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ID0109312600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Oktober 1950 3439 93. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. Oktober 1950. Nachruf auf den verstorbenen Abgeordneten Krause 3440A Geschäftliche Mitteilungen 3440B Eintritt des Abg. Rahn in die Gruppe der WAV als Hospitant 3440C Wahl des Präsidenten des Deutschen Bundestages 3440C Kunze (CDU) 3440C Amtsübernahme und Ansprache des Präsidenten Dr. Ehlers 3441B Dank des Bundestags für die Amtsführung des Vizepräsidenten Dr. Schmid: Dr. von Brentano (CDU) 3441D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz) (Nr. 1333 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) (Nr. 1466, zu Nr 1466 der Drucksachen) 3442A Pohle (SPD), Berichterstatter . . 3442A Bazille (SPD): zur Geschäftsordnung 3445B zur Sache 3449B Kohl (Stuttgart) (KPD) 3445D 3446B, 3447A, D, 3448A, D, 3450B, 3454A Dr. Richter (Niedersachsen) (parteilos) 3446D Volkholz (BP) 3447B, 3448B, C, 3449B, 3451A Lücke (CDU) 3449C, 3453B Frau Arnold (Z) 3449D, 3454C Storch, Bundesminister für Arbeit . 3449D Arndgen (CDU) 3450A Mende (FDP) 3450C, 3451B Frau Kalinke (DP) 3450C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3451C Leddin (SPD) 3452D, 3453A Dr. Seelos (BP) 3454B Frau Schroeder (Berlin) 3454D Erste Beratung des Entwurfs eines Allgemeinen Eisenbahngesetzes (Nr. 1342 der Drucksachen) 3455B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr . . 3455B Vesper (KPD) 3456C Rademacher (FDP) 3457B Jahn (SPD) 3457B Erste Beratung des Entwurfs eines Bundesbahngesetzes (Nr. 1341 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des vom Deutschen Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbahn (Bundesbahngesetz) (Nr. 1275 der Drucksachen) 3457B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr . . . 3457C Dr. Renner, Innenminister von Württemberg-Hohenzollern 3467B Rümmele (CDU) 3470B Jahn (SPD) 3472D Rademacher (FDP) 3474C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 3476B Pannenbecker (Z) 3478A Loritz (WAV) 3478B Ahrens (DP) 3479C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen (Nr. 1343 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des vom Deutschen Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Güterkraftverkehr (Güterkraftverkehrsgesetz) (Nr. 1344 der Drucksachen) 3480B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr . . . 3480C Rademacher (FDP) 3488B Dr. Renner, Innenminister von Württemberg-Hohenzollern . . 3488B, C Zweite und Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Wiedererhebung der Beförderungssteuer im Möbelfernverkehr und im Werkfernverkehr und zur Änderung von Beförderungssteuersätzen (Nr. 1214 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 1420 der Drucksachen) 3490C Dr. Bertram (Z) (zur Geschäftsordnung) 3490C Antrag der Fraktion der KPD betr. Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes über die Abgeltung der Besatzungsleistungen und Besatzungsschäden (Nr. 1431 der Drucksachen) . . . 3490C Kohl (Stuttgart) (KPD), Antragsteller 3490D Dr. Pfleiderer (FDP) 3491A Walter (DP) - 3491C Antrag der Fraktion der KPD betr. Widerrechtliche Beschlagnahme des Hauses des Parteivorstandes der KPD in Düsseldorf (Nr. 1432 der Drucksachen) 3491D Frau Thiele (KPD), Antragstellerin 3491D Antrag der Fraktion der KPD betr. Geplante Erhöhung der Beitragszahlungen an die Krankenkassen (Nr. 1435 der Drucksachen) 3492B Kohl (Stuttgart) (KPD), Antragsteller 3492B Antrag der Fraktion der KPD betr. Senkung der Tabaksteuer (Nr. 1436 der Drucksachen) 3492D Vesper (KPD), Antragsteller . . . 3492D Nächste Sitzung 3493C Die Sitzung wird um 9 Uhr 49 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Rede von Dr. Hans-Christoph Seebohm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz über den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen, das Ihnen heute in erster Beratung vorliegt, ist nicht ein Gesetz, das die gesamten Verkehrsverhältnisse auf der Straße zu regeln geeignet ist, sondern es nimmt aus diesem Gebiet nur einen Teil heraus, nämlich den, der einer Regelung besonders dringend bedarf. Darauf möchte ich hier besonders hinweisen, weil vielfach die Mitglieder dieses Hohen Hauses der Auffassung sind, daß Bestimmungen, die in die Straßenverkehrsordnung oder in das Personenbeförderungsgesetz gehören, hier in diesem Gesetz Aufnahme finden sollten. Das ist nicht möglich. Wir müssen uns an die klare Trennung der Materien halten, die auch zweckmäßig ist. Man darf dabei auch nicht Forderungen stellen, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind. Denn solche Wünsche können die Regierung und die Abgeordneten ihrer Parteien nun wirklich nicht erfüllen.
    Wenn wir uns also hier mit dem Straßengüterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen beschäftigen, so müssen wir uns darüber klar werden, daß diese Materie einer gesetzlichen Regelung erst bedurfte, nachdem seit etwa 30 Jahren der Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen das unbeschränkte Monopol der Eisenbahn langsam immer mehr in Frage stellte. Die Motorisierung hat zu einer sehr raschen Entwicklung geführt, mit der auf der andern Seite die Eisenbahn natürlich nicht gleichen Schritt halten konnte. Ich habe vorhin schon darauf hingewiesen, aus welchen Gründen die Eisenbahn die Chancen aus der Motorisierung nicht in dem gleichen Maße hat ausnutzen können. Andererseits müssen wir feststellen, daß dieser Motorisierung nicht in gleichem Maße der Ausbau des Straßennetzes gefolgt ist. Schon in den dreißiger Jahren hat man eindeutig diese Differenzen festgestellt.
    Der zwischen Schiene und Straße entstandene Wettbewerb kann nur durch tarifarische Maßnahmen geregelt werden. Diese tarifarischen Maßnahmen wiederum bedürfen als Grundlage einer klaren Erkenntnis über die Selbstkosten, und nicht nur über die Betriebskosten. Hier stehen wir vor einem der entscheidenden Probleme in der Verkehrspolitik überhaupt, denn die Frage nach den echten Selbstkosten der einzelnen Verkehrsträger ist in der ganzen Welt noch nicht eindeutig beantwortet. Selbst das berühmte Land der Statistik, die Vereinigten Staaten, verfügen nicht über klare Selbstkostenunterlagen für die verschiedenen Verkehrsträger. Die Tarifbildungen sind infolgedessen durchaus nicht an Selbstkostengrundlagen gebunden, wie es sonst doch bei jeder Preisgestaltung der Fall ist. Betriebskosten allein genügen nicht, auch nicht einmal jene Selbstkosten, die sich aus dem eigentlichen Betrieb ermitteln lassen, indem man entsprechende Beträge für Abschreibung und Amortisation des Kapitals, für Gewinn und für Risiko einsetzt, sondern es handelt sich im Verkehr


