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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte gehofft, Ihnen namens des Bundesministeriums der Finanzen heute mitteilen zu können, daß der Spruchsenat beim Hauptamt für Soforthilfe seine Tätigkeit aufgenommen hat. Trotz der Bemühungen aller beteiligten Stellen und trotz zweimaligen Zusammentritts des Richterwahlausschusses für die Wahl der Mitglieder des Spruchsenats hat sich das leider bisher noch nicht ermöglichen lassen. Die Angelegenheit ist ja von besonderer Bedeutung einmal, wie der Herr Interpellant geschildert hat, wegen der so großen Zahl der vorliegenden Spruchbeschwerden, zweitens aber auch, weil sie ein sehr wichtiges Beispiel dafür liefert, wie außerordentlich schwierig in manchen Fällen die rechtliche Umstellung von Einrichtungen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes auf die nach dem Grundgesetz zu schaffenden Einrichtungen ist.
Der Ausgangspunkt für die Schwierigkeiten bei der Bildung des Spruchsenats liegt darin, daß das Grundgesetz und das Soforthilfegesetz gegenseitig nicht aufeinander abgestimmt sind. Das Soforthilfegesetz ist unter der Bezeichnung „Erstes Lastenausgleichsgesetz" bereits im Dezember 1948, also vor fast zwei Jahren, vom Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes verabschiedet worden. Von den Militärregierungen gegen die Fassung des Gesetzes erhobene Einwendungen machten eine Umarbeitung des Gesetzes notwendig, die sich aber nur auf die von den Militärregierungen beanstandeten Punkte beschränkte. Das Grundgesetz konnte bei der Umarbeitung nicht berücksichtigt werden, weil damals noch nicht feststand, in welcher Fassung es überhaupt in Kraft treten würde. Nach einer vierten Lesung verabschiedete der Wirtschaftsrat das Gesetz unter seiner jetzigen Bezeichnung im Mai 1949. Bis zur Genehmigung dieses Gesetzes durch die Militärregierungen vergingen abermals mehrere Monate, so daß es erst im August 1949, also nach Inkrafttreten ides Grundgesetzes, in Kraft treten konnte.
Man war damals davon ausgegangen, daß die organisatorische und personelle Verbindung zwischen dem Spruchsenat und dem Hauptamt für Soforthilfe, wie wir sie im Soforthilfegesetz in Anlehnung an frühere landesrechtliche Regelungen vorgesehen hatten, auch mit dem Grundgesetz vereinbar sein würde. Die Besprechungen zwischen den Bundesressorts haben aber zu dem Ergebnis geführt, daß der Spruchsenat in diesem Falle nur als oberste Verwaltungsbehörde hätte tätig werden können mit der Folge, daß gegen dessen Entscheidungen der ordentliche Verwaltungsrechtsweg in mehreren Instanzen eröffnet worden wäre. Der Spruchsenat kann die ihm im Soforthilfegesetz zugedachte Funktion, als oberste Revisionsinstanz tätig zu werden, jedoch nur dann erfüllen, wenn er als oberes Bundesgericht im Sinne des Grundgesetzes tätig wird. Das setzt voraus, daß der Spruchsenat nach Art. 130 des Grundgesetzes auf den Bund übergeführt wird und daß die Richter des Spruchsenats unter Mitwirkung des Richterwahlausschusses berufen werden. Infolgedessen mußte zunächst das Inkrafttreten des Richterwahlgesetzes abgewartet werden.
Das Gesetz ist am 26. August 1950 in Kraft getreten. Am 12. September 1950 hat der Bundestag die von ihm zu wählenden Mitglieder des Richterwahlausschusses gewählt. Gleichzeitig wurde die Überleitung des Spruchsenats als einer Einrichtung der Rechtspflege auf den Bund vom Bundesfinanzministerium vorbereitet und vom Bundeskabinett am 17. Oktober 1950 beschlossen. Diese Verordnung bedarf aber noch der Zustimmung des Bundesrates. Der Rechtsausschuß des Bundesrates hat sich mit der Sache befaßt und beabsichtigt, dem Bundesrat die Zustimmung mit gewissen Ergänzungen vorzuschlagen.
Inzwischen ist der Richterwahlausschuß zu dieser Frage einberufen worden. In der ersten Sitzung vom 26. Oktober kam eine Wahl nicht zustande, da der Richterwahlausschuß nicht beschlußfähig war. In einer zweiten Sitzung am 10. November wurden aus der Mitte des Richterwahlausschusses Bedenken dagegen geltend gemacht, die Richterwahl schon vor dem Inkrafttreten der Überführungsverordnung vorzunehmen.
Es wurde ferner angeregt, den Spruchsenat bis zu einer endgültigen gesetzlichen Regelung dem Bundesfinanzhof einzugliedern, da ein Bundesverwaltungsgericht oder ein Bundessozialgericht, bei dem der Spruchsenat sonst hätte gebildet werden können, vorläufig noch nicht besteht. Ich beabsichtige, diesem Vorschlag zu entsprechen, um weitere Verzögerungen zu vermeiden. Ich hoffe, daß der Bundesrat, dem die Dringlichkeit der Angelegenheit bekannt ist, sich auf seiner nächsten Sitzung diesem Standpunkt anschließen und die Überführungsverordnung in der neuen Fassung genehmigen wird. Sobald die Überführungsverordnung in Kraft getreten ist, wird der Richterwahlausschuß erneut, also zum drittenmal, zur Wahl des Spruchsenats zusammengerufen werden. Ich werde dann die Richter des Spruchsenats nach ihrer Berufung und Bestätigung unverzüglich dem Herrn Bundespräsidenten zur Ernennung vorgeschlagen.
Die Verfahrensvorschriften für den Spruchsenat hat die Bundesregierung im Rahmen der Änderungsverordnung zum zweiten und dritten Teil des Soforthilfegesetzes in den Sitzungen des Bundeskabinetts vom 5. September 1950 und 3. November 1950 beschlossen. Der Bundesrat hat ihnen zugestimmt. Es ist aber noch die Zustimmung des Bundestags nach dem Soforthilfegesetz notwendig, welches seinerzeit die Zustimmung des Plenums des Wirtschaftsrates vorgesehen hatte. Die Zustimmung des Plenums des Bundestags zu diesen Verordnungen wird also noch herbeizuführen sein.
Die Rechtsfragen, die ich hier dargelegt habe, mußten mit besonderer Sorgfalt geprüft werden, damit gewährleistet ist, daß der Spruchsenat nun wirklich als letztinstanzliches Gericht seine Entscheidungen treffen kann und daß diese Entschei-
dungen keinen verfassungsrechtlichen Beanstandungen ausgesetzt sind. Das liegt auch im Interesse der Geschädigten, die den Spruchsenat angerufen haben oder noch anrufen werden.
Ich hoffe also, daß durch das Zusammenwirken aller Beteiligten in Kürze die sehr bedauerlichen Hindernisse beseitigt sein werden, die bisher der vordringlichen Aufnahme der Spruchtätigkeit im Wege gestanden haben. Im Hauptamt für Soforthilfe sind übrigens alle sachlichen Vorbereitungen getroffen worden, damit der Spruchsenat, sobald er ins Leben getreten ist, die eingegangenen Rechtsbeschwerden schnell abwickeln kann.