Rede von
Dr.
Hermann
Ehlers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Ich darf um Ihre Zustimmung zu folgenden Änderungen der Tagesordnung bitten.
Es ist mir mitgeteilt worden, daß ein Einverständnis darüber herbeigeführt worden ist, daß die
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Entschließung zu den Straßburger Empfehlungen heute abgesetzt und als erster Punkt auf die Tagesordnung der Sitzung vom Donnerstag gesetzt werden soll. — Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.
Dann hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram als Berichterstatter zu Punkt 11 der Tagesordnung — Antrag der Fraktion der KPD betreffend Steuersatz für Ärzte, Zahnärzte und Dentisten — gebeten, auch diesen Punkt heute abzusetzen, da er erkrankt ist und die Aufgabe des Berichterstatters nicht wahrnehmen kann. — Ich nehme an, daß das Haus auch damit einverstanden ist.
Weiterhin sind zwei Ergänzungen der Tagesordnung vorzunehmen. Zunächst ist gebeten worden, die Interpellation der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD, FDP, DP, BP und des Zentrums, Drucksache Nr. 1599, betreffend Auslieferung und Hinrichtungen von Deutschen, als ersten Punkt auf die heutige Tagesordnung zu setzen. Der Herr Bundesminister der Justiz ist bereit, diese Interpellation heute zu beantworten.
Ich schlage Ihnen weiterhin vor, da der Herr Berichterstatter am Donnerstag verhindert sein würde, die zweite und dritte Beratung des Entwurfes eines Gesetzes über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe, Drucksachen Nr. 893 und 1557, Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen, die an sich für Donnerstag vorgesehen war, als letzten Punkt auf die heutige Tagesordnung zu setzen. Wir haben heute etwas Zeit gewonnen, und ich glaube, daß es zur Entlastung der Sitzung am Donnerstag gut wäre, wenn wir diese Angelegenheit heute erledigen könnten. — Das Haus ist damit einverstanden. Die Tagesordnung ist damit festgestellt.
Ich rufe zunächst auf:
Beratung der Interpellation der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP und des Zentrums betreffend Auslieferung und Hinrichtungen von Deutschen .
Wer begründet die Interpellation?-Der Herr
Abgeordnete Höfler hat das Wort zur Begründung der Interpellation.
Höfler , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Interpellation ist ein dunkler Nachklang zum Tage der Kriegsgefangenen, an dem wir das Fernbleibenmüssen so vieler unserer Brüder draußen im fremden Gewahrsam beklagt haben. Es ist leider notwendig, daß wir zu diesen Dingen, die uns sehr schmerzen, Stellung nehmen.
Noch in den letzten Tagen, am 25. Oktober, konnte es geschehen, daß ein Deutscher durch alliierte Gewalt in die Hände der Polen ausgeliefert wurde. Gerade im Falle dieser Auslieferung geht es nicht etwa darum, daß ein Mann verdienter Strafe entzogen werden soll, der vielleicht Strafe verdient hat, sondern es geht um das Recht. Es scheint uns richtig zu sein, zu sagen, daß, was Polen angeht, das Recht nicht gewahrt ist. Wer nach Polen ausgeliefert wird, tritt den Marsch zum Galgen an. Das ist eine Feststellung, die leider wahr ist, da wir wissen, daß die guten Kräfte des polnischen Volkes überwältigt sind von denen, die ihm seine Freiheit und auch sein Recht genommen haben, auch das Recht auf Gerechtigkeit.
Wir protestieren darum gegen diese Auslieferung, und wir schließen in diesen Protest auch diejenigen Auslieferungen ein, die wir weiter zu beklagen haben. Aus der amerikanischen, englischen und aus der französischen Zone ist in der letzten Zeit eine Reihe von Fällen bekannt geworden, daß Deutsche an alliierte Kräfte ausgeliefert wurden. Wir freuen uns, daß z. B. die württembergischbadische Landesregierung ihre Mitwirkung an zwei dieser Verhaftungen offiziell verweigert hat.
Man muß auch die Frage erheben, ob wir angesichts der Tatsache, daß wir ein Grundgesetz haben, nach dem Auslieferungen von Deutschen an Alliierte nicht stattfinden, nicht endlich von den Alliierten verlangen können, daß sie entweder, wenn es nicht anders sein kann, nach ihrem Recht auf deutschem Boden Recht sprechen oder, was uns noch bedeutend sympathischer und eigentlich das einzig Erwünschte wäre, daß wir diejenigen, die sich strafbar gemacht haben, nach den Gesetzen unseres Landes, nach den Gesetzen unseres Rechts dahin bringen, wohin sie gehören.
Es ist ein unerträglicher Zustand, daß das immer noch anders geblieben ist.
Die Interpellation hat noch einen zweiten Klagepunkt. Wir bedauern, daß es in der jüngsten Zeit noch möglich war — über fünf Jahre nach Beendigung der Kampfhandlungen —, daß Deutsche in alliierten Ländern, in denen sie im Gefängnis oder sonst in Gewahrsam waren, zu Tode gebracht wurden. Auch das halten wir nicht im Sinne der Politik, für die wir allezeit eingetreten sind.
Es ist einfach unmöglich, daß deutsche Staatsangehörige, mögen sie sein, was sie wollen, und getan haben, was sie wollen, jetzt, fünf Jahre nach dem Kriege, noch zu Tode gebracht werden.
In einem Falle ist es sogar geschehen — ich will den Fall nicht weiter aufgreifen und schildern —, daß ein Mann, nachdem er vor 41 Monaten zum Tode verurteilt worden war, also 41 Monate auf seinen Tod wartete, schließlich doch noch zu Tode kam.
Es ist gesagt worden, daß das eine unglaubliche Handlungsweise war, und ich muß sagen, daß man nur mit tiefem Bedauern einen solchen Fall registrieren kann.
Wir bitten also Belgien, Frankreich und Holland, doch von solchen Dingen Abstand zu nehmen. Was nützt uns der Weg zu einem Europa, was nützt uns der wiederholte Gang nach Straßburg, wenn man in diesen primitiven Dingen der Menschlichkeit nicht endlich dahin kommt, ein für allemal Ordnung zu schaffen nach gültigem und nach allgemeinem Recht.
Um aber nicht in irgendeiner Weise mißverständlichen Äußerungen ausgesetzt zu sein: Es geht nicht um die Vermeidung der Sühne für todeswürdige Verbrechen, sondern es geht um das Recht und in diesem Falle auch um die Menschlichkeit, die man selbst solchen gegenüber schuldig ist, die irgendwie auf den Weg des Vergehens gekommen sind.
Wir bitten also die Bundesregierung, in beiden Fällen dafür zu sorgen, daß den alliierten Mächten zum Bewußtsein gebracht wird, daß eine tiefe Unzufriedenheit durch unser Volk geht, in einer Frage, die auch eine Frage an die deutsche und an die europäische Zukunft ist.