Ich erteile Ihnen also das Wort zu dieser kurzen Begründung des Entwurfs des Bundesrates.
Renner, Innenminister von Württemberg-Hohenzollern: Kurz, relativ im Verhältnis zu den bisherigen Ausführungen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anders als beim Bundesbahngesetz bin ich bei dem vom Deutschen Bundesrat vorgelegten Entwurf zu einem Güterkraftverkehrsgesetz nicht ih der Lage, unmittelbar an die Worte des Herrn Bundesministers für Verkehr anzuknüpfen. So wie der Entwurf der Bundesregierung sich auf eine Regelung des Güterfernverkehrs beschränkt, hat der Bundesminister für Verkehr im wesentlichen eine Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der staatlichen Reglementierung des Güterfernverkehrs, ihre Auswirkungen und ihre geplante Fortsetzung gegeben. Ich muß auf etwas anderes noch eingehen. Die Verhandlungen im Bundesrat und in seinem Ausschuß für Verkehr haben erneut eindeutig gezeigt, daß die Lage des Güterverkehrs auf der Straße in jeder Beziehung unhaltbar geworden ist. Ob Sie sich insoweit die Verhältnisse des Nahverkehrs, des Fernverkehrs und — von diesen beiden Verkehrsarten kaum lösbar — des Werkverkehrs oder die Verhältnisse des gewerblichen Güterverkehrs der Bundesbahn ansehen, oder ob Sie die Sicherheit des Verkehrs auf der Straße betrachten, ist gleichgültig. In jeder Beziehung drängt sich die Gewißheit auf, daß hier Abhilfe geschaffen werden muß. Um die rechten Mittel für eine Abhilfe zu finden, bedarf es der Erkenntnis, auf welche Gründe all diese Mißverhältnisse zurückzuführen sind.
Ich darf aus der Zahl dieser Gründe zwei herausgreifen. Die allgemeinen Verhältnisse des Güterverkehrs auf der Straße sind nicht deswegen unhaltbar geworden, weil es an den gesetzlichen Vorschriften über die Zulassung der Kraftfahrzeuge und über die Überwachung ihres Verkehrs auf der Straße fehlte. Diese Vorschriften sind vorhanden, wenn sie auch vielleicht in Einzelheiten verbesserungsbedürftig sind. Woran es aber seit 1945 gebricht, ist die Möglichkeit einer auch nur einigermaßen ausreichenden Überwachung des Straßenverkehrs in Ausführung dieser Vorschriften. Der Zusammenbruch der Staatsautorität und die Maßnahmen der Besatzungsmächte haben — von Zone zu Zone in verschiedener Abstufung — zu einer Zerschlagung des Polizeiapparats geführt. Weder der Bund noch die Länder verfügen über eine ausreichende Verkehrspolizei.
Mit einer auf Gemeinden und Kreise verteilten allgemeinen Polizei ist jedoch eine Verkehrsüberwachung nicht durchzuführen. Ich bin überzeugt davon, daß eine Reorganisation der Polizei unter Spezialisierung einer Verkehrspolizei, daß ihre ausreichende Motorisierung und die Ausnutzung jener Erfahrungen, die hinsichtlich größerer Verkehrssicherheit vor allem in Nordrhein-Westfalen gesammelt worden sind, bei hinreichenden Anstrengungen aller Beteiligten zur Beseitigung der ärgsten Übelstände auf der Straße führen werden.
Der andere Grund liegt in den Konkurrenzverhältnissen, die sich nach dem Kriege für den Güterstraßenverkehr, die Bundesbahn und die Binnenschiffahrt entwickelt haben. Über die schwierigen Verhältnisse der Bundesbahn und ihre Gründe ist heute bereits hinreichend gesprochen worden. Zu wiederholen ist lediglich, daß die Bundesbahn mit der technischen Entwicklung des Lastkraftwagens gegenwärtig nicht Schritt halten kann,
weil die organisatorische Umstellung ihres Gütertransports und vor allem die für eine Beschleunigung ihres Transports notwendige Elektrifizierung finanzielle Mittel erfordert, die weder die Bundesbahn noch der Bund zur Zeit aufbringen kann. In jedem Fall werden Maßnahmen der einen oder anderen Art einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen.
Aus dieser Sachlage hat das Güterstraßenverkehrsgewerbe insgesamt Nutzen gezogen und seinen Anteil am Gesamttransportvolumen erheblich gesteigert. Von der Jahrestransportleistung, berechnet in Netto-Tonnen-Kilometer, entfallen auf die Eisenbahn gegenwärtig etwa 40 Milliarden und auf Kraftfahrzeuge 10 Milliarden, während — und das ist ein wichtiger Hinweis für die in diesem Zusammenhang grundsätzlich zu lösenden Fragen — der Erlös je Netto-Tonnen-Kilometer bei der Eisenbahn nur 5 Pf., beim Kraftfahrzeug aber 9 Pf. im Durchschnitt beträgt. Dafür stehen die Gewerbetreibenden des Güterstraßenverkehrsgewerbes jedoch untereinander in einem auf die Dauer ruinösen Konkurrenzkampf. Die Konkurrenz bei der Binnenschiffahrt und ihr Verhältnis zur Bundesbahn sind genügend bekannt, als daß ich sie näher darzulegen brauchte.