    (Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm)

    zusätzlich immer noch darum, daß wir zu den Kosten der Betriebe auch noch die von der Allgemeinheit aufgebrachten Kosten zu rechnen haben, die dadurch entstehen, daß in erheblichem Umfang Verkehrsanlagen vorgehalten werden, die mit Mitteln der ordentlichen und der außerordentlichen Haushalte der Vergangenheit erstellt worden sind und mit Mitteln dieser Haushalte unterhalten und ausgestaltet werden. Die Selbstkosten im Verkehr unterteilen sich also ganz klar in die eigenen Selbstkosten der Betriebe und in die volkswirtschaftlichen Selbstkosten, die zu jenen Kosten hinzukommen.
    Die gesetzliche Regelung, die sich bisher für den Straßengüterverkehr entwickelt hat, geht bis auf das Jahr 1930 zurück. Um die Relationen zwischen dem Güterfernverkehr auf der Straße und der Eisenbahn in die Hand zu bekommen, hat man damals geglaubt den richtigen Weg einzuschlagen, indem man den Güterfernverkehr auf der Straße an den Gütertarif der Eisenbahn band. Dabei vergaß man vollständig, daß man dem sich neu entwickelnden Verkehrsträger eine tarifarische Grundlage gab, die zu jener Zeit auch für die Eisenbahn nicht mehr als neuzeitlich angesehen werden konnte; denn sie stammt letztlich in ihren Grundsätzen aus den Lebenszeiten unserer Großväter. Diese tarifarische Grundlage ist aber bisher immer noch in alter Weise weiterentwickelt worden. Erst w i r werden, wenn uns das ermöglicht wird, die Chance haben, von der Selbstkostenseite her zu einer neuen Klärung der Verhältnisse zu kommen.
    Diese Bindung des Straßengüterfernverkehrs an den Gütertarif der Eisenbahn erfolgte durch die Notverordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 6. Oktober 1931. Diese Verordnung war die erste gesetzliche Grundlage für den Güterverkehr auf der Straße. Sie hat neben der Bindung an die tarifarische Grundlage auch dazu geführt, daß es zu einer Trennung zwischen dem Güterfernverkehr und dem Güternahverkehr kam. Nach dieser Verordnung war erstmalig für alle gewerblichen Beförderungen über größere Entfernungen, nämlich über mehr als 50 km im Umkreis vom Standort des Fahrzeugs aus gemessen, eine staatliche Genehmigung erforderlich.
    Ein wirklich durchgreifender Erfolg wurde durch diese Bestimmungen jedoch nicht erzielt. Die Durchführung dieser Maßnahmen war den Ländern übertragen worden. Nicht geschulte, mit anderen Aufgaben überlastete und ,den hier zu behandelnden Fragen größtenteils ohne Fachkunde gegenüberstehende Behörden konnten der Verhältnisse nicht Herr werden, die durch die wirtschaftliche Dynamik einer vielfältigen Unternehmerinitiative geschaffen wurden. Auch durch überscharfe Strafbestimmungen konnte man die Probleme nicht meistern. Hier hat sich wieder einmal klar herausgestellt, daß die statischen Mittel der Gesetzgebung gegenüber der stürmischen Dynamik im Verkehrsleben in vielen Fällen versagen müssen, es sei denn, man gestalte diese Gesetzgebung von vornherein so beweglich wie möglich. Alle Versuche, möglichst große Bereiche des Verkehrs in e i n Gesetz zu fassen, wie es in dem Ihnen gleichzeitig vorliegenden Gesetzentwurf des Bundesrates geschieht, werden stich deshalb in der Zukunft zweifellos als untaugliche Versuche an diesem Objekt erweisen.
    Schon im Jahre 1935 hat sich der Gesetzgeber veranlaßt gesehen, die Materie durch ein besonderes Gesetz, das Güterfernverkehrsgesetz, zu regeln. Nach diesem Gesetz sind Fernfahrten, die die 50-km-Luftlinienzone überschreiten, nur noch konzessionierten Unternehmern erlaubt. Diese Konzessionsnotwendigkeit wurde noch durch eine Konzessionssperre ergänzt, die erst gelockert wurde, als sich die Verhältnisse einigermaßen beruhigt hatten.
    Aber nicht nur die Konzession war die Grundlage dieses Güterfernverkehrsgesetzes, sondern daneben die Errichtung des Reichskraftwagenbetriebsverbandes als eines öffentlich-rechtlichen Verbandes, der einen Zwangszusammenschluß aller Unternehmer des Straßengüterfernverkehrs darstellte. Seine Hauptaufgaben waren die zwangsweise Abrechnung und Einziehung des Beförderungsentgelts und die Kontrolle darüber, daß seitens der Unternehmer auf der Straße ;die Tarife eingehalten wurden. Zu diesem Zweck hat der Reichskraftwagenbetriebsverband Straßenkontrollen durchgeführt und bei Unternehmern und Spediteuren Buchprüfungen vorgenommen. In verkehrspolitischer Beziehung war der Reichskraftwagenbetriebsverband bei der Festsetzung der Tarife und der Beförderungsbedingungen beteiligt. Außerdem aber hatte er auch noch wirtschaftliche Aufgaben, wie die Einrichtung von Laderaum-Verteilungsstellen und die Durchführung der Versicherung der im Güterfernverkehr beförderten Güter gegen Schäden. Daneben aber hatte er sogar gewisse Hoheitsbefugnisse. Zur Einhaltung der gesetzlichen Pflichten konnte er gegenüber den Unternehmern Anordnungen mit bindender Wirkung erlassen und sie mit Hilfe seiner Ordnungsstrafgewalt auch durchsetzen. Das Ergebnis dieser Versuche zur Herbeiführung gesunder Wettbewerbsverhältnisse zwischen Schiene und Straße in jenen Jahren kann als durchaus befriedigend bezeichnet werden. Es ist heute unbestritten, daß es damals weitgehend gelungen ist, Unternehmer und Spediteure zur Tarifehrlichkeit anzuhalten. So wurde ein öffentlicher Verkehrsträger auf der Straße herangebildet, der in der Lage war, der Wirtschaft wirklich gute Dienste zu leisten.
    Während des Krieges ist eine besondere Regelung der Verhältnisse im Güterfernverkehr auf der Straße praktisch nicht notwendig gewesen. Wie Sie alle wissen, führten die Verhältnisse zu einer starken Einschränkung des Verkehrs auf der Straße. Infolge der Verknappung der Verkehrsmittel stand auch der Einhaltung ,der Tarife nichts mehr im Wege. Diese Verknappung der Verkehrsmittel blieb zunächst auch nach ,dem Zusammenbruch maßgebend. In den schwierigen Zeiten, die dem Zusammenbruch bis zur Währungsreform folgten, hatten wir wirklich keine Veranlassung, von einer entscheidenden Konkurrenz zwischen Schiene und Straße zu sprechen.
    Während die Schiene mit größter Mühe ihren Betrieb wieder aufbaute, war es der Straße relativ leicht möglich, sich durchzusetzen, weil sie ja in der Lage war, sich in stärkerem Maße der von den gesetzlichen Bestimmungen abweichenden Möglichkeiten, die sich damals ergaben, zu bedienen. Diese abweichenden Möglichkeiten wurden mindestens insoweit in Anspruch genommen, .daß die Straßenverkehrsunternehmungen sich sehr weitgehend ausbauen und entwickeln konnten und sich auch in den Besitz einer großen Anzahl von Fahrzeugen zu setzen vermochten.


    (Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm)

