Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe gegen die Ausführungen des Herrn Justizministers nur eins einzuwenden. Was wir hier beschließen, heißt nichts anderes. als daß in die Bestimmungen, wonach die Gesetze zu irgendeinem Zeitpunkt außer Kraft treten, ein neues Datum eingesetzt wird. Ich glaube, niemand würde auf den Gedanken kommen, daß das eine Verfassungsverletzung sein könnte, wenn wir die Fassung wählten, daß wir diese Bestimmungen, wo immer sie stehen mögen, einfach außer Kraft setzen. Damit wird nicht ein einziger sachlicher Paragraph der heutigen Gesetze berührt. Allerdings hätten wir dann keine neue Frist, und wir möchten auf jeden Fall klarstellen, daß das nur eine vorübergehende Maßnahme sein soll bis zum Inkraftreten der neuen Rechtsanwaltsordnung.
Daher die Fassung des einzigen Paragraphen der Vorlage. Ich glaube, kein einziger hier im Bundestag — vielleicht mit Ausnahme des Herrn Bundesjustizministers - kennt überhaupt die verschiedenen Rechtsanwaltsordnungen in den deutschen Ländern, d. h. es sind ja wohl nur sieben oder acht außer der britischen Zone. Die Rechtsanwaltsordnung in der britischen Zone kennen wir Norddeutsche, aber kein Bayer und auch kein
Rheinländer oder Pfälzer kennt sie. Wir wollen aber auf keinen Fall, daß eine einzige Bestimmung, nämlich die über ,den numerus clausus, nun plötzlich aus einer Anwaltsordnung, die im übrigen so bleibt, wie sie ist, in ein anderes Gebiet übertragen wird, in welchem bisher etwas anderes galt. Das gibt eine Verwirrung in der Rechtsanwendung, die überhaupt nicht mehr klarzuziehen ist. Ich muß bei meinem Standpunkt verbleiben, auch wenn wir die Gefahr laufen, die ich für gar nicht so groß halte, daß wir ein Gesetz schaffen, welches an das Bundesverfassugsgericht gelangen kann, das hoffentlich früher geschaffen sein wird, als die neue Bundesrechtsanwaltsordnung erlassen wird.
Alles andere wird uns nicht einen Schritt weiterführen. Wir könnten uns im Rechtsausschuß über die theoretischen Fragen der Verfassungswidrigkeit unter Umständen wochenlang unterhalten. Auf diese Art würden wir mit dem Problem. das uns auf den Nägeln brennt, überhaupt nicht fertig, wenn wir alles wie in einem neuen Gesetz niet-
und nagelfest machen wollen.
Ich bin mit Herrn Dr. Greve mindestens darin einig, daß es bei wohldurchdachter Auslegung des Art. 12 des Grundgesetzes in hohem Maße zweifelhaft sein kann, ob der Gesetzweber ein Rechtspflegeorgan ruinieren wollte, indem er ohne Rücksicht auf Verluste sozusagen jedermann zulassen wollte. Ich glaube, das wollte das Grundgesetz nicht. Wir wollen grundsätzlich die Freiheit der Advokatur deshalb, weil das das einzig mögliche ist. Wie steht es aber, wenn wir damit den Stand ruinieren, weil es eben — entschuldigen Sie das Wort — dann nur noch ..Proletarier" geben kann, wenn das anfallende Arbeitspensum bis zum äußersten ausgewalzt wird. wobei die Versuchung, die Sachen nicht ordnungsgemäß zu erledigen zudem noch allzu groß wird? Daß es verfassungswidrig sein soll, wenn wir dem vorbeugen, davon bin ich nicht überzeugt; aber ich gebe zu: ein weites Feld, ein schwieriges Thema!
Ich habe den Antrag überreicht, diesem einzigen Paragraphen noch eine Bestimmung hinzuzusetzen, die hier vergessen ist. nämlich daß dieses Gesetz am Tage nach der Verkündung in Kraft tritt. Ohne diesen Zusatz kommen wir zum 31. Dezember überhaupt nicht mehr klar. Ich bitte also in meinem Antrag — der Herr Präsident kann ihn ja noch einmal verlesen —, diesen einzigen Paragraphen zu ergänzen und den Gesetzentwurf nach Ablehnung des Antrags auf Überweisung an den Rechtsausschuß in zweiter und dritter Lesung, wie sie auf der Tagesordnung vorgesehen sind, anzunehmen.
Es tut mir außerordentlich leid, daß ich durch den mir notwendig erscheinenden Zusatzantrag die formelle Möglichkeit eröffne, einer sofortigen dritten Lesung zu widersprechen. Bekanntlich ist es ja so, daß in solchem Fall jedes einzelne Mitglied der sofortigen dritten Lesung widersprechen kann. Ich bitte die verehrten Herren Kollegen aller Fakultäten und Fraktionen, von diesem formalen Recht keinen Gebrauch zu machen, weil dieser Zusatz nur vergessen ist. Materiell ist er ja selbstverständlich.
- Nicht vergessen?
— Das dauert also zwei Wochen!
- Aber das reicht nicht!
- Ich kann es nicht genau sagen.
- Meinen Sie? Ich glaube, daß wir das Justizministerium auf unserer Seite haben. Ich bin der Sicherheit halber dafür, daß wir diesen Zusatz machen; ich sage das ganz offen.
- Ausschußverhandlungen wollen wir nicht haben. Dann lehnen Sie es ruhig ab; ich habe nichts dagegen. Es war nur ein vorsorglicher Antrag, um Fristenschwierigkeiten zu vermeiden.
Ich bitte also, den Überweisungsantrag abzulehnen und die Änderungsanträge des Herrn Justizministers ebenfalls. Wir werden uns mit diesem Problem bei der Verabschiedung der Rechtsanwaltsordnung auf das ernsteste und nachhaltigste befassen, und ich bin überzeugt, daß dieses Haus in der Beziehung zu einer sehr guten und verständigen Regelung kommen wird.