Die Verhältnisse der einzelnen Verkehrsträger und ihr Verhältnis zueinander bedürfen, wenn Ordnung eintreten soll, dringend einer Koordinierung. Vergleichbare Selbstkostenunterlagen müssen vordringlich erstellt werden, denn sie bilden die Voraussetzung für alle weiteren Überlegungen. Auf dieser Voraussetzung aufbauend muß festgestellt werden, wo die technisch und wirtschaftlich optimale Leistung jedes einzelnen Verkehrsträgers liegt. An Hand des voraussehbaren
Bedarfs muß sodann festgestellt werden, in welchem Verhältnis die schwachen Mittel der deutschen Volkswirtschaft für den Ausbau der Bundesbahn, für die Binnenschiffahrt und für den Straßenverkehr einschließlich des nicht mehr zu umgehenden Ausbaues der Bundesstraßen und Autobahnen eingesetzt werden sollen. Ohne einen solchen umfassenden Plan zur Koordinierung des Verkehrs sind Fehlinvestitionen in einem Ausmaße, das sich unsere Volkswirtschaft nicht leisten kann, unvermeidlich. Der Bundesrat richtet daher an die Bundesregierung und besonders an den Herrn Bundesminister für Verkehr die dringende Bitte, alles zu tun, um diesen Plan zum ehestmöglichen Zeitpunkt fertigzustellen, damit er von denen, die es angeht, im einzelnen beraten und verbessert werden kann.
Meine Damen und Herren! Wenn Sie vor diesem Hintergrund schwerer und großer Fragen die Ihnen vorliegenden Entwürfe ins Auge fassen, so werden Sie erkennen, daß sie sich nur mit einem kleinen Ausschnitt beschäftigen und nur die Frage regeln, die schon vor Abschluß der erwähnten Koordinierungsaufgabe geregelt werden kann: Zulassung zum gewerblichen Güterverkehr und seine Überwachung. Dieses Gebiet sollte nach Auffassung des Bundesrates einheitlich für den Güterfernverkehr und den Günternahverkehr geregelt werden. Ich darf hierzu bemerken, daß der Wunsch, auch den Güternahverkehr zu regeln und einzubeziehen, ja auf das Gewerbe selber zurückgeht. Wenn ich mich nicht irre und richtig unterrichtet bin, hat Herr Dr. Drews von der Sparte Nahverkehr in der Zentralarbeitsgemeinschaft diesen Wunsch den Behörden in Hamburg gegenüber ausgesprochen.
Es ist zuzugeben, daß die vom Bundesrat für den Güternahverkehr vorgeschlagene Regelung für das Gewerbe einige Neuerungen bringt. Keineswegs aber wird mit einer solchen Regelung in dem Umfange Neuland betreten, wie es die Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Entwurf des Bundesrates darstellt. Der Zusammenhang zwischen Güterfernverkehr und Güternahverkehr — unterschieden durch eine nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten getroffene Bestimmung der Nahverkehrszone — ist unter wirtschaftlichen, unter verkehrspolitischen und unter gewerbepolitischen Gesichtspunkten so eng, daß eine gesetzgeberische Behandlung in voneinander getrennten Gesetzen nur dann vorgenommen werden sollte, wenn sie wirklich zwingend geboten ist. Der Umstand, daß man seit 1931 die eine Sparte gesetzlich geregelt hat und die andere nicht, besagt gar nichts. Was man bisher versäumt hat, braucht man in Zukunft nicht zu unterlassen. Diese Bedingung allerdings sieht der Bundesrat nicht als gegeben an, nämlich die Bedingung, daß eine besondere Regelung des Güternahverkehrs zwingend geboten ist. Er hat aus diesem Grunde seine Vorlage als Gesetz über den Güterkraftverkehr aufgebaut und auch so bezeichnet.
Abgesehen von diesem Unterschied im Umfang der geplanten Regelung unterscheidet sich der Entwurf des Bundesrates von dem der Bundesregierung durch die Organisation der Stelle, der die unstreitig notwendige Überwachung des Güterverkehrs auf der Straße übertragen werden soll. Der Bundesrat schlägt die Errichtung selbständiger Landesanstalten vor, während die Bundesregierung die Einrichtung einer Bundesanstalt für notwendig und rechtlich zulässig hält. Es ist nicht gesagt, daß jedes Land eine Anstalt errichten muß, sondern es ist ausdrücklich vorgesehen, daß mehrere Länder eine gemeinsame Anstalt errichten können oder daß ein Land sich der Anstalt des anderen anschließen kann.
