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ID0110403700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 104. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Dezember 1950 3791 104. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. Dezember 1950. Nachruf für den verstorbenen Abg. Klabunde 3'792D Eintritt der Abgeordneten Majonica und Frau Lockmann in den Deutschen Bundestag 3792D, 3793A Austritt des Abg. Dr. Leuchtgens aus der DRP und Beitritt zur Fraktion der DP 3793A Beitritt des Abg. Friedrich als Hospitant zum BHE-DG 3793A Geschäftliche Mitteilungen . 3793A, 3847C, 3849C Zustimmung des Deutschen Bundesrats zu den Gesetzen über Änderung und Ergänzung des Personenstandsgesetzes 3793B Änderung von Vorschriften des Verschollenheitsrechts 3793B Schifferdienstbücher 3793B Ablauf der durch Kriegs- oder Nachkriegsvorschriften gehemmten Fristen . 3793C Flaggenrecht der Seeschiffe und Flaggenführung der Binnenschiffe 3793C Anfrage Nr. 130 der Zentrumsfraktion über den Aufbau von militärischen und polizeilichen Dienststellen (Nrn. 1537 und 1663 der Drucksachen) 3793C Anfrage Nr. 132 der Zentrumsfraktion betr. Einsichtnahme von Steuerbehörden in Volkszählungsunterlagen (Nrn. 1542 und 1652 der Drucksachen) 3793C Anfrage Nr. 136 der Fraktion der KPD betr. Schließung des Eisenbahn-Ausbesserungswerks Heilbronn (Nrn. 1581 und 1656 der Drucksachen) 3793C Anfrage Nr. 139 der Zentrumsfraktion betr Aufenthalt von Fremden in den USA (Nrn. 1593 und 1673 der Drucksachen) . . 3793C Bericht des Bundeskanzlers vom 5. Dezember 1950 über den Reiseverkehr mit dem Saargebiet (Nr. 1675 der Drucksachen) . . 3793C Beratung der Interpellation der Fraktion der CDU/CSU betr. Wiederbesiedlung der Stadt Kehl (Nr. 1493 [neu] der Drucksachen) 3793D, 3807B Zur Geschäftsordnung: Dr. Oellers .(FDP) 3807C, 3808B Rümmele (CDU) 3807D Mellies (SPD) 3808A Zur Sache: Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3808B Rümmele (CDU), Interpellant . . . 3808D Erler (SPD) 3810A Dr. Pünder (CDU) 3811D Dr. Hamacher (Z) 3812B Dr. Schäfer (FDP) 3812C Renner (KPD) 3813C Beratung der Interpellation der Fraktionen der BP, des Zentrums und der WAV betr. Gesetzentwürfe über eine Senkung der Tabak-, Kaffee- und Teesteuer (Nr. 1429 der Drucksachen) 3793D, 3796C Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Interpellant 3796D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 379&D Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. steuerlich abzugsfähige Mitgliedsbeiträge (Nr. 1516 der Drucksachen) 3793D Seuffert (SPD), Interpellant . . . 3794A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3795B Beratung der Interpellation der Fraktionen .der CDU/CSU, SPD, FDP, DP und BP betr. Ufi-Auktion in Wiesbaden (Nr 1590 der Drucksachen) 3800C Muckermann (CDU), Interpellant . 3800C Dr. Schalfejew, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft 3801C Brunner (SPD) 3802D, 3807B Dr. Vogel (CDU) 3805A Müller (Frankfurt) (KPD) 3806D Erste Beratung des von der Fraktion des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Reichsautobahngesetzes vorn 29. Mai 1941 (Nr. 1571 der Drucksachen) 3813D Dr. Bertram (Z), Antragsteller . . 3813D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Erbschaftssteuergesetzes (Nr. 1575 ,der Drucksachen) . . 3814C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3814C Erste Beratung des Entwurfs eines Anleihegesetzes von 1950 (Nr. 1576 der Drucksachen) 3815D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3815D Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . 3816B Dr. Bertram (Z) 3817D Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen (Nr. 1621 der Drucksachen) 3818B Dr. Kleindinst (CSU), Antragsteller 3818C, 3820A Arnholz (SPD) 3818D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" (Nr. 1638 der Drucksachen) 3820C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3820C Dr. Bucerius (CDU) . . . 3821A Seuffert (SPD) 3821B Paul (Düsseldorf) (KPD) 3822A Erste, zweite und dritte Beratung des von den Abg. Dr. Greve u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung von Fristen auf dem Gebiete des Anwaltsrechts (Nr. 1615 der Drucksachen) . . . . 3822C Dr. Greve (SPD), Antragsteller 3822D, 3824D, 3825A, 3826D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz . . . . 3823C, 3826C, 3828A Ewers (DP) 3825C, 3827B Dr. Oellers (FDP) 3828C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des D-Markbilanzgesetzes (D-Markbilanzergänzungsgesetz) (Nr. 1293 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 1622 der Drucksachen) 3829C Dr. Koch (SPD), Berichterstatter . 3829D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs '(Nr. 802 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) (Nr. 1519 der Drucksachen) . 3832B Dr. Kleindinst (CSU), Berichterstatter 3832B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundesbahn (Nr. 1023 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) (Nr. 1556 der Drucksachen) 3834C Rümmele (CDU), Berichterstatter . 3834C Erste, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1653 der Drucksachen) 3836A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3836A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen (Nr. 801 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) (Nr. 1518 der Drucksachen) . . . 3836B Dr. Kleindinst (CSU), Berichterstatter 3836C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3838B Rademacher (FDP) 3839A Dr. Fecht, Justizminister von Baden 3839B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundespost (Nr. 976 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen (28. Ausschuß) (Nr. 1635 der Drucksachen) 3840A Cramer (SPD), Berichterstatter . . . 3840B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über die Anträge der Abg. Rademacher, Dr. Schäfer u. Gen. und der Abg. Ollenhauer u. Gen. betr. Küstenkohlentarife (Nrn. 1309, 72, 76 der Drucksachen) 3841C Dr. Bucerius (CDU), Berichterstatter 3841D Schröter (CDU) 3842D Dr. Oellers (FDP) 3844A Ewers (DP) 3844D Clausen (SSW) 3845C Blachstein (SPD) 3845D Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Deutsche Bundesbahn (Nr. 1533 der Drucksachen) 3847C Kohl (Stuttgart) (KPD), Antragsteller 3847D Rademacher (FDP) 3819A Beratung des Interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Nr. 1624 [neu] der Drucksachen) 3849B Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU) . . 3849B Änderung der Tagesordnung der nächsten Sitzung 3849C Dr. Oellers (FDP) 3849D Nächste Sitzung 3849D Die Sitzung wird um 9 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Oskar Rümmele


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    In dem Antrag sind zwei Punkte enthalten. Der eine Punkt geht dahin, zur Wiederbesiedlung der Stadt Kehl solle der Bund eine erste Rate von etwa 10 Millionen DM bereitstellen. Der zweite Punkt sieht vor, die Bundesregierung zu ersuchen, den Ablösungsbetrag aus dem Notopfer Berlin — damals in Baden „Notopfer Berlin—Kehl" genannt — entsprechend der Zusage des Bundesministers der Finanzen, die er in der 22. Sitzung des Deutschen Bundestages gegeben hat, beschleunigt zur Auszahlung zu bringen.
    Nun gibt es leider viele Schadensgebiete. Die Herren von der Grenzlandkommission haben die Gegenden ja bereist. Der Fall Kehl stellt aber einen Sonderfall dar. Kehl ist die einzige deutsche Stadt, die, 1944 auf deutsche Veranlassung von einer Stunde zur anderen geräumt, nach Beendigung des Kriegszustandes — er ist allerdings auch jetzt noch nicht durch Vertrag beendet nicht wieder besiedelt werden durfte. Die Herren der Besatzungsmacht haben die Stadt Kehl für französische Familien, die in Straßburg ihre Wohnstätten durch den Krieg verloren haben, zurückbehalten. Abgeordnete aller Parteien, die Delegierten von Straßburg, konnten sich davon überzeugen, daß dieser vorsintflutliche Zustand noch besteht. Mitten durch Kehl geht die Hauptstraße entlang ein Stacheldrahtverhau, der die inzwischen zurückgekehrten deutschen Familien und die Bewohner aus Frankreich trennt. Dadurch, daß seiner Zeit die ganze Stadt geräumt wurde, daß nichts mitgenommen werden konnte, daß alle von Haus und Hof gingen und ihr Gewerbe aufgeben mußten, dadurch, daß später, nachdem der Krieg an sich beendet war, durch Brände große Zer-


    (Rümmele)

    störungen eintraten, dadurch, daß auch bis zum Jahre 1949 kein Deutscher zurückkehren konnte, noch nicht einmal um etwa die Erhaltung des noch Vorhandenen irgendwie zu betreiben oder sonst etwas zu unternehmen, sind die Schäden besonders groß geworden.
