Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Das Schlußwort erteile ich dem Abgeordneten Koch.
Dr. Koch , Interpellant: Meine Damen und Herren! Ich halte es für meine Pflicht, auf die Ausführungen des Bundeswirtschaftsministers Professor Erhard in dieser so außerordentlich wichtigen Debatte über die Hausbrandversorgung und auch über die Wirtschaftspolitik — denn das können wir nicht voneinander trennen — noch einmal einzugehen. Der Herr Professor Erhard, der Bundeswirtschaftsminister, hat allerdings gesagt, Hausbrand und Wirtschaftspolitik hätten nichts miteinander zu tun. Vielleicht ist das eine Erkenntnis aus der sozialverpflichteten Marktwirtschaft.
Jedenfalls sieht die Hausbrandversorgung bei uns heute so aus, als ob sie mit Wirtschaftspolitik nichts zu tun hätte. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat den stürmischen Beifall der Abgeordneten der Regierungsparteien entgegengenommen.
Vielleicht wäre es richtig gewesen, wenn diese Abgeordneten einmal über die Kohlenlage in ihren Wahlkreisen gesprochen
und dann geklärt hätten, ob sie diesen Beifall dem Bundeswirtschaftsminister mit Recht zollen dürfen, auf dessen Wirtschaftspolitik diese Kohlenlage zurückgeht. Herr Professor Erhard sprach von Gerüchten,
denen ich hier Ausdruck gegeben hätte, als ich die trostlose Situation auf dem Kohlengebiet schilderte. Ich weiß nicht, ob die Opel-Werke und die Unternehmen der anderen Wirtschaftsgruppen uns Gerüchte mitgeteilt haben, die ich im einzelnen angeführt habe. Hat der Herr Bundeswirtschaftsminister den Kohlenkommissar eingesetzt und die Energieeinschränkungsanordnungen erlassen, weil er lediglich Gerüchte bekämpfen möchte?
Wir haben von dem Bundeswirtschaftsminister mit Freude gehört, daß in Zukunft Preissteigerungen vermieden werden sollen. Wir haben ihn aber schon soviel über Preise, über das Auspendeln der Preise, über das Sinken der Preise in den letzten zweieinhalb Jahren sprechen hören und haben in aller Regel das Gegenteil von dem erlebt, was er uns in seiner sozialverpflichteten Marktwirtschaft
versprochen hat, daß wir ihm auch jetzt nicht folgen können.
— Das ist wohl wahr, Herr Kollege Preusker. Wir wissen, daß die Preise in diesen zweieinhalb Jahren seit der Währungsreform in einem ganz anderen Umfang als etwa die festgehaltenen Löhne gestiegen sind.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister sprach von einer unsachlichen Polemik: wir legten der Regierung die Korea-Krise zur Last und machten für die Folgen der Korea-Krise seine Wirtschaftspolitik verantwortlich. Soweit die Korea-Krise zu ganz erheblichen Beschäftigungssteigerungen in der Industrie führte, waren das Folgen der sozialverpflichteten Marktwirtschaft.
Jedenfalls wurde es uns so klar gemacht. Heute, da die Korea-Krise auch einige Schatten auf die deutsche Wirtschaft wirft, ist es ausschließlich der Korea-Konflikt, der daran schuld ist.
Wir stellen aber nicht mit Befriedigung, sondern mit der Sorge, die wir als Abgeordnete haben müssen, fest, daß schon bei der ersten Erschütterung von außen her diese sozialverpflichtete Marktwirtschaft ins Wanken kommt und Millionen von Mitbürgern einem Winter der Kälte und des Frierens entgegengehen. Denn die Zahlen, mit denen uns der Herr Bundeswirtschaftsminister zu beruhigen versucht hat — er sagt, diese Zahlen seien unbestechlich -- scheinen uns nicht so ganz unbestechlich zu sein. Sind es nicht dieselben Zahlen, von denen der Herr Bundeswirtschaftsminister sprach, als er sagte: „daß nach den statistischen Unterlagen ein drückender Engpaß an Kohle nicht in Frage komme"?