    Die wirkliche Lage, die dadurch entstand, ist eigentlich erst mit der Währungsreform klar in Erscheinung getreten. Sie trat um so krasser zutage, als jetzt deutlich erkennbar wurde, ein wie starker Überhang an Kraftfahrzeugen in dieser Zeit entstanden war. Ich habe schon wiederholt darauf hingewiesen, daß dieser starke Überhang an Kraftfahrzeugen wesentlich darauf zurückzuführen ist, daß sich der automobilistische Schrott von vier großen Armeen im gesamten deutschen Raum niedergeschlagen hatte und daß sich eine große Zahl von Menschen — zum Teil aus ihren bisherigen Beziehungen zum wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben herausgeworfen - in diesen Beruf hineindrängte und bemüht war, sich mit Hilfe dieses automobilistischen Schrotts eine neue Lebensgrundlage zu schaffen. Dazu kam, daß neben dieser großen Zahl gewerbefremder Unternehmer sich durch die bereits geschilderten besonderen Verhältnisse, durch die allgemein sinkende Moral und durch die Mißachtung der Gesetze auf allen Gebieten ein großes Durcheinander herausbildete. Vor allem müssen wir aber darauf hinweisen, daß besonders die Aufhebung des Reichskraftwagenbetriebsverbandes, die durch die Besatzungsmächte vorgenommen wurde, entscheidend dazu beigetragen hat, das jetzt vorhandene Verkehrschaos auf der Straße zu schaffen.
    Die Unternehmungen des Güterfernverkehrs haben versucht, durch die Bildung von freiwilligen Zusammenschlüssen, die Straßenverkehrsgenossenschaften, dem Fortfall 'des Reichskraftwagenbetriebsverbandes und seinen Folgen entgegenzuarbeiten. Auf Grund der weit auseinanderstrebenden Interessen ist es aber trotz sehr fruchtbarer Ansätze nicht möglich gewesen, mit diesen Straßenverkehrsgenossenschaften wirklich zu einer endgültigen Lösung zu kommen. Ich darf dabei darauf hinweisen, daß gerade diese Straßenverkehrsgenossenschaften besonders in letzter Zeit — z. B. durch den Aufbau und die Gestaltung des Autohofs in Düsseldorf - ihre wirkliche Bedeutung sowohl zur Regelung der Verhältnisse auf der Straße, wie vor allen Dingen zur besseren Gestaltung der sozialen Verhältnisse des Personals nachdrücklich unter Beweis gestellt haben.
    Wir haben also heute eine besondere Lage: eine weit übersetzte Zahl von Unternehmern im Güterfernverkehr, die ihre Tarife vielfach 'nicht einhalten, eine fehlende Verkehrssicherheit für die Fahrzeuge und erhebliche Mängel bei der Versicherung für die Transporte. Die Bemühungen der zuständigen Länder, auf .diesem Gebiete Ordnung zu schaffen, sind bisher praktisch als völlig gescheitert anzusehen.
    Wie kommt es nun, daß diese Verhältnisse sich so unerfreulich entwickeln konnten? Die Übersetzung mit Lastkraftwagen ist durch die von mir geschilderten Verhältnisse begründet. Mit Hilfe dieser meist schlechten und unsicheren Fahrzeuge vermochte eine ganze Reihe von Leuten sich die Voraussetzungen zu schaffen, neue Wagen gegen Wechsel oder Kredit zu erwerben. Aber noch allzuviele der alten Wagen bevölkern die Straßen, weil sie die einzige Lebensgrundlage ihrer Fahrer sind. Diese Fahrer mit überalterten Fahrzeugen, dazu die sich aus Notwendigkeit folgende Zwangslage, die gegen Wechsel und Kredite gekauften neuen Fahrzeuge zu amortisieren und die Zinsen dafür aufzubringen, veranlassen naturgemäß die Unternehmer auf der Straße und besonders im Güterfernverkehr, sich mit allen Mitteln um Frachten zu bemühen. Das ist selbstverständlich ihr gutes
    Recht. Aber jetzt treten neben diesen Bemühungen Einflüsse auf, die hier mit aller Klarheit gekennzeichnet werden müssen. Während die Bundesbahn bekanntlich in ihren Tarifen gesetzlich gebunden ist und Tarifunterbietungen nicht ausführen kann, ist dies auf der Straße zwar nicht erlaubt, aber doch bei weitem nicht so eindeutig zu kontrollieren.
    Deshalb setzt auf die aus wirtschaftlichen Verhältnissen dringend zur Übernahme von Frachten genötigten Unternehmer der Straße der scharfe Druck der verladenden Wirtschaft ein. Es wird den Unternehmern auf der Straße von seiten der Bundesbahn so oft der Vorwurf gemacht, daß sie Tarifunterbietungen ausführten. Sie alle würden aber nur zu gern zum vollen Tarifsatz fahren, denn sie sind überzeugt, daß sie bei den Mindertarifen, die sie annehmen müssen, weil sie ja sonst die Ladung nicht erhalten, weder die notwendigen Betriebskosten und schon gar nicht die notwendigen Amortisations- und Abschreibungsbeträge verdienen. Sie sind sich darüber klar, daß sie aus dieser Notlage gezwungen sind, von ihrer Substanz zu leben, weil sie der verladenden Wirtschaft auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind.
    Die Tarifunterbietungen dürfen wir daher den Unternehmern des Straßenverkehrs nicht zum Vorwurf machen. Daß sie unter Tarif fahren müssen und damit den Wettbewerb zur Schiene über Gebühr verschärfen, das hat die verladende Wirtschaft zu vertreten, obwohl sie doch erkennen müßte, daß jede Tarifunterbietung — insbesondere bei der derzeitigen Höhe der Tarife im Vergleich zu den Selbstkosten der wichtigsten Verbrauchsmaterialien — die Verkehrsträger zwingt, zugunsten der verladenden Wirtschaft von ihrer Substanz zu leben. Wenn die verladende Wirtschaft nicht endlich einmal erkennt, daß es ihre Pflicht ist, sich umzustellen und andere Methoden anzuwenden, dann wird sie infolge der ständigen Aushöhlung der Substanz der Verkehrstreibenden — gleichgültig, ob sie auf der Schiene, der Straße oder dem Wasserweg tätig sind — einmal einen schweren Zusammenbruch des gesamten deutschen Verkehrswesens erleben. Und dann wird es die Wirtschaft sein, die die Kosten für den Wiederaufbau des Verkehrs aufzubringen hat! Deswegen muß man in diesem Zusammenhang immer wieder die wirklich braven und tapferen Unternehmer auf der Straße in Schutz nehmen, die aus größter Not gezwungen sind, sich diesem Tarifunterbietungsverlangen zu unterwerfen. Diese Tarifunterbietungen und die daraus folgenden unzureichenden Einnahmen haben natürlich entscheidenden Einfluß darauf, daß diese Männer nicht in der Lage sind, ihre Fahrzeuge so verkehrssicher zu unterhalten, wie dies erforderlich wäre. Oft sind sie genötigt, mit selbstausgeführten oder mit unzureichend ausgeführten Reparaturen auf Fahrt zu gehen, und oft sind sie darüber hinaus genötigt, wegen mangelnder Einnahmen weit über Gebühr und Kraft sich selbst als Fahrer oder ihr mit ihnen verbundenes Fahrpersonal einzusetzen. Daraus ergeben sich wesentliche Momente für die Unsicherheit auf der Straße, die wir mit allen Mitteln bekämpfen müssen.
    Ganz zweifellos ist die Konsequenz dieser Lage auch im Versicherungswesen zu spüren. Es ist selbstverständlich, daß unter diesen Umständen versucht wird, die hohen Versicherungskosten zu sparen, die ja gleichfalls aus ihren Einnahmen zu erbringen sind. Dadurch haben sich sehr unerfreuliche Verhältnisse entwickelt. Daher wird das, was wir auf der Straße an unerfreulichen Zuständen erleben, nicht zuletzt durch die ungeklärten Ver-


    (Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm)