Es besteht Einigkeit darüber, daß die Einheit des Verkehrs eine einheitliche Handhabung seiner Überwachung bedingt. Es ist jedoch ein Trugschluß anzunehmen, daß die Einheit der Überwachung nur durch die Zusammenfassung aller Überwachungsfunktionen in einem Kontrollorgan gewährleistet sei. Diesem Trugschluß erliegen, hieße den föderativen Aufbau der Bundesrepublik verleugnen. Grundprinzip dieses Aufbaues ist die Dezentralisierung der Verwaltung. Die Befolgung dieses bewährten Grundsatzes ist auch auf dem Gebiete des Verkehrs möglich, jedenfalls so lange, als einheitliche Richtlinien, für deren Erlaß der Bundesverkehrsminister zuständig ist, die dem Verkehr unerläßliche gleichmäßige Verwaltungspraxis sichern. Diesem Grundsatz würde die Einrichtung einer Bundesanstalt widersprechen. Ohne eigenen Unterbau würde sie einen der täglichen Praxis entrückten bürokratischen Wasserkopf darstellen, der darauf angewiesen wäre, durch reisende Kontrolleure die Aufgaben zu .erfüllen, die zur Überwachung des Güterstraßenverkehrs gehören. Mit der Einrichtung eigener Außenstellen in den einzelnen Ländern aber wäre die Einheitlichkeit der Überwachung auch nicht besser gewährleistet als durch die Einrichtung von Landesanstalten; denn es kann praktisch keinen Unterschied machen, ob die Richtlinien für die Überwachung von Angehörigen einer Außenstelle der Bundesanstalt oder vom Personal einer Landesanstalt durchgeführt werden. Es ist nicht so, daß die Existenz einer Landesanstalt die Beschränkung
des Verkehrs und der Kontrolle auf das Land bedingt, sondern es wird nach einheitlichen Richtlinien des Bundesverkehrsministers kontrolliert. Aber die Kontrolle wird von den Länderanstalten ausgeübt, und es ist kein Haar anders, als wenn der Bund diese Leute in diese Länder senden wollte.
Darüber hinaus aber ist die Einrichtung einer Bundesanstalt mit den Bestimmungen des Grundgesetzes nicht vereinbar. Der Bundesrat hat in der Begründung seines Gesetzentwurfes die Gründe für diese Unvereinbarkeit im einzelnen dargelegt. Hierauf darf ich verweisen und feststellen, daß die Bundesregierung diesen Gründen nicht oder nicht überzeugend entgegengetreten ist.
Ich bitte nur noch einen kurzen Augenblick um Ihre Geduld. Wenn man von der Selbstverwaltung der Bundesanstalt redet, muß man sich eigentlich fragen: worin besteht sie? Die Aufgabe der Bundesanstalt besteht rein in der Überwachung, und von Selbstverwaltung ist gar nicht die Rede. Und wer überwacht denn? Es überwachen auch nach dem Entwurf der Bundesregierung nicht die Vertreter des Gewerbes, die im Verwaltungsrat sitzen, sondern es überwachen die Beamten und Angestellten, die hauptberuflich tätig sind, die dem Verwaltungsrat nicht angehören dürfen und auch nicht dem Gewerbe. Der Verwaltungsrat hat bloß die schöne Aufgabe, die Leute zur Ernennung vorzuschlagen, über ihr Gehalt zu bestimmen, praktisch gesagt, ihre wirtschaftliche Existenz zu bestimmen. Meine Damen und Herren, ist es das richtige, wenn diejenigen, die überwachen müssen, von denen ausgewählt werden, die sie zu überwachen haben? Wenn es so wäre, würde ich einen Satz von Wilhelm Busch zitieren: „Nur die allergrößten — —"; ich will aber lieber nicht weiter zitieren.
Also, meine Damen und Herren, dieser Gesichtspunkt schlägt nicht durch. Der Verwaltungsrat hat praktisch die Gehälter zu bewilligen, den Etat aufzustellen, er hat aber nicht zu überwachen. Deswegen kann man hier unmöglich von einer Selbstverwaltung reden, wie man sie sonst versteht.
Der Entwurf des Bundesrats ist übrigens nicht bei dem Weisungsrecht des Bundesverkehrsministers als der Voraussetzung für eine einheitliche Überwachung stehengeblieben, sondern er hat darüber hinaus eine Kommission vorgesehen, die aus den Leitern der Landesanstalten besteht, die den Bundesverkehrsminister berät und den Erfahrungsaustausch zwischen den Anstalten zwanglos und laufend vermittelt. Demgegenüber erscheinen die weiteren Bedenken, die die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zur Vorlage des Bundesrats niedergelegt hat, von geringerem Gewicht. Soweit sie in Einzelheiten berechtigt sind, werden sie bei der endgültigen Fassung des Gesetzes ohne Schwierigkeiten berücksichtigt werden können.
Darf ich mir noch eine Anregung erlauben. Bei der Ausarbeitung der Entwürfe sind verschiedene Rechtsauffassungen zwischen der Bundesregierung und dem Bundesrat entstanden. Ich glaube, es wird daher zweckmäßig sein, wenn dieser Gesetzentwurf nicht nur vom Verkehrsausschuß, sondern auch vom Rechtsausschuß vorbearbeitet wird.