dem Bundeskanzler wohl gesagt haben: Was willst du eigentlich? Du kannst doch nicht kalt und zu gleicher Zeit warm sein!
Die Politik, die da betrieben wird, führt — das sagen wir ganz offen — ins Unglück. Diese Politik wird das ganze deutsche Volk ins Unglück führen. Diese Politik der Abwälzung der Lasten auf die Schultern der breiten werktätigen Massen wird sich einmal bitter rächen.
Es ist auch nicht nett, wenn der Bundeskanzler vor einigen Tagen erklärte — anläßlich seiner Rede auf dem SED-,
auf dem CDU-Parteitag —, die Steuern der arbeitenden Menschen seien niedriger als im Jahre 1932. Der DGB hat festgestellt, daß gegenüber 1932 eine ungeheure Belastung zu verzeichnen ist. Allein die Belastung an Steuern betrage rund 36 % des Einkommens.
Es tst daher unverständlich, daß sich die IG.-Bergbau bei den Verhandlungen um die Lohnerhöhungen zu dem Kompromiß verleiten ließ, zu einer eventuellen Kohlenpreiserhöhung ja zu sagen. Ich muß von dieser Stelle aus erklären, daß dieser Kompromiß nicht mit dem Willen der Bergarbeiter zustande gekommen ist. Die Bergarbeiter, die Kumpels, sind an diesem Kompromiß unschuldig.
Der Bergarbeiterverband hatte es gar nicht nötig, einen solchen Kompromiß einzugehen. Der Bergarbeiterverband konnte sich auf die Mitglieder seiner Organisation stützen; er brauchte nur zu
rufen, da wären sie da gewesen, und die Lohnerhöhung wäre auch ohne dieses Zugeständnis erfolgt.
Dabei müssen wir folgendes sehen. Es wird — und das hat eben auch der Bundeswirtschaftsminister zum Ausdruck gebracht — darauf hingewiesen, daß die Lohnerhöhungen eine Kohlenpreiserhöhung notwendig gemacht hätten. Dabei ist festgestellt worden, daß die Lohnerhöhung eine Belastung von 2,66 DM pro Tonne gebracht hat; den Kohlenpreis aber erhöht man um 4,50 DM.
— Ich weiß, warum. Ich weiß, daß die vielen hundert Millionen Defizit gedeckt werden sollen. Ich weiß, daß man das Defizit abwälzen will, das durch die Politik der DKBL und dieser Regierung zustande gekommen ist. Man muß den Exportverpflichtungen nachkommen, diesen Exportverpflichtungen, die uns alle schwer treffen, die nicht nur das Volk im kommenden Winter frieren lassen werden, sondern die auch große Teile der weiterverarbeitenden Industrie zum Erliegen bringen. Vor einigen Tagen noch hat ein süddeutscher Minister gesagt, daß die gesamte Bauindustrie zum Erliegen kommen und das Wiederaufbauprogramm über den Haufen geworfen wird. Es wird dazu führen, daß die Arbeitslosigkeit anwachsen, daß die Zahl der Feierschichten steigend größer wird. Man spricht jetzt schon davon, daß man Feierschichten über ganze Wochen einführen will. Wo soll das denn hinführen?
Deswegen haben wir den Antrag Drucksache Nr. 1642 gestellt, der hiermit begründet ist. Unter dem Deckmantel der Lohnerhöhung will man eine willkommene Gelegenheit benutzen, die Politik der Bankrotteure zu sichern.
Auch die Wirkung der Stahlpreiserhöhung wird katastrophal sein. Wir wollen uns doch nicht so oberflächlich über die Dinge hinwegsetzen.
Die Walzwerkerzeugnisse sollen um 26,50 DM pro Tonne teurer werden. Darunter befinden sich eine ganze Reihe von Produkten, die die weiterverarbeitende Industrie dringend braucht.
