Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute schon wieder einmal mit einem Notstandsproblem und bleiben immer wieder in Erklärungen stecken. Wir haben vom Herrn Bundeswirtschaftsminister gehört, daß Mittel für die Notstandsgebiete ausgeworfen sind. Dabei haben wir aber wenig über die Mittel erfahren, die in die bayerischen Ostgebiete und gerade in den Bayerischen Wald hinein ausgegeben worden sind.
Für den Bayerischen Wald möchte ich mit besonderer Vordringlichkeit sprechen. Es genügt doch nicht, wenn wir mit Pflastern und Pflästerchen Notstandsmaßnahmen durchführen wollen. Echte und wirkliche Hilfe kann nur durch ein Arbeitsbeschaffungsprogramm geleistet werden, durch das das ganze Problem frontal angepackt und in allgemeiner Zusammenfassung behandelt wird. Es genügt doch nicht, daß hier und da einmal ein paar Kilometerchen Straßenpflaster erneuert und daß kleine Dinge in Angriff genommen werden, die keine Generallösung ermöglichen. Ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für die Notstandsgebiete ist notwendig, um den Grenzgebieten, in erster Linie
' den ostbayerischen Gebieten, zu einer selbständigen, wettbewerbsfähigen Existenz zu verhelfen. Die Notlage ist doch dort, wie der Abgeordnete Dr. Solleder schon erklärt hat, nicht durch eigenes Verschulden entstanden. Diese Gebiete Ostbayerns haben die schwere Aufgabe, sich heute ein neues Absatz- und ein neues Wirtschaftsgebiet zu erschließen. Die ostbayerischen Gebiete waren früher wirtschaftlich fast ausschließlich mit den heute in Ostdeutschland befindlichen Wirtschaftszweigen verbunden. Durch den Eisernen Vorhang ist das ostbayerische Gebiet in eine aussichtslose Sackgasse hineingeraten. Nur durch ein umfassendes Arbeitsbeschaffungsprogramm, verbunden mit Verkehrs- und Frachterleichterungen, kann hier etwas geändert werden.
Wie schlimm es dort aussieht, mag Ihnen ein Artikel in der „Neuen Zeitung" von heute sagen. Kreise wie Flossenbürg, das in der Hauptsache Steinindustrie hat, also eine Industrie, die heute faktisch den Aufträgen nicht genügen dürfte, die entsprechend den Arbeitsbeschaffungsplänen im Zusammenhang mit dem Wohnungsbauprogramm da herumschwirren, haben eine Erwerbslosigkeit von 90 %. Das kann doch nicht der Sinn der Regierungsmaßnahmen sein, hier mit kleinen Pflästerchen zu arbeiten. Damit ändern wir an dem Notstand nichts. Bei einer Bevölkerungsdichte von 230 Menschen auf den Quadratkilometer, wie es in Ostbayern der Fall ist, haben wir eine Wohndichte von 2,5 Personen auf einen Raum. In Hessen haben wir dagegen nur 1,7 Personen pro Wohnraum. Wenn ich noch einen stärkeren Vergleich heranziehen darf, so möchte ich erwähnen, daß Schleswig-Holstein, das auch überbelegt ist, nur eine Belegungsziffer von 2,1 hat, während, wie erwähnt, in den Ostgebieten Bayerns 2,5 Personen auf einen Wohnraum entfallen. Die Fürsorgeaufwendungen steigen ins Unermeßliche und stehen in keinem Verhältnis zu den Steuereinnahmen. Ostbayern hat im Monat pro Kopf der Bevölkerung 2,8 DM auszugeben, während Hessen 1,7 DM und Schleswig-Holstein 2,41 DM zu leisten hat. Diese Zahlen sind ein erschütternder Beweis für die dortigen Verhältnisse.
Die Verkehrsferne, die unser Gebiet zu verzeichnen hat, tritt jetzt um so stärker in Erscheinung, je mehr wir in Wettbewerb mit dem Westen treten müssen. Es müssen für Ostbayern neue Absatzgebiete erschlossen werden. Die Verkehrsferne macht es uns unmöglich, die Rohstoffmöglichkeiten in unserem Gebiet auszunutzen. Wir haben weder in der Steinindustrie noch in der Holzindustrie die Möglichkeit, frachtenmäßig konkurrenzfähig zu werden, wie das für die westliche Industrie der Fall ist.
Was die Kohle angeht, so müßte diese in unserem Gebiet erschlossen werden. Wir werden demnächst einen Kohlenmangel erleben, der an die Jahre 1945/46 erinnert. In unserem Gebiet liegt die Braunkohle in einer Mächtigkeit von 40 bis 50 Millionen Tonnen ungenutzt in der Erde. Die Braunkohlengruben sind erschlossen und sind wieder stillgelegt worden, weil die Ruhrkohle anscheinend mehr Verdienst verspricht als die verkehrsferne Braunkohle ides ostbayerischen Raumes.
Alle diese Dinge müssen doch zu denken geben. Wenn ich Ihnen sage, daß allein die Kohlenwirtschaft, der Kohlenbergbau in unserem Gebiet 2000 Menschen ernähren und beschäftigen könnte, dann mögen Sie daraus das Ausmaß der notwendigen Hilfe und die Möglichkeiten an sich erkennen. Ostbayern verlangt nichts Unbilliges. Ostbayern verlangt vom Bund nur Hilfe für die Schäden, die ihm durch die Änderung der wirtschaftlichen Struktur zugefügt worden sind, nicht mehr und nicht weniger. Dabei kann es meines Erachtens nicht bei Erklärungen und Deklamationen sein Bewenden haben. Hier muß planmäßig an die Dinge herangegangen werden.
Ich möchte die Regierung ersuchen, baldigst einen Arbeitsbeschaffungsplan betreffend Beseitigung der Notzustände im ostbayerischen Raum aufzustellen. Das ist notwendig, wenn wir nicht schlimmsten Schäden entgegengehen wollen, die dann nicht allein dieses notleidende Gebiet, sondern letzten Endes wegen der mangelnden Widerstandskraft dieses Volkes den Staat treffen.