    hältnisse innerhalb des Güterfernverkehrs veranlaßt.
    Ich will natürlich die große Unsicherheit auf unseren Straßen nicht auf diese Gründe allein zurückführen. Im Gegenteil, die Unsicherheit im Straßenverkehr ergibt sich vor allen Dingen dadurch, daß wir einen viel zu breiten Strom des Verkehrs auf den Straßen haben und daß das Bett, also der Straße, diesem Strom nicht mehr gewachsen ist. Die Straßen sind eben einfach aus Mangel an Mitteln, vielfach auch aus Mangel an Initiative bei den staatlichen Organen, mit der Entwicklung der Motorisierung nicht mitgekommen, die wir in den letzten 30 Jahren erlebt haben. Der Bau der Autobahnen hat sich nur als eine Notlösung erwiesen, denn wir haben ja schließlich nur einen Torso übernehmen können. In der Art und Weise, wie sie ausgeführt worden sind, sind sie zudem verkehrspolitisch in vieler Hinsicht fehlerhaft angelegt. So müssen wir erkennen, daß bei diesem starken Strom des Verkehrs auf der Straße sich natürlich Strudel in diesem zu engen Bett bilden und daß sich die Auswirkungen dieser Strudel in der Unfallstatistik ablesen lassen, deren Entwicklung wir nur mit tiefer Besorgnis verfolgen können.
    Wenn wir auf der einen Seite einsehen, daß wir nicht in der Lage sind, das Bett des Straßenverkehrs genügend auszubauen, um dem Verkehrsstrom einen glatten und störungsfreien Verlauf zu geben, so müssen wir uns auf der andern Seite auch dazu bekennen, daß wir jetzt nicht in der Lage sind, die Mittel aufzuwenden, um das in der Vergangenheit Versäumte nachzuholen. Mindestens 10 Milliarden DM müßten wir in die Hand nehmen, um unser Straßensystem der jetzigen Motorisierung anzupassen. Da wir diese Mittel nicht haben, sind wir gezwungen, zu Ordnungsmaßnahmen im Straßenverkehr zu kommen. Wir müssen über die bisherigen gesetzlichen Maßnahmen hinaus weitere Möglichkeiten ersinnen, wie wir zu wirkungsvolleren Ordnungsmaßnahmen kommen können, ohne die weitere natürliche Entwicklung zu drosseln. Wir sind dabei überzeugt, daß gesetzliche Ordnungsmaßnahmen allein nicht ausreichen werden und daß es insbesondere notwendig sein wird, daß das Gewerbe auch einnahmemäßig in die Lage versetzt wird, eine weit bessere Versorgung und Betreuung des Personals in sozialer Hinsicht zu ermöglichen, als dies bisher der Fall ist; denn es kommt im Verkehr entscheidend auf den Menschen an, der ganz außerordentlichen Belastungen ausgesetzt ist. Ihm die entsprechenden Voraussetzungen zu geben, damit er seinen schweren Aufgaben wirklich in jeder Hinsicht gesundheitlich gewachsen ist, ist die wesentliche Aufgabe, die innerhalb des Güterfernverkehrs gelöst werden muß. Die Unternehmer des Güterfernverkehrs können sie natürlich nur dann lösen, wenn sie eine gute Grundlage für ihre wirtschaftliche Existenz finden. Sicherheit der Fahrzeuge und Zuverlässigkeit und Gesundheit der Fahrer sind die unbedingten Voraussetzungen für die Sicherheit auf der Straße! Dabei handelt es sich nicht nur um die Erhaltung der Arbeitskraft, sondern weit darüber hinaus um die ständige Überprüfung der vollen Einsatzfähigkeit der im Verkehr verantwortlich eingesetzten Menschen.
    Mit dem vorgelegten Gesetz können wir nur zu einem Teil dieser Probleme Stellung nehmen und Lösungen anstreben. Der Versuch, den der Wirtschaftsrat mit dem jetzt noch geltenden Güterfernverkehrsänderungsgesetz vom 2. September 1949 gemacht hat, hat sich als nicht ausreichend er-
    wiesen. Bei diesem Gesetz hat man sich nur um die Wiederaufnahme der Konzessionierung bemüht und darüber hinaus nicht einmal versucht, zu einer klaren Regelung der Verhältnisse zwischen Fernverkehr und Nahverkehr zu kommen. Was bei diesem Gesetz aber überhaupt nicht angefaßt wurde, das ist die Frage der Schaffung einer wirksamen Tarifüberwachung.
    Das jetzt vorgelegte Gesetz kodifiziert zwar im wesentlichen das geltende Recht, geht aber dort neue Wege, wo die veränderten Verhältnisse es erfordern. Es entspricht nicht unserer Staats- und Wirtschaftsauffassung, im Sinne des alten Reichskraftwagenbetriebsverbandes, die Unternehmer des Güterfernverkehrs zu Zwangsorganisationen zusammenzuschließen und diesen Zwangsorganisationen neben hoheitlichen Aufgaben auch noch die Abrechnung aufzuzwingen. Infolgedessen geht der Entwurf insofern neue Wege, als er abweichend von dem Güterfernverkehrsgesetz des Jahres 1935 lediglich eine überwachende Einrichtung vorsieht, und zwar in Form einer Bundesanstalt zur Überwachung des Güterfernverkehrs. Diese Bundesanstalt zur Überwachung des Güterfernverkehrs verdankt ihre Verankerung in diesem Gesetzentwurf der Initiative des Gewerbes selbst. Die Kräfte der Selbstverantwortung im Gewerbe haben sich dazu durchgerungen, nun wirklich auch selbst verantwortlich zu handeln. Es ist sehr anzuerkennen, daß diese Initiative vom Gewerbe selbst ausgegangen ist, um damit einen wirklich entscheidenden Beitrag zur Sicherung der Verhältnisse im Straßenfernverkehr zu leisten. In der Anstalt, die hier vorgesehen ist, sollen weitgehend die lebendigen Kräfte der Selbstverwaltung und der Unternehmer im Straßenverkehrsgewerbe nutzbar gemacht werden. Die Bundesanstalt hat zwar selbst keine Strafgewalt, sondern ist auf eine verständnisvolle Zusammenarbeit mit den zuständigen Landesbehörden angewiesen. Aber es ist doch zu hoffen, daß das Instrument der Bundesanstalt in der Lage sein wird, der ihm übertragenen großen Verantwortung gerecht zu werden.
    Gegenüber dem bisher geltenden Recht möchte ich auf einige Bestimmungen hinweisen, die von besonderer Bedeutung sind. Die Zahl der Genehmigungen für den Güterfernverkehr ist kontingentiert. Sie umfaßt in Zukunft auch die früher nicht kontingentierten sogenannten Bezirksgenehmigungen. Wir haben in diesem Gesetzentwurf eine klare Trennung zwischen dem Nahverkehr bis zu 50 km im Umkreis und dem darüber hinausgehenden Fernverkehr vorgeschlagen. Wir haben also nicht mehr jene Zwischenstufe des Bezirksverkehrs mit einem Radius von 150 km beibehalten. Dieser Bezirksverkehr konnte bei den relativ eng gewordenen Verhältnissen in Deutschland praktisch keine Zwischenstufe mehr sein, weil er in den Güterfernverkehr hineinwuchs. Wir brauchen diese klare Scheidung, da wir sonst nicht zu wirklich vernünftigen und klaren Verhältnissen im Straßenverkehr kommen werden.
    Die Kontingentierung ist also neben der Tarifüberwachung idas Kernstück des Gesetzes. Während sich das Güterfernverkehrsgesetz von 1935 noch darauf beschränken konnte, ein gesundes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Verkehrsträgern herbeizuführen, hat die Entwicklung der Verhältnisse seit 1945 die Notwendigkeit einer Erweiterung der gesetzgeberischen Ziele erwiesen. Ich möchte darauf hinweisen, daß die Verschärfung der Kontingentierung wesentlich durch die bereits geschilderten Verhältnisse auf unseren Straßen er-


    (Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm)