    Wenn Sie diesen Tatbestand berücksichtigen, dann haben Sie damit die Besonderheit des Falles. Bei allen Zerstörungen, bei allen Kriegsschäden überall in Deutschland ist doch nirgends dieser Zustand einer völlig annektierten Stadt vorhanden, und jetzt erst, nach einem Abkommen, das im April 1949 in Washington geschlossen wurde, kann die Wiederbesiedlung in gegenseitigem Einvernehmen langsam erfolgen. Etwa ein Drittel der deutschen Bewohner ist jetzt wieder nach Kehl zurückgekommen. Das Abkommen sieht vor, daß in der Hafenangelegenheit die Franzosen den Kehler Hafen solange unter Verwaltung haben, bis ein Friedensvertrag andere Verhältnisse schafft, und dann ist wohl vorgesehen, daß eine gemeinsame Hafenverwaltung eingesetzt würde. Kehl ist der südlichste brauchbare Rheinhafen. Er hatte vor dem Kriege einen Umschlag von über 2 Millionen Tonnen. Er ist wichtig für Baden, für Württemberg, für die gesamten süddeutschen Länder für den Verkehr zwischen Deutschland und Frankreich und den Verkehr auf dem Rhein mit dem Umschlagplatz eben in Kehl. Es ist der Schnittpunkt zwischen Schwarzwald und Vogesen und auch im Gefüge der Nachbarschaft nach jeder Hinsicht von Bedeutung.
    Das müßten vor allem auch die Herren der Besatzungsmächte stärker berücksichtigen, die jetzt sehr wohl da und dort Entgegenkommen und auch ihren guten Willen zeigen. So hat kürzlich der Herr Kommissar Pène einen Scheck von 100 000 Mark zum Wiederaufbau von Wohnungen gegeben, damit die französischen Verwaltungen dann Wohnungen räumen könnten. Auch der badische Staatspräsident hat bei dieser Gelegenheit 100 000 Mark gestiftet. Aber, meine Damen und Herren, das sind natürlich nur wenige Tropfen auf einen heißen Stein.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich will Ihnen nachher an Hand einer amtlichen Denkschrift nur einige Zahlen bekanntgeben, nicht etwa wörtlich vorlesen, was da steht — das liegt mir nicht, und das würde das Hohe Haus wahrscheinlich langweilen —; aber Sie ersehen dann doch aus dieser Zusammenstellung, daß ein Schaden von rund 140 Millionen entstanden ist und daß nur wenig gegeben werden konnte, um diesen Schaden auch nur teilweise gutzumachen. Die Denkschrift stellt die besonderen Notstände heraus und zeigt auf, daß der Bundestag wohl verpflichtet sein dürfte, zu helfen, soweit er kann. Dies ist meiner Meinung nach auch eine Verpflichtung des Bundesfinanzministers, der trotz seiner Sorgen und Nöte auch hier etwas versprochen hat. Als wir im Dezember vorigen Jahres mit Wirkung vom 1. Januar das Notopfer beschlossen haben, das damals in Baden mit voller Absicht „Berlin—Kehl" geheißen hat, damit diese Schäden mindestens teilweise wiedergutgemacht werden konnten, hat der Herr Finanzminister positiver gesprochen als heute. Der Finanzminister sagte damals, er wäre gern bereit, zwar nicht im Rahmen des Notopfers, aber im Rahmen der allgemeinen Mittel des Bundes, wenn ihm von der badischen Regierung entsprechende Nachweisungen geliefert würden, im Rahmen des Möglichen zu helfen.
    Meine Damen und Herren, man hört selten von einem Finanzminister, daß er gern bereit ist. Man hört das von dem unsrigen natürlich auch sehr selten, und wir müssen ja auch gerechterweise sagen: er hat viele Sorgen auf dem Gewissen, und es wird viel von ihm gefordert. Aber außergewöhnliche Notstände rechtfertigen schließlich auch eine außergewöhnliche Forderung.
