Rede von
Dr.
Ludwig
Erhard
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Wirkung vom 1. November sind im Bergbau eine 10%ige Lohnerhöhung, desgleichen die Einführung von Regelmäßigkeitsprämien im Ausmaß von 3% und erhöhte Löhne für die in der Zwischenzeit vereinbarten Sonderschichten beschlossen worden.
Zwischen der Deutschen Kohlenbergbauleitung, der Industriegewerkschaft Bergbau und dem Bundeswirtschaftsministerium haben Verhandlungen stattgefunden, in denen unwiderleglich zum Ausdruck kam, daß die in der Zwischenzeit verfügte Lohnerhöhung nicht ohne Auswirkung auf die Preise für Kohle bleiben könne. Es ist zu berücksichtigen, daß im Frühjahr dieses Jahres bereits eine 9%ige Lohnerhöhung durchgeführt wurde und damit bei den Zechen die letzten Möglichkeiten preispolitischer Art ausgeschöpft wurden.
Die Deutsche Kohlenbergbauleitung hat die notwendigen Preiserhöhungen in einem Schema dargelegt. Die Untersuchungen und Nachprüfungen durch das Wirtschaftsministerium haben ergeben, daß dieses nicht bereit sein konnte, den Forderungen der Deutschen Kohlenbergbauleitung in vollem Umfang zu entsprechen. Diese Forderungen der DKBL bezifferten sich pro Tonne verwertbarer Kohle auf 7,54 DM, während das Wirtschaftsministerium selbst nur 3,46 DM anzuerkennen bereit war. Die starke Differenz ergibt sich daraus, daß auf Grund der Rentabilitäts- bezw. der Ertragslage im Bergbau starke Unterschüsse bei allerdings größeren Streuungen zwischen den einzelnen Zechen auftraten. Die Deutsche Kohlenbergbauleitung hat dafür Beträge von 3,70 plus 1,18 DM angesetzt. Von diesen Unterschüssen war das Wirtschaftsministerium selbst nur 80 Pfennig anzuerkennen bereit, nicht deshalb, weil es etwa die Unrichtigkeit der Angaben der Deutschen Kohlenbergbauleitung nachweisen konnte, nicht auch, weil es nicht notwendig wäre, den Bergbau mit entsprechenden Mitteln zu einer Verzinsung und Abschreibung seiner Anlagen zu befähigen. Diese Erträge wirken hier nicht in Richtung einer privatwirtschaftlichen Gewinnsteigerung, sondern dienen der weiteren Erschließung des Bergbaues. Rationalisierung ist unbedingt notwendig, um die Kohlenförderung in dem Maße zu steigern, daß die übrige Industrie — die gewerbliche Wirtschaft —weiter eine glückliche Entwicklung nehmen kann.
Bei der Annahme von 3,46 DM Preiserhöhung pro Tonne verwertbarer Kohle entfallen 1,76 DM auf die zehnprozentige Lohn- und Gehaltserhöhung, 36 Pfennig auf die Regelmäßigkeitsprämie von 3% und 54 Pfennig auf die Mehrlöhne bei den monatlich anfallenden zwei Sonderschichten. Für den teilweisen Ausgleich des Unterschusses wurden selbst nur 80 Pfennig pro Tonne verwertbarer Kohle in Anrechnung gebracht. Auf der Basis von 3,46 DM Mehrlasten pro Tonne verwertbarer Kohle errechnet sich dann eine Kohlenpreiserhähung für den Inlandabsatz von 6 DM. Würde man annehmen, daß nur die reinen Preiserhöhungen aus der Erhöhung der Löhne in Anrechnung gebracht werden sollen, dann würde das rechnerisch für den Inlandsabsatz einen Mehrpreis von 4,80 DM pro Tonne bedingen.
Im einzelnen sind dann selbstverständlich zwischen den Kohlensorten wesentliche Unterschiede gemacht worden, so z. B. eine besondere Schonung der Hausbrandkohle und ein relativ höherer Preis für Feinkoks, der vor allen Dingen für den Export in Frage kommt.
Es ist mir bekannt, daß sowohl der Bundesrat als auch der Bundestag in beiden Wirtschaftsausschüssen dem Antrag des Bundeswirtschaftsministeriums in Höhe von 6 DM pro Tonne Inlandabsatz von Kohle nicht zugestimmt haben, daß sich die beiden Ausschüsse nicht dazu verstehen konnten, jene 80 Pfennig zu einem teilweisen Ausgleich des Unterschusses anzuerkennen. Die Bundesregierung würde sich gegebenenfalls den Auffassungen der Wirtschaftsausschüsse von Bundestag und Bundesrat anschließen.