    zwungen wird, insbesondere durch das außerordentliche Anwachsen der Verkehrsunfälle. Wenn vielleicht später in der Debatte darauf hingewiesen werden sollte, daß es doch möglich wäre, mit den dem Bundesverkehrsministerium zur Verfügung stehenden Mitteln die Straßenverhältnisse nachhaltig zu verbessern, so erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, daß die Mittel, die dafür im Haushaltsplan vorgesehen sind, nur die Möglichkeit geben, pro Kilometer Autobahn, den herzustellen heute etwa 1,5 Millionen DM kostet, zur Unterhaltung im Jahre 6 500 DM auszugeben und pro Kilometer Bundesverkehrsstraße, dessen Herstellung mehrere Hunderttausend Mark kostet, pro Kilometer etwas über 2 000 DM aufzuwenden. Wenn Sie diese Zahlen hören, in denen die Möglichkeiten zur Unterhaltung und zur Ausgestaltung bestehender Straßen einschließlich der Mittel zur Wiederherstellung zerstörter Brücken und zur Verbesserung von Ortsdurchfahrten enthalten sind, dann werden Sie sich wundern, wie ein maßgebendes Land im Bundesrat noch glauben konnte, aus diesen Mitteln 50 Millionen für andere, dem Verkehr nicht dienende Zwecke abziehen zu können. Bei all diesen Überlegungen hat man niemals genügend berücksichtigt, daß ja letzten Endes auch hier bei einem derartig geringen Einsatz an Mitteln ein Substanzverzehr bei der Unterlage des Straßenverkehrs, nämlich bei der Straße selbst, eintreten muß und daß daher diesem Substanzverzehr nur völlig unzureichend entgegengearbeitet werden kann.
    Wie ich vorhin für die Verkehrsträger, die einzelnen Gesellschaften und Unternehmungen feststellte, daß sie sich im Dienst ,der Wirtschaft verzehren, so muß ich das auch für die Objektverwaltungen des Staates feststellen. Sie verzehren sich aber alle nicht etwa in dem eingeschränkten Sinne, daß sie sich bis zum äußersten darum bemühen, ihre dienende Funktion gegenüber der Wirtschaft zu erfüllen, sondern sie werden im wahrsten Sinne des Wortes von der Wirtschaft und vom Staat ausgehöhlt und ausgezehrt. Wenn wir uns nicht dazu entschließen können, auf diesem Gebiet einen grundsätzlichen Wandel eintreten zu lassen, wenn wir nicht erkennen, daß es hier ebenso notwendig ist, den sachlichen Voraussetzungen Rechnung zu tragen, wie wir selbstverständlich anerkennen, daß wir den menschlichen Voraussetzungen in unserem Staat Rechnung tragen müssen, so werden sich hieraus sehr, sehr unerfreuliche Verhältnisse entwickeln, die die Wirtschaft und die später auch den Staat finanziell sehr belasten werden.
    Man hat nun vielfach eingewendet, daß das Mittel der Kontingentierung und der Konzessionierung nicht mit den Vorschriften vereinbar sei, die im Grundgesetz vorliegen. Art. 12 des Grundgesetzes gibt bekanntlich jedem Menschen das Recht, seinen Beruf, seinen Arbeitsplatz und seine Ausbildungsstätte frei zu wählen. Er läßt also eine absolute Freiheit der Berufsausübung zu. Wenn wir diesen Artikel aus dem Grundgesetz allein zu beachten hätten, so dürften wir vielleicht daran zweifeln, ob selbst bei diesen uns bedrängenden Gefahren im Straßenverkehr eine Konzessionierung berechtigt ist. Aber wir haben im Grundgesetz den vor allen anderen Vorschriften geltenden, besonders wichtigen Art. 2, durch den ausdrücklich jedem Deutschen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrheit zugesichert wird. In den Fällen, in denen dieses Recht, wie heute im Straßenverkehr durch die Unzahl der Unfälle, ent-
    scheidend beschränkt ist und in Gefahr steht, vernichtet zu werden, muß man auch in der Lage sein, sich über eine allzu enge Auslegung des Art. 12 hinwegzusetzen. Denn immer ist das Recht auf Leben und Unversehrtheit der Menschen eines Volkes das erste und vordringlichste Recht, das über allen anderen Rechten zu stehen hat.
    Auf dieser übergeordneten Rechtsgrundlage beruhen also die Bestimmungen für die Zulassung als Güterfernverkehrsunternehmer, wie wir sie in dem Gesetzentwurf festgelegt haben. Hinzu kommt, daß sich in den letzten Jahren der Kraftfahrunternehmer als besonderer Beruf noch klarer und eindeutiger herausgebildet hat, so daß sich die Betätigung als Fernverkehrsunternehmer als eine besondere Ausübung des Berufs eines Kraftfahrunternehmers darstellt. Auch aus diesem Grunde bestehen nach unserer Auffassung keine rechtlichen Bedenken, auf Grund des Grundgesetzes die Zulassung zu diesem Gewerbe an bestimmte, eng abgegrenzte Voraussetzungen zu binden. Aufgabe des Bundesverkehrsministeriums wird es sein, die ihm durch das Gesetz zugewiesene Möglichkeit zu nutzen und die Zahl der zu genehmigenden Fahrzeuge so festzusetzen, daß die Bedürfnisse des Verkehrs und der Wirtschaft voll befriedigt, gleichzeitig aber Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Wohlfahrt im Straßenverkehr soweit als möglich vermieden werden.
    In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß andere Länder, darunter auch das klassische Land der Gewerbefreiheit, die Vereinigten Staaten von Amerika, einschneidende Beschränkungen der gewerblichen Tätigkeit auf dem Sektor des Güterfernverkehrs kennen, weil auch bei ihnen die Straße im Interesse der öffentlichen Verkehrssicherheit und Wohlfahrt geschützt werden muß. So bestimmt das Gesetz über den zwischenstaatlichen Verkehr in den Vereinigten Staaten, die Interstate Commerce Act, in den Abschnitten 206 und 207, daß Kraftverkehr im Rahmen dieses Gesetzes nur genehmigt wird, wenn der Antragsteller unter anderem geeignet, willens und in der Lage ist, den vorgesehenen Betrieb ordnungsgemäß durchzuführen, und wenn für einen solchen Betrieb ein öffentliches Interesse und e i n Bedürfnis besteht.
    Zu der Regelung des Fernverkehrs in den anderen Ländern möchte ich noch auf die Grundsätze verweisen, die die verschiedenen internationalen Ausschüsse in ihren Sitzungen in Paris und Genf gerade in den allerletzten Wochen entwickelt haben. Das International Transport Committee der OEEC, der Organisation for European Economic Cooperation, d. h. der Binnenverkehrsausschuß der Organisation für die europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit, also die Organisation der MarshallPlan-Länder in Paris, hat in seinen Sitzungen am 3. und 4. Oktober 1950 ausdrücklich festgestellt, daß alle Staaten darin übereinstimmen, daß es unmöglich sei, im internationalen Straßenverkehr unbegrenzte Freiheit zu geben, und daß daher nur eine „reglementierte Freiheit" angestrebt werden könne, falls ungünstige Rückwirkungen auf die notwendige Koordinierung zwischen Schiene, Straße und Binnenwasserstraße vermieden werden sollen. Diese Auffassung stimmt mit der Ansicht überein, die eine andere internationale Organisation, nämlich der Binnenverkehrsausschuß der ECE, der Economic Commission for Europe in Genf, die eine Organisation der Vereinten Nationen ist, bekanntgegeben hat. Der Regierungsentwurf befindet sich


    (Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm)