    Nach der erwähnten Statistik ist es so, daß an total zerstörten und leicht zerstörten Gebäuden Schäden in Höhe von 18 Millionen Mark nachweisbar sind. Es ist weiter so — bedenken Sie das immer! —, daß alles zurückgelassen werden mußte, nicht nur in Privatwohnungen, sondern auch von Handel, Landwirtschaft und Gewerbe. Es konnte gar nichts herausgenommen werden, und die Dinge sind heute, nach vier, fünf Jahren nicht mehr da. Es ist dadurch bei rund 3600 Haushaltungen und etwa 435 Gewerbebetrieben ein Schaden von etwa 57 Millionen Mark nachweisbar. Allein die eine große bekannte Fabrik Trick-Zellstoff, die in ihrer Art einzig ist — in ganz Europa gibt es nur noch eine zweite Fabrik, die ähnliche Zellulose hergestellt hat —, hat einen Verlust von etwa 6 Millionen Mark. Es ist bis jetzt durch Mietausfall bei gewerblichen und anderen Räumen ein Verlust von 15 Millionen DM, durch Einkommensminderung bei der betroffenen Bevölkerung ein Verlust von rund 45 Millionen DM seit 1945 festzustellen.
    Unser Antrag verlangt 10 Millionen DM. Ich darf noch einmal daran erinnern, daß es sich — es wird wahrscheinlich von einem Teil der Mitglieder des Hauses und vom Finanzministerium in diesem Zusammenhang nicht anerkannt — bei diesen Schäden um Kriegsfolgen handelt, gegen die man sich nicht wehren konnte, und daß die Hilfeleistung im Grunde genommen Aufgabe des Bundes ist, allerdings abzüglich einer Interessenquote der Länder. So ungefähr ist es ja doch gesetzlich geregelt.
    Bisher konnten für Kehl etwa 5,1 Millionen DM aufgewendet werden, darunter zweieinhalb Millionen DM aus dem Notopfer Berlin—Kehl, 1,23 Millionen DM Flüchtlingsaufwendungen, 1 Million DM aus der Soforthilfe und etwa eine halbe Million DM für Mietentschädigungen, die inzwischen bezahlt wurden.
    Die Summe von 140 Millionen Mark Gesamtschaden ermäßigt sich im Laufe der kommenden Monate vielleicht um etwa 15 Millionen DM, weil die Verständigung zwischen der Besatzungsbehörde und den badischen Regierungsstellen erfreulicherweise so weit zu einem Ergebnis geführt hat, daß Mietentschädigungen, die bis jetzt nur bis zu zwei Quartalen bezahlt wurden, nunmehr rückwirkend gegeben werden sollen. Der Finanzbedarf bis zum 31. März 1951 beträgt insgesamt etwa 18 Millionen DM ohne die Aufwendungen für den Hafen Kehl, für den noch große Beträge aufzuwenden sind, die weit über diese Summe hinausgehen.
    Ich will damit die Aufführung von Zahlen beenden. Diese Zahlen dürften im großen und ganzen ein Bild von der Besonderheit dieser Schäden und der Situation geben.
    Ich betone noch einmal: die Antragsteller lassen sich nicht etwa davon leiten, nun für das Land Baden, das naturgemäß nicht in der Lage ist, diese Schäden allein wiedergutzumachen, nachdem Baden immer ganz besonders hohe Besatzungsleistungen aufzubringen hatte, einen Sondervorteil herauszuholen. Es handelt sich einfach darum, einem besonderen Notstand mit besonderen Hilfsmaß-


    (Rümmele)

    nahmen, die sachlich sehr wohl begründet sind, zu begegnen; denn an der Wiederbesiedlung Kehls hat alles in Deutschland ein Interesse.
    Ich darf von dieser Tribüne aus auch an die Besatzungsmacht einmal den Wunsch richten, die französische Besatzungsmacht möge entsprechend dem, was 1949 in Washington über die Zurücksiedlung in vier Jahren vereinbart wurde, in Verbindung mit den deutschen Stellen alle Anstrengungen machen, damit die Wiederbesiedlung schneller vor sich gehen kann. Man möge sich dabei auch daran erinnern, daß der Krieg fünf Jahre vorbei ist, sowie daran, daß für Kehl und Straßburg, die doch so eng beieinander liegen und nur durch den Rheinarm getrennt sind, deren Häfen früher durch die Hafenverwaltungen miteinander in Konkurrenz standen, doch irgendeine Gemeinschaftslösung gefunden werden muß und daß auch der Weg zu einem neuen Europa und nach Straßburg über Kehl geht.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wenn man sich daran erinnert, die Stacheldrähte abbaut und den deutschen Menschen die Wiederbesiedlung schneller als bisher ermöglicht, dann hat man auf diese Art auch dem Frieden und dem neuen Europa gedient.