Herr Professor Erhard hat noch einmal, wie ich es auch getan habe, auf die Jahre 1945, 1946 und 1947 zurückgegriffen. Er hat uns von dem, was ich über diese Jahre gesagt habe, auch nicht ein einziges Wort widerlegen können. Wenn er uns dabei sagt, die Ruhrbergarbeiter seien damals marktwirtschaftlich ernährt worden, so ist das ein ganz lächerliches Spiel mit Worten. Wir haben im Rahmen eines Planes, nämlich des Ruhr-BergarbeiterPunktsystems die Ruhrbergarbeiter so versorgt, daß sie den hohen Anforderungen im Bergbau nachkommen können. Das hat mit Marktwirtschaft nicht das geringste zu tun, und was Herr Professor Erhard darauf erwidert hat, war nichts als ein Spiel mit Worten. Wenn er dann auf das Pfennigartikelprogramm, diese verunglückte Maßnahme der Verwaltung für Wirtschaft, zu sprechen kommt,
für das keiner von uns, sondern allerhöchstens die Leitung der Verwaltung für Wirtschaft verantwortlich ist — ich weiß nicht genau, ob sie nicht damals schon Herr Professor Erhard leitete —, so möchte ich erwähnen, daß wir damals noch das schlechte Nazigeld — etwa 80 Milliarden im Bundesgebiet — hatten, zu dem niemand mehr Vertrauen hatte, und daß damals Herr Professor Erhard den Hortern vor der Währungsreform seinen Segen gegeben und erklärt hat: wir brauchen ihre Hortungslager nach der Währungsreform. Daß damals der Einzelhandel, der Großhandel und die Industrie mit den Waren nicht mehr herausrückten,
nimmt uns unter diesen Umständen nicht mehr wunder.
Herr Professor Erhard bescherte uns dann sehr bald nach der Währungsreform das STEG-WarenProgramm, das vielleicht mindestens ebenso verunglückt ist wie vorher das Pfennigartikel-Programm, aber verunglückt ist in einer Zeit — und das ist der wesentliche Unterschied — des guten Geldes.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat von seinen Besprechungen mit der Industriegewerkschaft Bergbau gesprochen, mit der er so glänzend hat verhandeln können, weil sie mit ihm so sachlich verhandelte. Ich möchte Ihnen aus einem Aufsatz des Herrn Professor Erhard vom 1. Oktober 1950 zur wirtschaftspolitischen Lage einige Worte vorlesen, die Sie in Erstaunen versetzen werden, wenn Sie an diese Worte des Herrn Bundeswirtschaftsministers denken. Er spricht von der Möglichkeit von Lohnerhöhungen und von den Forderungen der Arbeiter auf Lohnerhöhungen in der „Hessischen Wirtschaft":
Der deutsche Arbeiter
— schreibt der Bundeswirtschaftsminister —
muß sich darüber klar sein, daß er seine soziale Sicherheit und seinen Arbeitsplatz riskiert, wenn er sich von dem Vorgehen der Gewerkschaften eine soziale Wohlfahrt verspricht. Dies wäre im Zweifelsfall nur sehr kurzfristiger Natur und würde in um so größeres Elend führen.
Meine Damen und Herren, es wäre vielleicht besser und vorsichtiger von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister gewesen, wenn er nicht ausgerechnet von ausländischen Sachverständigen gesprochen hätte, die ihm jetzt attestieren, daß Deutschland, wenn es mit weiteren Hilfsmitteln rechnen wolle, einen ganz anderen wirtschafts- und steuerpolitischen Kurs einschlagen müsse. Davon sprechen die Zeitungen, jedenfalls die Zeitungen, die ich lese.