    deshalb in dieser Hinsicht durchaus in Übereinstimmung mit den Gedanken, die von den internationalen Organisationen und Ausschüssen der westlichen Staaten vorgetragen werden.
    Die Tarifüberwachung, das zweite Kernstück dieses Gesetzes, soll nach unserem Entwurf einer öffentlich-rechtlichen Anstalt, der Bundesanstalt zur Überwachung des Güterfernverkehrs, übertragen werden. Es wäre denkbar gewesen, den Länderbehörden, denen gemäß dem Grundgesetz die Durchführung der gesetzlichen Maßnahmen auf dem Gebiet des Straßenverkehrs obliegt, auch diese Aufgaben zu überlassen. Aber die Erfahrungen, die vor 1935 und nach 1945 in den Ländern gemacht wurden, haben uns doch bewiesen, daß dies nicht genügen kann. Der Fernverkehr verlangt infolge seiner das ganze Bundesgebiet umfassenden starken Verzahnung mit allen Wirtschaftsangelegenheiten eine weitgehend einheitliche Handhabung aller Kontrollmaßnahmen. Es kann nicht angehen, einen Unternehmer, zum Beispiel aus dem Norden Deutschlands, auf seiner Fahrt nach München in vier oder fünf Ländern nach den verschiedensten Richtungen Kontrollen zu unterwerfen, die dann wieder nach verschiedenen Maßstäben aufgezogen sind. Vielmehr kann die Kontrolle nur bundeseinheitlich ausgeübt werden, und sie kann daher nur durch eine solche Bundesanstalt verwirklicht werden.
    Dies ist einer der Gründe, weshalb die Bundesregierung den Entwurf des Bundesrates nachdrücklich ablehnen muß, der die Überwachung des Güterfernverkehrs zahlreichen Landesanstalten zuweist, Anstalten, deren Wirkungsbereich ein moderner Lastzug häufig in wenigen Stunden, wenn nicht sogar noch schneller durchfährt. Die Kraftfahrzeugtechnik ist über derartige kleinstaatliche Anschauungen hinweggewachsen. Die Bundesregierung hat daher keinen Zweifel daran, daß diejenigen Mitglieder des Hohen Hauses, die sich mit diesem Problem eingehend befaßt haben oder noch befassen werden, hier ebenso wie auf den Ebenen von Straßburg, Genf und Paris, wo diese Fragen behandelt werden, erkennen werden, daß dieser Vorschlag des Bundesrates nicht mehr den Zeitverhältnissen entspricht.
    Es kann auch nicht die Aufgabe sein, daß um der Angestellten und Beamten von Behörden willen, die in den letzten Jahren in der Straßenverkehrsüberwachung, im wesentlichen im Rahmen der dort ehemals vorhandenen und langsam abgebauten Kontingentierungsvorschriften tätig waren, daß deshalb nur Landesanstalten geschaffen werden, um diesen Mitarbeitern eine weitere Unterbringung zu ermöglichen. Wir sind der Auffassung, daß es viel entscheidender ist, die lebendigen Kräfte des Gewerbes in dieser Bundesanstalt zu verankern, dieser Bundesanstalt zur Leitung einen Verwaltungsrat und eine möglichst weitgehende Selbständigkeit zu geben. Sie soll daher nur der Fachaufsicht nach dem Ermessen des Bundesverkehrsministers unterliegen, damit sie ihren wichtigen und entscheidenden Aufgaben uneingeschränkt nachgehen kann.
    Der Verwaltungsrat, der sich aus Vertretern des Gewerbes, der Bundesbahn, der Wirtschaft und der Gewerkschaften zusammensetzt, soll einen Vorstand einsetzen, der völlig neutral ist. Dieser Vorstand und die Angestellten, die keinem Unternehmen oder Speditionsbetrieb angehören oder irgendwie an ihm beteiligt sein dürfen, haben die Aufgabe, durch Straßenkontrollen und andere geeignete Ermittlungen die Einhaltung der Bestimmungen des Gesetzes durch die Beteiligten zu überwachen und festgestellte Verstöße den zuständigen Behörden zur Verfolgung zu melden.
    Die Bundesanstalt hat weiter bedeutende Aufgaben in der statistischen Erfassung aller Beförderungsleistungen im Fernverkehr. Aus ihr wird der Vorsitzende in der für den Güterfernverkehr zu bildenden Tarifkommission zu bestellen sein. Die karteimäßige Erfassung der Fernfahrzeuge und der Abfertigungsspediteure wird wichtige Aufschlüsse geben und die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen kontrollieren helfen. Die Kosten der Bundesanstalt werden durch vom Gewerbe erhobene Gebühren gedeckt.
    In diesem Zusammenhang ist im Gesetz auch ein wichtiges Gebiet zu regeln, das unter dem Namen „Werkverkehr" in den letzten Jahren in der Presse und in der Öffentlichkeit immer wieder eine bedeutsame Rolle gespielt hat, der Werkverkehr, bei dem man den echten von dem unechten Werkverkehr zu unterscheiden hat, nämlich von jenem, der gegen Entgelt irgendwelche Beförderungsleistungen ausführt, ohne daß er ein Gewerbeunternehmen des Verkehrs ist. Dieser unechte Werkverkehr ist durch die Bestimmungen des Gesetzes soweit als möglich ausgeschaltet. Es bedarf aber vor allem seinetwegen einer laufenden Überwachung auch der Fahrzeuge des Werkverkehrs, um sicherzustellen, daß dieser unechte Werkverkehr, der von den Vertretern des Werkverkehrs selbst nicht gewünscht, sondern abgelehnt wird, auch wirklich ausgeschaltet wird. Deshalb ist es notwendig, daß auch die Kraftfahrzeuge des Werkverkehrs den Landstraßenkontrollen der Bundesanstalt unterliegen und daß sie bei ihren Fahrten Beförderungspapiere mit sich führen und diese dann vorzeigen.
    Durch diese Beförderungspapiere soll zugleich die statistische Erfassung der Beförderungsleistungen des Werkverkehrs ermöglicht werden, über den wir bisher gar nichts wissen und dessen Ausweitung und dessen Straßenbelastung wir daher bisher noch in keiner Weise richtig einzuschätzen vermögen. Aus verkehrspolitischen Gründen besteht deshalb an der Einbeziehung des Werkverkehrs in die Kontrolle der Bundesanstalt ein erhebliches und lebendiges Interesse. Die statistischen Arbeiten werden entsprechend den für die Bundesstatistik allgemein geltenden Bestimmungen, allerdings nicht von der Bundesanstalt, sondern von einer entsprechenden behördlichen Abteilung der Bundesstatistik ausgeführt werden.
    Für größere Kraftfahrzeuge des Werkfernverkehrs ist außerdem eine Anmeldepflicht bei der Bundesanstalt im Gesetz vorgesehen und eine gegeringe Beteiligung an den Kosten. Gegen diese geringe Kostenbeteiligung — ein Betrag von wenigen Mark pro Jahr und Fahrzeug — wendet sich nun die Wirtschaft. Dazu muß man allerdings ausführen, daß es wichtig ist und mir notwendig erscheint, daß die Wirtschaft in dem Verwaltungsrat der Bundesanstalt sowohl als verladende Wirtschaft wie als Besitzer von Werkverkehrsfahrzeugen vertreten ist. Es ist klar, daß diese Anstalt, die aus ihren eigenen Beiträgen lebt und deren Verwaltungsrat nicht nur den Vorstand bestellt, sondern auch den Etat festsetzt, nicht einen Verwaltungsrat haben kann, in dem Vertreter von Gruppen sitzen, die für diese Anstalt und zu ihren Kosten überhaupt nichts beitragen. Ich glaube, es liegt nicht im Interesse derjenigen


    (Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm)