    (Beifall in der Mitte.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist erfreulich, daß die Kehler Frage, die bisher rein auf der Ebene lokaler und regionaler Behörden verhandelt wurde, nun endlich vor das Forum des Bundestags kommt und auf der Bundesebene verhandelt wird, wohin sie gehört; denn es liegt nicht nur ein Notstand zugrunde, dem man mit Geld abhelfen kann, sondern es liegt ein politischer Notstand zugrunde, der durch das Eingreifen einer der Besatzungsmächte, die gleichzeitig unser Nachbar ist, verursacht worden ist und dem man wahrscheinlich nur mit den Mitteln der außenpolitischen Verhandlungen wirksam begegnen kann.
    Deshalb begrüßen wir es von ganzem Herzen, daß wir bei diesem Anlaß Gelegenheit haben, das Problem Kehl etwas mehr vom Grundsätzlichen her anzuschneiden, als es auf der badischen Ebene allein bisher möglich war.
    Die Frage selbst ist schon öfter in der Öffentlichkeit behandelt worden, allerdings weniger im Bereich des ganzen Bundesgebiets, als vor allem in demjenigen Teil des deutschen Bundes, aus dem ich komme, nämlich im südwestdeutschen Raum. Meine Freunde haben im südbadischen Landtag schon vor langer Zeit einen Antrag eingebracht, der damals die einmütige Zustimmung des ganzen Landtags fand und durch den Kehl zum Notstandsgebiet erklärt wurde. Durch eine spätere Entscheidung des südbadischen Landtags wurde in diesen Kreis der Notstandsgebiete auch einbezogen die Stadt Breisach und eine Reihe von anderen schwer kriegsbetroffenen Gemeinden. Ich erwähne den Namen Breisach deshalb, weil ich in dem Schlußwort meines Vorredners einen Anklang an Straßburg als die europäische Hauptstadt fand und gerade Breisach ein Beispiel dafür gegeben hat, wie lebhaft und wachsam trotz aller Hemmungen im Wiederaufbau, die infolge der jetzigen Umstände dort bestehen, und trotz aller Zerstörungen, die die Stadt hat auf sich nehmen müssen, der europäische Geist dort ist. Sie entsinnen sich noch, daß es gerade Breisach war, das sich bei einer der Abstimmungen über den Zusammenschluß zur europäischen Föderation mit einer Mehrheit von über 90 % aller Stimmberechtigten für den Zusammenschluß ausgesprochen hat. Ich glaube, beiderseits des Rheins — ich betone: beiderseits — sollte man aus dieser Abstimmung etwas lernen, und darüber, was man auch auf der anderen Seite daraus lernen kann, werde ich Ihnen noch einige Gedanken vortragen.
    Es haben damals schon eine Reihe von Besprechungen, an denen auch der jetzige Bundestagsabgeordnete Maier beteiligt war, stattgefunden mit dem derzeitigen französischen Hohen Kommissar Francois-Poncet, mit dem derzeitigen französischen Außenminister Schuman und auch mit dem damaligen franzöischen Deutschlandminister Alain Poher. In diesen Besprechungen sind ganz konkrete Vorschläge gemacht worden, wie man der Notlage Kehls zu Leibe gehen könnte: zum Beispiel dadurch, daß man drüben in Straßburg mit deutschen Arbeitskräften und deutschem Material etwas schneller, als das augenblicklich geschieht, Wohnraum schafft, damit die Bevölkerung aus dem evakuierten Straßburg, die heute noch in Kehl ansässig ist, in ihre Heimat zurückkehren kann und damit Kehl ganz den Deutschen zur Wiederansiedlung zurückgegeben werden kann. Denn was nützt uns das Geld für die Wiederansiedlung, wenn der Raum dafür nicht zur Verfügung steht! Leider ist man damals auf diese Vorschläge nicht eingegangen.
