Rede von
Hans
Ewers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Melodie des Uhlandschen Liedes: „Preisend mit viel schönen Reden" treten, wenn es sich darum handelt, ihre Not dem Volke zu klagen, hier die Redner hin und preisen leider nicht ihrer Länder Macht und Zahl, sondern ihrer Länder große Not. Wenn wir schon von der Not der Länder in allen Landstrichen reden, dürfen wir das Wort Schleswig-Holstein in der Debatte nicht vermissen. Seine Not ist zwar so bekannt, daß es zwecklos wäre, bei diesem allgemeinen Thema groß davon zu reden. Auch die Zahl, die der Herr Bundesminister zur Behebung der Not genannt hat, nämlich die Zahl von 9,5 Millionen DM für Wasserarbeiten gegenüber dem „blanken Hans", ist nur ein Tropfen auf einen heißen Stein. Diese Summe reicht bei weitem nicht aus, um dort im Land das zu erstellen, was für die gesamte Wirtschaft dringend geboten wäre und was das Land aus eigenen Kräften unmöglich leisten kann.
Wenn ich Ihnen die Ursache der Not dieses Landes kurz noch einmal schildern darf, so genügt wohl der Hinweis darauf, daß meine Heimatstadt Lübeck die einzige Großstadt des Bundes ist, deren Straßenbahn unmittelbar „zur Zonengrenze" führt. Was es für ein Gemeinwesen bedeutet, wenn plötzlich vor den Vororten der Eiserne Vorhang heruntergeht und dort nur ein beklagenswerter schwarzer Grenzverkehr getrieben wird, der die ordentliche Wirtschaft stört, sonst aber alle Beziehungen abgerissen sind, wenn eine Stadt wie Lübeck, die bis dahin der westlichste Hafen der Ostsee war, heute der östlichste ist und ihre bisherigen Beziehungen restlos verloren hat, wenn in einer Stadt wie Kiel, die Reichskriegshafen war, die eine Beamten- und Militärstadt war, die gesamten Kriegsbetriebe, die leicht auf Friedensindustrie hätten umgestellt werden können, bis zu den Kaimauern gesprengt wurden, wenn dort eine Einwohnerschaft, gewerbstüchtig und fleißig, sitzt, der die Betriebe weggenommen wurden, und wenn im gesamten Lande sämtliche Mittel- und Kleinstädte eine Überbelegung von mehr als 100 % haben, so kann man sich leicht ausmalen, daß dieses Land eben nicht nur in gewissen Landstrichen, sondern als Ganzes die Frage aufwirft, ob es lebensfähig ist.
Ich möchte es begrüßen, daß das Bundeswirtschaftsministerium Grundsätze aufgestellt hat, um diesem werbenden Notgeschrei der verschiedenen Landstriche etwas entgegenzusetzen, was eine feste Grundlage für die Beurteilung bilden soll. Ich möchte weiter darum bitten, daß in diesem Rahmengesetz klargestellt wird, was eigentlich „Notstandsgebiet" heißt. Bis heute bedeutet es meines Wissens nur, daß bei der Vergebung von öffentlichen Arbeiten eine Preisüberschreitung von 10 % noch als Mindestpreis gilt, eine sehr magere Angelegenheit, die uns nicht erheblich beeindruckt. „Notstandsgebiet" müßte heißen, daß mit Bundesmitteln aus dem außerordentlichen Haushalt regelmäßig ein Zuschuß zu den öffentlichen Aufgaben geleistet wird, weil sich diese Gebiete unmöglich aus eigener Steuerkraft halten können.
Vor einem „Gesamtprogramm" der Arbeitsbeschaffung möchte ich ausdrücklich warnen. Dieses Gesamtprogramm kann nur Einzelobjekte enthalten, während es sich um die Schaffung von dauernden Arbeitsplätzen handeln muß. Darüber haben an sich die Länder zu bestimmen. Nur dafür, mit welchen Mitteln sie rechnen können, was für Hilfe vom Bund es gibt, muß man die gesetzliche Grundlage schaffen.
Wir würden es aus allen Landstrichen wärmstens begrüßen, wenn das nun möglichst bald geschehen würde. Daß gewisse Vorarbeiten nötig waren, wird billigerweise jeder anerkennen. Daß aber nun für alle insbesondere längs der Zonengrenze liegenden Gebiete diese Aktion nicht noch weiter vertagt wird, das ist unser aller Wunsch, den ich hier noch einmal laut und deutlich hervorheben möchte.