    Kreise der Wirtschaft, die den Werkverkehr betreiben, sozusagen nur honoris causa im Verwaltungsrat dieser Anstalt vertreten zu sein und ihre Stimme gar nicht erheben zu können, weil ihnen dann jeder entgegenhalten wird: „Du zahlst ja nicht einmal diesen ganz geringfügigen Beitrag und infolgedessen mache dich hier bitte nicht mausig!"
    Ich bin aber der Auffassung, daß wir bei den Zuständen auf unseren Straßen und bei den Gefahren, die sich vielleicht daraus ergeben, auch im Werkverkehr zu schärferen Einschränkungen kommen können. Deshalb gerade ist es von größtem Interesse für die beteiligten Industrien und anderen Unternehmer, sich hier maßgeblich einzuschalten. Ich begreife deshalb nicht den Widerstand, den man aus angeblich grundsätzlichen Erwägungen gegen die Zahlung einer kleinen Gebühr und die Ausschreibung des Anmeldezettels erhebt. Ich möchte darauf hinweisen, daß diese Leistungen, die hier für die Mitarbeit gefordert werden, tatsächlich so geringfügig sein werden, wie man sie geringfügiger gar nicht gestalten kann, und daß derjenige, der sich am Verkehr beteiligen will, aber aus grundsätzlichen und nicht praktischen Erwägungen heraus bestimmte Forderungen stellt, lieber aus dem Verkehr ausscheiden sollte.
    In unserem Güterfernverkehrsgesetzentwurf gibt es weitere Bestimmungen, die besonders das Interesse der Öffentlichkeit und der Beteiligten erregt haben, nämlich die Bestimmungen, die zu einer klaren Abgrenzung zwischen Straße und Schiene führen sollen. Die Öffentlichkeit hat ein großes Interesse an der Regelung des Güterfernverkehrs der Bundesbahn genommen. Ich muß hier klar und deutlich folgendes feststellen: Das Kernstück der Bundesbahn ist und bleibt der Schienenverkehr. Es ist falsch, wenn man glaubt, daß die Bundesbahn wieder auf dem Marsch sei, sich erneut zu dem Monopolunternehmen für den Verkehr zu Lande zu entwickeln, indem sie sich den Straßenverkehr langsam, aber sicher angliedert. Es ist falsch, wenn man auf der anderen Seite glaubt, man könne die Bundesbahn von der Straße völlig verdrängen. Sie hat nämlich für eine Beziehung auf der Straße absolut ein Recht, das ihr nicht bestritten werden kann: das ist das Recht des Zu-
    und Abtransportes der Güter von und nach der Schiene. Dieses Recht muß ihr also gewährleistet sein. Es ist gewährleistet, indem sie im Güternahverkehr in keiner Weise beschränkt ist. Es kann aber auch bestimmte Relationen geben, in denen der Zu- mid Abtransport von und nach der Schiene über die 50 km-Grenze hinausgeht. In diesem Rahmen ist es erforderlich, daß die Bundesbahn, allerdings in klarer Beschränkung, sich auch im Güterfernverkehr betätigt.
    Deswegen ist in diesem Gesetz in Abänderung der früheren Gesetze, die eine wesentlich weniger starke Beschränkung enthielten, vorgesehen, daß die Deutsche Bundesbahn im Güterfernverkehr äußerst 2% der auszugebenden Konzessionen für sich beanspruchen darf, daß sie also in diesem Rahmen des Nahverkehrs und des beschränkten Fernverkehrs ihre Lastkraftfahrzeuge einzusetzen in der Lage ist. Wenn Sie berücksichtigen, wie eng das Netz der Bahnhöfe der deutschen Bundesbahn ist, und wenn Sie um diese Bahnhöfe den 50 km-Kreis schlagen, so können Sie sehen, daß die Bundesbahn in dem Zu- und Abtransport zur Schiene wirklich alle Möglichkeiten hat. Wir werden aber auch hier weitere technische Entwicklungen erleben. Sie haben sicherlich das Schlagwort vom HausHaus-Verkehr gehört, von dem man sagt, daß er
    den Lastkraftwagen gegenüber der Bundesbahn so stark in Vorteil bringt. Nun, die Bundesbahn hat den Haus-Haus-Verkehr in ihrem Betrieb mit den Anschlußgleisen stets gehabt. Sie hat ihn in den letzten Jahren leider vielfach nicht so gepflegt, wie es richtig und in ihrem Interesse notwendig gewesen wäre. Das wird sich sicherlich in der nächsten Zeit noch ganz wesentlich verbessern lassen. Darüber hinaus ist durch die Einrichtung des Behälterverkehrs, der nur eine Frage von Zeit und Geld ist, eine wirklich durchgreifende Voraussetzung für einen Haus-Haus-Verkehr der Bundesbahn entwickelt worden. Das gleiche ist von dem vermehrten Einsatz jener Culemeyer-Fahrzeugen zu sagen, durch die man ganze Güterwaggons über die Straße befördern kann.
    Der Bundesbahn stehen also vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung, und sie brauchte sich deshalb eigentlich um den Güterfernverkehr auf der Straße nicht selbst zu bekümmern. Würde sich die Bundesbahn wirklich und intensiv mit ihren Selbstkosten im Straßengüterfernverkehr beschäftigen, so würde sie bei den ungünstigen finanziellen Ergebnissen der letzten Jahre daraus die Konsequenzen ziehen. Ich glaube, daß wir für die Zukunft eine richtige Entscheidung in dieser Frage in unserem Gesetzentwurf gefunden haben.
    Wir haben auf der anderen Seite noch die Bestimmung, nach der die Bundesbahn in Zukunft Lastkraftwagen für den Fernverkehr von Unternehmern chartern kann, aber nicht mehr in der Lage ist, wie sie es bisher war, Verträge mit größeren Gruppen von Unternehmern zu schließen, die dann bei einer bestimmten, ihnen zugesicherten Beförderungsleistung im Jahr auf Kasten der Bundesbahn relativ angenehme Lebens- und Verdienstverhältnisse haben. Wir haben deswegen in I dem Gesetz vorgesehen, daß diese Verträge, die in letzter Zeit noch von der Bundesbahn erneuert wurden, auslaufen müssen, weil wir nicht mit ansehen können, daß hier noch überlebte Verhältnisse aus den LSÖ-Praktiken einer glücklicherweise versunkenen Zeit fröhliche Urständ feiern, und weil wir nicht als Unternehmer einen Mann anerkennen wollen, der, ohne nennenswerte Leistungen selbst zu vollbringen, Rechnungen ausschreibt, die nachher zum erheblichen Teil zu Lasten der Allgemeinheit bezahlt werden müssen. Hier liegen Verhältnisse vor, die abgestellt werden müssen und die durch diesen Gesetzentwurf bereinigt werden sollen.
    Weiter ist noch darauf hinzuweisen, daß dieses Gesetz so gefaßt ist, daß die Landesregierungen die für die Durchführung des Gesetzes im einzelnen zuständigen Behörden bestimmen. Das Gesetz ist sehr sorgfältig durchgearbeitet, so daß die Landesbehörden auch das Verfahren der Genehmigungserteilung und das Rechtsmittelverfahren bestimmen und daß nur die Bundesanstalt ausgenommen ist. Dieses Gesetz ist also als ein Gesetz zu behandeln, das nicht der ausdrücklichen Zustimmung des Bundesrats bedarf.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gleichzeitig mit diesem Gesetzentwurf geht Ihnen ebenso wie beim Bundesbahngesetz eine Vorlage des Bundesrats zu. Sie müssen mir gestatten, daß ich zu dieser Vorlage noch einige Ausführungen mache. Auch hier war es wiederum die Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen, das im März dieses Jahres einen entsprechenden Initiativ-Gesetzesantrag im Bundesrat einbrachte. Trotz aller Bemühungen war es aus staatsrechtlichen und anderen Gründen nicht möglich, die Arbeiten des Bundesverkehrs-


    (Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm)