    Es hat uns alle sehr erschüttert, als wir als deutsche Delegierte in der Beratenden Versammlung von dem wieder zum Leben erwachten blühenden Straßburg, dessen Hafen kaum nennenswerte Schäden erlitten und der heute wieder einen großen Teil seines Vorkriegsumschlags erreicht hat — ungefähr zwei Drittel der in Straßburg jeweils in den besten Jahren umgeschlagenen Gütermenge wird dort heute wieder umgeschlagen —, nach Kehl hinüberkamen und hier einen vollständig toten Hafen vorfanden. Kein Schiff ist zu sehen; keine Maschine rührt sich; die Kräne sind zerstört, sie funktionieren nicht; man kann gar kein Schiff ausladen; es sind kaum Menschen im Hafen; kein Schlot raucht; keine Fabrik, kein Eisenbahnwaggon ist zu sehen; ein völlig verödetes, riesiges Hafengelände, das durchaus imstande wäre, heute einen großen Teil des über den Oberrhein laufenden Schiffsverkehrs für die Bedürfnisse des südwestdeutschen Wirtschaftsraums bei sich aufzunehmen.
    Ohne daß das Schicksal des Hafens mit entschieden wird, ist die Wiederbesiedlung der Stadt Kehl allein verhältnismäßig sinnlos. Ich möchte Ihnen daher sagen, daß wir uns darüber freuen würden, wenn die Bundesregierung sich durch diesen Antrag, der zunächst rein finanzieller Natur zu sein scheint, bewogen fühlte, das Problem Kehl auf der Ebene der deutsch-französischen Aussprache und der Aussprache mit den Hohen Kommissaren mit dem Ziel anzuschneiden, daß der Hafen möglichst bald der deutschen Wirtschaft zurückgegeben wird; denn davon hängt Leben oder Tod dieser Stadt ab. Die Industrien, die in Kehl früher ansässig waren, sind unmittelbar um den Hafen herum gruppiert gewesen. Sie hängen in ihrer Zufuhr und in ihrer Abfuhr so mit dem Hafen zusammen, daß ohne ein Übergehen des Hafens in die deutsche Verwaltung an einen Wiederaufbau Kehls ernsthaft nicht gedacht werden kann.


    (Erler)

    Kehl hat in und nach dem zweiten Weltkrieg viel stärkere Zerstörungen erlitten als Straßburg. Von 1740 Gebäuden, die im Jahre 1944 vorhanden waren, sind 501 total zerstört und 313 schwer bzw. leicht beschädigt. Nur 926 Gebäude sind überhaupt erhalten geblieben. Der Kehler Hafen hatte 1937 einen Umschlag von über 2 Millionen Tonnen. Er ist durch Kriegsschäden schwerstens betroffen, wird aber ohne Rücksicht auf die Schäden heute überhaupt nicht benutzt. Von den 12 400 Einwohnern Kehls im Jahre 1939 lebte der größte Teil vom Hafenbetrieb und der im Zusammenhang damit dort aufgebauten Industrie. Diese Industrie ist heute praktisch tot. Das können Sie an einer Zahl, nämlich an der Zahl über das Steueraufkommen erkennen. Das Steueraufkommen Kehls betrug im Jahre 1942 1 552 908 RM und erreichte im Jahre 1949 63 100 DM. Ich glaube, die Gegenüberstellung dieser Zahlen zeigt erschütternd, in welcher Lage sich die Stadt befindet, und zeigt uns, welche Verpflichtung wir auf uns nehmen müssen, um der Stadt zu helfen.
    Sie wissen — Sie haben es vom Vorredner erfahren; irgendwelche Dokumente sind dem Bundestag darüber bisher nicht zugegangen —, daß die Alliierten das Washingtoner Abkommen geschlossen haben, in dem sie sich untereinander dahin absprachen, daß innerhalb weniger Monate ein Drittel der Stadt Kehl zu räumen sei und daß der Rest der Stadt nach und nach im Laufe von vier Jahren an Deutschland zurückgegeben werden solle.
    Kehl ist ein Sonderfall in Deutschland. Es handelt sich nicht einfach um einen Bestandteil der französischen Besatzungszone, sondern der heute noch französische Teil Kehls ist aus der deutschen Verwaltung auch des Landes Baden ausgegliedert, ist französisches Zollgebiet, bildet praktisch auf einige Zeit einen mit Frankreich verbundenen Teil und bildet in der Verwaltung nicht einen ordentlichen Bestandteil des lediglich französisch besetzten Gebiets Deutschlands.