Meine Damen und Herren! Ich will nicht die Ausdrücke wiederholen, die hier gefallen sind, aber der Herr Bundeswirtschaftsminister hätte nicht davon sprechen dürfen, daß die Sozialdemokratische Partei und die sozialdemokratische Fraktion seinerzeit mit allen Mitteln für die Aufrechterhaltung der Zwangswirtschaft gekämpft hätten. Ich könnte Herrn Professor Erhard an die vielen Verhandlungen erinnern, die die Wirtschaftsminister mit ihm in der Verwaltung für Wirtschaft in Höchst gehabt haben, wo wir vor der Währungsreform gerungen haben um die Frage: Wie gestalten wir die Wirtschaft nach der Währungsreform? Gewiß, wir haben immer wieder Protest dagegen eingelegt, daß man nach der Währungsreform in diese Wirtschaft, die noch nicht das Notwendigste zur Befriedigung aller herstellte, nun sofort mit der freien Wirtschaft begann. Wie recht wir gehabt haben, hat uns die Entwicklung gezeigt. Denn drei Monate nach der Währungsreform kostete ein Ei — das haben wir Herrn Professor Erhard schon vor der Währungsreform gesagt — 80, 90 Pfennige und eine Mark. Und Millionen von Menschen haben in diesen Monaten nach der Währungsreform auf das Allernotwendigste und auf die Befriedigung ihrer
primitivsten Bedürfnisse in dieser sozialverpflichteten Marktwirtschaft verzichten müssen. Nur diesen mutig getragenen Opfern — möchte ich sagen —, insbesondere auch der Haltung der Gewerkschaften ist es zu verdanken, daß dieses Experiment mit der sozialverpflichteten Marktwirtschaft überhaupt so lange gut gehen kennte.
Ich möchte Herrn Professor Erhard erinnern an eine Diskussion, die er seinerzeit in Frankfurt mit Professor Nölting im überfüllten Saal an einem Sonntagmorgen geführt hat. Ich möchte aus dem Resümee der Zeitung das festhalten, was aus diesem öffentlichen Zwiegespräch als wesentliches Ergebnis festzuhalten war — Herr Professor Erhard kann das Protokoll nachlesen; wir können ihn darauf aufmerksam machen; er möge es bestreiten, wenn er es bestreiten kann —:
Herr Professor Erhard machte in dieser Diskussion zwei bemerkenswerte Äußerungen. Einmal gab er zu, daß auch die SPD nach seiner Überzeugung nicht die Zwangswirtschaft wieder einführen will.
Zum andern erklärte er, daß vor der Währungsreform auch für ihn keine Möglichkeit bestanden hat, die Fesseln der Zwangswirtschaft zu lockern.
Damit dürften
— so schreibt der optimistische Schreiber dieser Zeilen —
für die Zukunft zwei Argumente entfallen.
Sie entfallen aber nicht. Herr Professor Erhard
verläßt sich auf die Vergeßlichkeit der Bevölkerung.
Meine Damen und Herren! Ich komme zum Hausbrand zurück. Wir haben, glaube ich, das Wesentliche darüber gesagt. Es wird mir niemand im Hause bestreiten können, daß man, wenn man über den Hausbrand spricht, auch über die Kohlenlage und die Wirtschaftspolitik sprechen muß. Erwarten Sie nicht, meine Damen und Herren — und diese Worte richte ich insbesondere an die Adresse des Herrn Bundeswirtschaftsministers —, daß die Notleidenden, die Vertriebenen, die Kriegsopfer und daß die Arbeitslosen in diesem Winter sich lediglich hinstellen und erklären: „Das geschieht Herrn Professor Erhard ganz recht, wenn wir uns die Finger erfrieren; warum hat er nicht rechtzeitig vorgesorgt?" Denn wenn er uns jetzt erklärt, er habe in diesem Monat Maßnahmen getroffen zur Versorgung- der Bevölkerung mit Hausbrand, dann müssen wir von der Opposition erklären, daß das eben viel zu spät gewesen ist.
Wir freuen uns darüber, daß er gewisse Erkenntnisse in die Tat umsetzt, einen Kohlenkommissar berufen hat und uns im wirtschaftspolitischen Ausschuß ein Engpaßprogramm versprochen hat. Wir erkennen daraus, daß heute auch Herr Professor Erhard nicht darum herumkommt, was wir ihm immer vorausgesagt haben, kreditsteuernde, rohstoffkontingentierende, lohnregelnde, importbeschränkende, preisregelnde und verwendungsbeschränkende Maßnahmen zu treffen .Ich betone noch einmal: Auch wir haben uns immer gegen die Zwangswirtschaft verwahrt, auch wir sind für einen echten Leistungswettbewerb, für Konsumfreiheit und für die Funktion des Marktes. Aber wir wollen alles das nicht so weit treiben, daß Millionen von Mitbürgern darüber ins Unglück kommen. Und auf
die Folgen ihrer Wirtschaftspolitik machen wir die
Bundesregierung jetzt mit allem Ernst und mit
aller Sorge vor diesem Winter 1950/51 aufmerksam.