    ministeriums mit diesem Initiativantrag so zu verschmelzen, daß sie in einem einzigen Guß hätten vorgelegt werden können. Infolgedessen hat die Bundesregierung zu dem Entwurf des Bundesrats, und der Bundesrat hat zu dem Entwurf der Bundesregierung Stellung genommen. Beides liegt gedruckt vor.
    Es ist notwendig, auf die entscheidenden Unterschiede dieser beiden Entwürfe noch kurz einzugehen. Einmal will der Entwurf des Bundesrats nicht nur ein Güterkraftverkehrsgesetz für den Fernverkehr schaffen, sondern er will ein allgemeines Güterkraftverkehrsgesetz schaffen, in dem er auch den Nahverkehr und den Werkverkehr in der Nahzone, also jener 50 km-Zone, regelt. Der Bundesrat begründet diesen Wunsch damit, daß der Güterfernverkehr und der Güternahverkehr in der Regelung durch den Gesetzgeber praktisch nicht voneinander zu trennen seien. Diese Annahme wird aber schon dadurch widerlegt, daß seit dem Jahre 1931 der Güterfernverkehr gesetzlich geregelt ist, während dagegen der Güternahverkehr bisher ohne gesetzliche Regelung geblieben ist.
    Nun ist die Bundesregierung nicht der Auffassung, daß der Güternahverkehr auch in Zukunft ohne gesetzliche Regelung bleiben sollte. Aber hier ist noch zu überlegen, inwieweit diese Frage mit den Ländern abzugleichen ist. Der Güternahverkehr, der sich innerhalb der 50 km-Zone bewegt, verläuft im allgemeinen im Rahmen eines Landes. Es wird also die Frage sein, in welcher Weise hier durch eine rahmengesetzliche Vorschrift auf Bundesebene eingegriffen werden kann. Das Gewerbe wünscht eine solche Regelung, wünscht sie aber in anderer Form, als sie der Bundesrat vorgeschlagen hat. Wir müssen uns darüber klar sein, daß wir hier mit einer gesetzlichen Regelung Neuland betreten werden. Nirgends ist es so schwer, sich durch statische Gesetze des dynamischen Lebens zu erschließen, wie auf dem Gebiete des Verkehrs. Die Bedeutung der von dem Gesetzgeber hier zu lösenden Probleme - das Einschreiten zum Beispiel gegen den unechten Werkverkehr im Nahverkehr, die Einführung eines Fahrtenbuches, ja der Gedanke an Konzessionierung oder Bedürfnisprüfung — darf nicht verkannt werden. Es wäre daher bedenklich, wenn man diesen komplexen Kreis von Problemen in diesem Gesetz ohne eingehende Vorbereitung und insbesondere auch ohne Abstimmung mit den Spitzenvertretungen der Wirtschaft und des Gewerbes überstürzt regeln wollte. Wenn der Vorschlag des Bundesrats, beide Verkehrsgebiete gleichzeitig gesetzlich zu regeln, angenommen werden würde, so würde das nach unserer Auffassung dazu führen, daß das gesamte Gesetzgebungswerk in Gefahr gebracht, mindestens aber erheblich verzögert wird. Dies scheint wegen der Verhältnisse im Güterfernverkehr, die einer Regelung dringend bedürfen, nicht tragbar zu sein.
    Wir werden die Vorarbeiten für das Güternahverkehrsgesetz in unserem Hause mit äußerster Kraft beschleunigen. Aber ich sehe an der Vielfalt der Probleme, daß es notwendig ist, sie mit größter Sorgfalt zu prüfen, um dann einen Vorschlag machen zu können, der nicht hemmend wirkt, sondern hilft, die Verhältnisse auf der Straße zur Ordnung zu führen.
    Ich habe weiter ausgeführt, daß die Überwachung im Güterfernverkehr nach unserer Auffassung nur nach einheitlichen Gesichtspunkten im ganzen Bundesgebiet vorgenommen werden kann. Die Begründung des Bundesrats, daß eine Zusammenarbeit mit der Polizei nur auf der Landesebene, also zwischen Landesanstalt und Polizeibehörde,
    möglich sei, scheint mir an dem Kern der Sache vorbeizugehen. Es ist ja gar nicht die Polizei, mit der die Anstalt in erster Linie zusammenarbeitet, sondern es sind die Verkehrsbehörden der Länder und die Preisbehörden. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß einer Bundesanstalt, der ja keinerlei Strafbefugnisse zustehen, alles daran gelegen sein muß, zu einer engen Zusammenarbeit mit den Landesbehörden zu kommen, wenn ihr Wirken nicht zwecklos sein soll. Ich bin ferner der Auffassung, daß auch die Landesbehörden alles daran setzen werden, im Interesse der Lösung der großen Aufgabe einer Ordnung im Straßenverkehr der Bundesanstalt in bundestreuer Zusammenarbeit jede Unterstützung zu geben. Ich glaube nicht, daß der Gedanke, daß die Polizei auf der Landesebene grundsätzlich mit Bundesbehörden nicht zusammenarbeiten könnte, uns gerade nach den Erfahrungen der letzten Wochen noch besonders begeistert.
    Der vom Bundesrat gegebenen rechtlichen Begründung gegen die Errichtung der Bundesanstalt kann die Bundesregierung ebenfalls nicht folgen. Die Bundesregierung steht auf dem Standpunkt, daß die Bundesanstalt ohne einen besonderen organisatorischen Unterbau im Sinne des Art. 87 Abs. 3 Satz 2 arbeiten kann. Die geforderte einheitliche, schlagkräftige Überwachung kann, wenn sie Landesanstalten übertragen werden sollte, nicht erzielt werden, da es unmöglich erscheint, nur durch eine koordinierende Kommission, die aus den Leitern der Landesanstalten, wie es der Bundesrat vorschlägt, besteht, diese Schlagkraft zu erreichen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß auch aus dem Grunde der viel zu hohen Kosten die Errichtung der zahlreichen Landesanstalten heute nicht verantwortet werden kann. Das Gewerbe, das diese Beiträge nach unserem Gesetzentwurf auf- I bringen soll, ist heute schon in so starker Weise belastet, daß man ihm unnötige Kosten dringend ersparen muß. Wir haben kürzlich erlebt, welchen Rückschlag die Erhöhung der Tarife für die Versicherungen dem Gewerbe gebracht hat. Entgegen der Auffassung des Bundesrates dürfte es auch nicht möglich sein, zu erreichen, daß die Beiträge des Gewerbes zu den einzelnen Landesanstalten wirklich gleichmäßig hoch sind. Denn es liegt auf der Hand, daß die Landesanstalten je nach der Verschiedenheit ihrer Bezirke ganz verschieden hohe Beiträge einheben müssen, um ihre Kosten zu decken. Ein Finanzausgleich unter den Landesanstalten dürfte aber wohl wenig Aussicht auf Erfolg haben. Gerade weil wir der Auffassung sind. daß Verschiebungen im Wettbewerb aus diesen Gründen unbedingt vermieden werden müssen. vertreten wir mit ganz besonderem Nachdruck die Bundesanstalt.
    Der Entwurf des Bundesrats trägt aber auch den Belangen der Finanzverwaltung nicht genügend Rechnung. Nach dem Entwurf der Bundesregierung ist die Mitwirkung des Bundesfinanzministers im Interesse des Gewerbes selbst bei den Haushaltsangelegenheiten der Bundesanstalt sichergestellt. Auch ermöglicht die Formulierung unseres Entwurfs, zu einer einfacheren Gestaltung bei der Einziehung der Beförderungssteuer zu kommen. Gerade dieses Problem ist es, das dem Herrn Finanzminister auch seinerseits sehr die Liebe zur Bundesanstalt nahegelegt hat.
    Wenn wir also die beiden Entwürfe, die Ihnen zur Entscheidung vorliegen, den Entwurf der Bundesregierung und den des Bundesrats, gegenüberstellen, so zeigt sich, daß der Bundesrat, der bei seinen Überlegungen - und das ist sein gutes


    (Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm)

    Recht — wesentlich von den Länderinteressen ausgegangen ist und sich von ihnen hat bestimmen lassen, dem Umstand, daß der Verkehr, vor allem der Fernverkehr, seiner Natur nach sich nicht an die engen Ländergrenzen binden kann, sich innerhalb der engen Ländergrenzen nicht entwickeln kann, sondern seine Aufgabe überregional erfüllen muß, nicht genügend Rechnung trägt. Eine derartige Einstellung ist besonders zu einer Zeit, in der wir von einer Integrierung des europäischen Verkehrs sprechen, nicht mehr zu begreifen. Wir machen uns große Sorge darüber, wie wir die Probleme auf der Straße lösen können, wenn in immer stärkerem Maße der Transitverkehr im Güterfernverkehr durch unser Land rollt. Wir haben diese Probleme europäisch zu sehen und europäisch zu lösen. Wir haben dafür mindestens auf dem Verkehrsgebiet die Voraussetzungen zu schaffen, indem wir auf der Bundesebene für Einrichtungen sorgen, die uns den Weiterbau im europäischen Sinne ermöglichen. Hier, wo die Initiative des Gewerbes uns einen Weg gewiesen hat, den wir nach unserer Auffassung gehen können, ohne zu Zwangsmaßnahmen zu greifen, hier, wo wir uns der Konzessionierung, in den Zwangsmaßnahmen soweit wie möglich beschränken wollen, müssen wir zugleich immer wieder daran denken, daß wir auch hier die Voraussetzungen für eine europäische Zusammenarbeit schaffen müssen.
    Deswegen bitte ich Sie, auch diesen Problemen Ihre Aufmerksamkeit zu widmen und vor allen Dingen die Begründungen der Entwürfe eingehend zu studieren. Sie sind aufgestellt, um Ihnen das Einarbeiten in diese schwierigen Probleme zu ermöglichen. Lassen Sie sich nicht nur von Zeitungsartikeln beeinflussen! Zeitungsartikel sind gelegentlich von vornherein einseitig bestimmt und in vielen
    Fällen von Sachkunde nicht getrübt, ganz abgesehen davon, daß die Verfasser nicht selten, selbst wenn sie Vorträge hören, nicht in der Lage sind, das, was sie hörten, in dem Sinne, wie es gesprochen wurde, zu Papier zu bringen und wiederzugeben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Rademacher.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Willy Max Rademacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Angesichts des „gewaltigen Interesses", das das Hohe Haus diesen beiden wichtigen Gesetzen auf dem Gebiete des Verkehrs entgegenbringt, möchte ich zur Geschäftsordnung den Antrag stellen, beide Entwürfe ohne Debatte an den Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen. Aus dem gleichen Grunde darf ich an Herrn Minister Renner die Bitte richten, auf eine Begründung seines Entwurfs zu verzichten. Vielleicht kann ich die letzten Worte des Herrn Bundesverkehrsministers aufnehmen, die Gesamtbegründung und die Paragraphen beider Entwürfe eingehend zu studieren, um die Grundlage für die Arbeiten im Ausschuß zu haben.