Es fallen darunter Materialien für den Eisenbahnoberbau. Die gesamte Zubringerindustrie für den Eisenbahnbau wird vor die Hunde gehen. Wir werden erleben, daß man zuerst versuchen wird, die Erhöhung der Selbstkosten auf die Arbeiterschaft abzuwälzen. Die Arbeiterschaft wird sich das nicht gefallen lassen, sie wird sich zur Wehr setzen. Sie wird dem begegnen, indem sie Lohnforderungen stellt. Es wird zu sozialen Kämpfen kommen, auch gegen den Willen einiger Gewerkschaftsführer. Das muß einmal gesagt werden. Es war nicht notwendig, daß die Eisenpreise in dem Umfang erhöht wurden. Das hat das Material gezeigt, das uns im wirtschaftspolitischen Ausschuß über die Einnahmen und Ausgaben der entflochtenen Werke vorgelegt worden ist. Ich will darauf nicht im einzelnen eingehen, ich will nur folgendes sagen. Es war den Werken in den vergangenen Jahren möglich, die großen Kriegsschäden aus eigener Kraft zu beseitigen. Die Kapazität der Werke der eisenschaffenden Industrie hat den Stand von 1939 schon wieder erreicht. Außerdem war es möglich, Hunderte von Millionen zu investieren. Man hat 4,5 % an Abschreibungen verbucht und trotzdem
noch 3,5 % für Betriebsbenutzung abführen können. Wenn außerdem noch 60 Millionen DM als Erfolg ausgewiesen sind, dann besagt das alles.
Auch in dieser Beziehung kann man sagen, man hat hier gedacht: Es ist ein Aufwaschen. Unter dem Motto: Die Löhne der Bergarbeiter sind erhöht worden, deshalb werden die Kohlenpreise erhöht, will man auch die Erzpreise und die Schrottpreise erhöhen und jetzt die hohen Frachten bereinigen. Dem Kumpel will man das in die Schuhe schieben. Die Bevölkerung draußen wird erkennen, daß das ein Betrug ist.
Alle diese Maßnahmen sind notwendig, weil man zu den New Yorker Beschlüssen ja gesagt hat. Infolge der Rüstungspolitik sind die Weltmarktpreise gestiegen. Deshalb sind die Schrottpreise so hoch, deshalb sind die Frachten höher, und deshalb sind die Kohlenpreise höher. Man will die Kohlenindustrie und die Stahlindustrie sanieren, um sie denjenigen in die Hand zu geben,
die schon mehrmals ein Unglück über das deutsche Volk gebracht haben. Diese Politik führt ins Unglück. Und ich sage ganz offen: Dieser Regierung keinen einzigen Pfennig!
Die Folgen der Eisenpreiserhöhung werden für die weiterverarbeitende Industrie maßlos sein. Diese Eisenpreiserhöhung wird zu einer Arbeitslosigkeit führen.
Sie wird den Ruin der weiterverarbeitenden Industrie bedeuten — das sage ich auch nach der Rechten hin —, sie wird die Arbeitslosigkeit vermehren.
Unsere Arbeiter wollen nicht für den Krieg arbeiten, sie wollen nicht für die Rüstung arbeiten.
Unsere Arbeiter wollen für friedliche Zwecke arbeiten. Das hat die Betriebsratsvollversammlung gezeigt, die dieser Tage in Dortmund stattgefunden hat. Die Arbeiter wollen diese Politik nicht mitmachen. Die Urabstimmung hat des weiteren gezeigt, daß die Arbeiterschaft gewillt ist, für die Forderungen der Arbeiter in den Kampf zu gehen. Zu diesen Forderungen gehört nicht nur das Mitbestimmungsrecht, dazu gehört auch, daß die Eigentumsverhältnisse geklärt werden. Zu diesen Forderungen gehört auch, daß die Löhne
erhöht werden.
Dazu gehört auch, daß eine Friedenswirtschaft betrieben wird. Für diese Politik
werden die Arbeiter in Zukunft in den Kampf gehen, worauf Sie sich verlassen können!