Die Erhöhung der Kohlenpreise hat dann selbstverständlich auch Wirkung auf die Eisen- und Stahlpreise. In dieser Industrie konnten die Lohnerhöhungen, die zwischenzeitlich aus der besseren Ergiebigkeit durch höhere Ausnützung eingetreten sind, aufgefangen werden, so daß sich die Situation in der Eisen- und Stahlindustrie derartig darstellt, daß lediglich die Erhöhungen aus der Kohle, aus dem Schrott und aus dem Erz zur Anrechnung kommen. Die Forderungen von Eisen und Stahl lauteten zunächst, d. h. in dem ersten Antrag, auf 38,85 DM je to Stahl. Von diesen 38,85 DM hat das Wirtschaftsministerium selbst bei der letzten Überprüfung nur 30 DM anerkannt. 2 DM konnten bei Koks durch die entsprechende Verbilligung eingespart werden, die wir bei Kohle verfügt hatten. Wir haben weiter eine alte Forderung der Eisen- und Stahlindustrie hinsichtlich des Hochofengaspreises in Höhe von 3,35 DM nicht anerkannt, so daß sich insgesamt ein Betrag von 33,50 DM errechnet hat. Wir waren der Auffassung, daß weitere 3,50 DM von der Eisen- und Stahlindustrie selbst durch weitere Rationalisierung, durch bessere Ergiebigkeit im Zuge der Ausweitungen aufgefangen werden konnten, so daß der Antrag des Bundeswirtschaftsministeriums auf insgesamt 30 DM pro to lautete.
Allerdings ist dabei noch folgendes zu berücksichtigen: Wir waren gezwungen, eine Schrottpreiserhöhung vorzunehmen in Höhe von 19 DM, um das Schrottaufkommen nicht nur für den heimischen Verbrauch, sondern vor allen Dingen auch für den Export sicherzustellen. Der deutsche Schrottexport hat eine immer größere Bedeutung im Rahmen der europäischen Wirtschaft erlangt, und wir müßten uns dazu verstehen, hier Wünschen an die deutsche Wirtschaft nachzukommen. Wir sind aber der Meinung, daß diese Schrottpreiserhöhung nicht auf die Dauer Gültigkeit erhalten soll oder mindestens nicht unbedingt erhalten muß, so daß wir die daraus resultierende Erhöhung der Stahlpreise in Höhe von rund 10 DM nicht als festen Preiszuschlag zur Anwendung bringen wollen, sondern daß in Höhe der Schrottpreisverteuerung ein Saisonzuschlag von 10 DM gewährt wird. Der Antrag des Bundeswirtschaftsministeriums stellt sich also so dar, daß eine echte Preiserhöhung im Umfang von 20 DM Platz greift, während, befristet bis zum 31. März nächsten Jahres, ein Saisonzuschlag von 10 DM auf Grund der höheren Schrottpreise gewährt wird.
Auch hier haben die beiden Ausschüsse zu dem Antrag des Bundeswirtschaftsministeriums Stellung genommen. Wenn selbstverständlich die Verteuerung des Kohlenpreises nicht mit 6 DM, sondern auf Grund der Auffassung der beiden Ausschüsse entsprechend geringer angenommen wird, ergeben sich natürlich auch wieder Einsparungen bei Eisen und Stahl etwa in der Größenordnung von 2 DM auf den Kokspreis. Auf der anderen Seite ist vor allen Dingen von den Ländern der revierfernen Gebiete die Auffassung "vertreten worden, daß ein Frachtausgleich gegeben werden müßte, der sich pro to Stahl mit ungefähr 2 DM errechnet. Es würde sich dann also insgesamt so darstellen: es bleibt bei einer Erhöhung von 20 DM plus 10 DM Saisonzuschlag für Schrott. In den 20 DM Eisen- und Stahlpreiserhöhung befindet sich aber eine Spanne von 2 DM, die jeweils zum Frachtausgleich für die revierfernen Gebiete benutzt werden muß. Die Bundesregierung würde auch hier einem Änderungsvorschlag nach den Auffassungen der beiden Ausschüsse zustimmen.