Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion trägt das Datum vom 5. Oktober 1949. Wir sind der Meinung, daß es unverantwortlich ist, einen solchen Antrag vierzehn Monate lang zu behandeln und erst dann zur Entscheidung zu bringen.
Es ist nicht überzeugend, daß wir es mit der Abstellung der in dem Antrag aufgezeigten Mißstände sehr ernst meinen, wenn die Entscheidung erst so spät fällt.
Den Kollegen aus Schleswig-Holstein möchte ich sagen: Wir freuen uns, daß Sie jetzt so entschie-
den für die Wiederherstellung der Küstenkohlentarife eintreten. Aber es ist notwendig, hier festzustellen, daß bis zum 1. Oktober, solange für das Land Schleswig-Holstein eine Sonderregelung bestand, der Eifer des Landes Schleswig-Holstein auf Wiederherstellung der Küstenkohlentarife nicht sehr stark gewesen ist,
und wir glauben, daß diese Verzögerung der Behandlung der Sache nicht dienlich war. Ich bedaure, daß der Abgeordnete Ewers hier den Antrag gestellt hat, die Küstenkohlentarife nur für das Land Schleswig-Holstein wieder einzuführen. Wenn man hier darauf hingewiesen hat, daß diese Tarife 90 Jahre in Kraft gewesen sind, muß gesagt werden: sie waren es für alle Küstenländer,
für Hamburg und Bremen, für Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Das, was für Schleswig-Holstein gilt, vor allem die Standortbedingungen, gilt auch für die übrigen Küstenländer und ihre Industrien. Ich möchte also darum bitten, den Zusatzantrag des Abgeordneten Ewers abzulehnen.
Es handelt sich um ein Erbe des Verwaltungsrats, der auf seiner letzten Sitzung die Kündigung der Küstenkohlentarife mit einer Frist von 12 Tagen beschlossen hat. Der Herr Bundesverkehrsminister hat dann diesen Beschluß des Verwaltungsrats aufgenommen und mit eiserner Energie bis zum heutigen Tage vertreten. Gegen diesen Beschluß waren alle Wirtschaftsminister der Länder, war selbst der Herr Bundeswirtschaftsminister, ist die deutsche Kohlenbergbauleitung, sind die Küstenländer und schließlich die beiden Fraktionen dieses Hauses, die die heutigen Anträge gestellt haben.
Wenn hier gesagt wurde, daß die Belastung für Schleswig-Holstein 10 Millionen beträgt, so muß auch gesagt werden, daß sie für Hamburg 12 Millionen beträgt; die Tariferhöhungen für Ortskohle belaufen sich auf 54 %, für Braunkohle auf 51 % und für Bunkerkohle auf 33°A.
Die Begründung, daß die schlechte Finanzlage der Bundesbahn eine Erhöhung ihrer Tarife notwendig macht, wird auch von uns verstanden. Aber es muß festgestellt werden, daß selbst bei Küstenkohlentarifen die Bundesbahn keine Verluste hat. Im Verkehrsausschuß des Bundestags ist festgestellt worden, daß — ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren — die Küstenkohlentarife für Ortskohle die Selbstkosten der Bundesbahn nicht nur gedeckt, sondern dieser darüber hinaus auch noch einen Gewinn gebracht haben. Sorgfältige Ermittlungen bei Sachverständigen der Bundesbahn haben ergeben, daß für Züge mit 50 Wagen zu je 20 Tonnen und bei Berücksichtigung eines 100%igen Leerlaufs auf der Rückfahrt die vollen Selbstkosten in der Entfernungsstufe von 300 bis 400 km 2,3 Pfennig je Tonnenkilometer betragen. Es wird weiter durch den Verkehrsausschuß des Bundestags festgestellt, daß selbst bei den Küstenkohlentarifen noch eine kleine Gewinnspanne für die Bundesbahn bleibt.
Es ist weiter eingewandt worden, daß durch die Beibehaltung der Küstenkohlentarife eine Schädigung der Schiffahrt eintreten würde. Die Zahlen weisen etwas anderes aus. Vor dem Krieg sind 93 % der Kohle mit der Bahn nach Hamburg gebracht worden, der Rest auf dem Wasserwege. Im Jahre 1949 betrugen die Bahntransporte an Kohle 54%, die Wassertransporte 22%, kombinierter Binnenschiffahrts-Seeweg, und 14%, Motorsegler. Es ist also im Vergleich mit der Zeit vor dem
Krieg eine bedeutende Steigerung des Transports auf dem Wasserweg vorhanden.