    Ich glaube, man sollte alle Bemühungen darauf erstrecken, daß dieser Zustand baldmöglichst beendet oder mindestens seine Dauer nennenswert verkürzt wird. Das kann man tun, wenn man mit der französischen Regierung einmal durchspricht, welche konkreten Hindernisse denn überhaupt im Wege stehen. Im Kehler Hafen haben die französische Truppe und einige Holzfirmen ein sehr unbeträchtliches Lager. Das läßt sich verpflanzen. Der Straßburger Hafen ist groß genug, um das aufzunehmen. In der Stadt Kehl leben noch einige hundert französische Familien aus Straßburg. Auch darüber ließe sich reden, daß dann eben die Deutschen einen Beitrag zum Bau entsprechender Wohnungen drüben in Straßburg leisten, damit wir wieder nach Kehl hinein können und diese deutsche Stadt selber wiederaufbauen können. Aber das könnte wesentlich schneller gehen, als das augenblicklich durch die Gewalt der Umstände möglich ist.
    Das Ganze ist damit wirklich eine Bundessache geworden. Die badische Regierung ist weder sachlich in der Lage, noch kommt es ihr nach dem Grundgesetz zu, außenpolitische Verhandlungen mit unseren Nachbarn zu führen. Das ist Sache der Bundesregierung. Man muß darüber hinaus ein Wirtschaftsprogramm entwickeln, damit dem zurückzugebenden Hafen wirklich wieder Blut und Leben zufließt, damit der Hafen wieder seine Rolle in der südwestdeutschen Wirtschaft spielen kann. Das kann nicht allein mit Geld geschehen, sondern wir werden uns überlegen müssen, welche früher dort ansässigen Industrien und welche neuen dazu rund um den Hafen herum angesiedelt werden können. Platz genug bietet er, und an Arbeitskräften dürfte es in der Nachbarschaft Kehls nicht allzu stark mangeln.
    Damit wäre Kehl wieder zu einem Schwerpunkt, zu einem Mittelpunkt des südwestdeutschen Wirtschaftsraums geworden. Das Ganze ist nur möglich, wenn man auch den Wohnungsbau in Gang bringt. Vielleicht läßt sich darüber reden, wie man die Mittel des sozialen Wohnungsbaues, die ja nach bestimmten Schwerpunkten verteilt werden, auch in dieser Weise in den Wiederaufbau von Kehl bevorzugt hineinsteckt.
    Nun zum Schluß, meine Damen und Herren: Welches Problem ergibt sich für uns in bezug auf unsere Nachbarn? Kehl kann ein Beispiel werden, wie vernünftige europäische Gesinnung aussieht. Heute ist es ein Beispiel dafür, wie man europäische Parolen zur Ausnutzung sehr realer nationaler Interessen mißbrauchen kann.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Das wollen wir ganz eindeutig und nüchtern ohne allzu große Enttäuschung hier feststellen. Kehl liegt Straßburg gegenüber. Die Bevölkerung ist voll guten Willens. Sie erhofft sich von der europäischen Neuordnung sehr viel. Aber das kann dann nicht so aussehen, wie es uns zum Beispiel der französische Hafendirektor sagte: „Nun ja, augenblicklich untersteht der Kehler Hafen französischer Verwaltung. Wir sind durchaus bereit, eine deutsch-französische Gesellschaft zu gründen." Und auf meine Gegenfrage: „Ja, für beide Häfen, für Straßburg und Kehl, dann sind wir damit einverstanden" : „Nein, natürlich nur eine deutschfranzösische Gesellschaft für den Kehler Hafen; aber der Straßburger Hafen, der geht euch nichts an, der bleibt ausschließlich in französischer Hand." Wenn die Europäisierung so aussieht, daß nur die Deutschen das Ihre nach Europa einbringen, die übrigen Länder aber auf ihren vollen nationalen Souveränitätsrechten beharren, dann ist das Ganze in Wahrheit eben kein Beitrag zu einer europäischen Neuordnung.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Ich glaube, auch hier schaut Kehl nach Straßburg; und es schaut auf uns, ob Franzosen und Deutsche an diesem Beispiel demonstrieren können, daß man im Geiste vernünftiger europäischer Zusammenarbeit diese deutsche Stadt dem Wiederaufbau zuführen kann.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und in der Mitte.)