Es ist gesagt worden, es müßte möglich sein, die Verteuerung durch eine Erhöhung der Tarife abzuwälzen oder durch eine Einsparung bei den Gewinnspannen im Kohlenhandel aufzuwiegen. In Hamburg wurde zunächst die Genehmigung für eine Preiserhöhung von nur 10 Pfennig pro Zentner erteilt; den Rest, 15 bis 18 Pfennig, mußte der Kohlenplatzhandel tragen. Es hat sich aber herausgegstellt, daß die Verschuldung des Kohlenplatzhandels so außerordentlich groß ist, daß diese Beschränkung der Erhöhung der Preise im Einzelverkauf für Kohle nicht aufrechtzuerhalten war. Wenn auch inzwischen infolge der Entwicklung auf dem Kohlenmarkt Unterhaltungen über eine Erhöhung von 10 Pfennig vielleicht nicht mehr aktuell sind, so gelten für uns doch die gleichen Gesichtspunkte wie damals: Wir halten eine Verteuerung des Kohlenpreises für Kleinverbraucher für untragbar.
Es ist hier schon darauf hingewiesen worden, daß man die Standortbedingungen der Industrie nicht kurzfristig .verändern kann. Von den Sprechern aus Schleswig-Holstein ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daß vor allem für dieses Land die Gefahr der Abwanderung, der Verlagerung von Produktionen entsteht und daß in einem Lande wie Schleswig-Holstein mit einer großen Arbeitslosigkeit und auch in Hamburg mit einer weit über dem Durchschnitt des Bundes liegenden Arbeitslosigkeit jede Maßnahme, die sich als Produktionsbeschränkung auswirkt, verhindert werden muß. Es besteht auch noch die Gefahr, daß die Flüchtlingsbetriebe, die besonders krisenempfindlich sind, die ersten sein werden, die dieser Verteuerung der Kosten der Produktion erliegen werden.
Und zu dem Argument der DKBL, daß sie erst dann bereit sein würde, eine Ermäßigung der Preise in Erwägung zu ziehen, wenn die ausländische Konkurrenz wieder in Erscheinung tritt. Vor wenigen Monaten gab es bereits einmal Absatzschwierigkeiten. Es wäre ja vorstellbar, daß die jetzige Kohlenverknappung einmal ein Ende nimmt. Aber inzwischen treten Produktionsstörungen ein, die nicht in einigen Monaten wiedergutzumachen sind. Wir sind der Meinung, es ist eine kurzsichtige Politik der DKBL und auch der Bundesbahn, hier Veränderungen vorzunehmen, die ausschließlich aus der jetzigen Lage der Verknappung von Kohle zu erklären sind.
Schließlich hat man gesagt: Ihr habt ja vom Oktober 1949 an diese Erhöhung ertragen; also wird es wohl auch weiter gehen. — Dieser Einwand ist falsch, weil die Erhöhung in vollem Umfang erst am 1. Oktober 1950 in Kraft getreten ist, mit dem Tage, an dem die Verlängerung für Schleswig-Holstein abgelaufen war. Auch ein Teil der Hamburger Kohle ist in der Zwischenzeit über Schleswig-Holstein, also zu verbilligten Tarifen, nach Hamburg gekommen.
Schließlich sollten bei der heutigen Entscheidung berücksichtigt werden die Grenzlage der Küstenländer, der Verlust des Hinterlandes für diese Länder, die Zonengrenzen, die eine Abschnürung von alten Wirtschaftsgebieten, die früher zu den Küstenländern gehört haben, bedeutet.
Wir möchten uns darum dem Antrage des Kollegen Dr. Oellers anschließen, nämlich die beiden Anträge Nr. 72 und 76 hier neu zur Abstimmung zu stellen mit der einzigen Änderung, daß in der letzten Zeile „mit Wirkung vom 1. 1. 1951" an
Stelle von „1. Oktober 1949" eingefügt wird. Die sozialdemokratische Fraktion empfiehlt Ihnen die Annahme dieser Anträge in der so abgeänderten Form.