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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Oktober 1950 3439 93. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. Oktober 1950. Nachruf auf den verstorbenen Abgeordneten Krause 3440A Geschäftliche Mitteilungen 3440B Eintritt des Abg. Rahn in die Gruppe der WAV als Hospitant 3440C Wahl des Präsidenten des Deutschen Bundestages 3440C Kunze (CDU) 3440C Amtsübernahme und Ansprache des Präsidenten Dr. Ehlers 3441B Dank des Bundestags für die Amtsführung des Vizepräsidenten Dr. Schmid: Dr. von Brentano (CDU) 3441D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz) (Nr. 1333 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) (Nr. 1466, zu Nr 1466 der Drucksachen) 3442A Pohle (SPD), Berichterstatter . . 3442A Bazille (SPD): zur Geschäftsordnung 3445B zur Sache 3449B Kohl (Stuttgart) (KPD) 3445D 3446B, 3447A, D, 3448A, D, 3450B, 3454A Dr. Richter (Niedersachsen) (parteilos) 3446D Volkholz (BP) 3447B, 3448B, C, 3449B, 3451A Lücke (CDU) 3449C, 3453B Frau Arnold (Z) 3449D, 3454C Storch, Bundesminister für Arbeit . 3449D Arndgen (CDU) 3450A Mende (FDP) 3450C, 3451B Frau Kalinke (DP) 3450C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3451C Leddin (SPD) 3452D, 3453A Dr. Seelos (BP) 3454B Frau Schroeder (Berlin) 3454D Erste Beratung des Entwurfs eines Allgemeinen Eisenbahngesetzes (Nr. 1342 der Drucksachen) 3455B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr . . 3455B Vesper (KPD) 3456C Rademacher (FDP) 3457B Jahn (SPD) 3457B Erste Beratung des Entwurfs eines Bundesbahngesetzes (Nr. 1341 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des vom Deutschen Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbahn (Bundesbahngesetz) (Nr. 1275 der Drucksachen) 3457B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr . . . 3457C Dr. Renner, Innenminister von Württemberg-Hohenzollern 3467B Rümmele (CDU) 3470B Jahn (SPD) 3472D Rademacher (FDP) 3474C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 3476B Pannenbecker (Z) 3478A Loritz (WAV) 3478B Ahrens (DP) 3479C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen (Nr. 1343 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des vom Deutschen Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Güterkraftverkehr (Güterkraftverkehrsgesetz) (Nr. 1344 der Drucksachen) 3480B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr . . . 3480C Rademacher (FDP) 3488B Dr. Renner, Innenminister von Württemberg-Hohenzollern . . 3488B, C Zweite und Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Wiedererhebung der Beförderungssteuer im Möbelfernverkehr und im Werkfernverkehr und zur Änderung von Beförderungssteuersätzen (Nr. 1214 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 1420 der Drucksachen) 3490C Dr. Bertram (Z) (zur Geschäftsordnung) 3490C Antrag der Fraktion der KPD betr. Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes über die Abgeltung der Besatzungsleistungen und Besatzungsschäden (Nr. 1431 der Drucksachen) . . . 3490C Kohl (Stuttgart) (KPD), Antragsteller 3490D Dr. Pfleiderer (FDP) 3491A Walter (DP) - 3491C Antrag der Fraktion der KPD betr. Widerrechtliche Beschlagnahme des Hauses des Parteivorstandes der KPD in Düsseldorf (Nr. 1432 der Drucksachen) 3491D Frau Thiele (KPD), Antragstellerin 3491D Antrag der Fraktion der KPD betr. Geplante Erhöhung der Beitragszahlungen an die Krankenkassen (Nr. 1435 der Drucksachen) 3492B Kohl (Stuttgart) (KPD), Antragsteller 3492B Antrag der Fraktion der KPD betr. Senkung der Tabaksteuer (Nr. 1436 der Drucksachen) 3492D Vesper (KPD), Antragsteller . . . 3492D Nächste Sitzung 3493C Die Sitzung wird um 9 Uhr 49 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    (Minister Reimer)


    (Minister Renner)

    — Ich sage ja: ich bin vorsichtig; ich habe nur gesagt: ich „könnte".
    Wenn der Bundesrat im übrigen daran festhält, daß die aus den Ländern zu entsendenden Vertreter auf Vorschlag der Landesregierungen ernannt werden sollen, und die Auffassung der Bundesregierung, die den Bundesverkehrsminister hinsichtlich des Vorschlagsrechts nur an das Benehmen mit den Landesregierungen binden will, für falsch hält, so hängt dies mit seiner Auffassung von der Verteilung der Gewichte zusammen, auf die ich eingangs hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Bundesbahn und Bund näher eingegangen bin.
    Ich darf noch folgendes hinzufügen. Der Herr Bundesverkehrsminister hat für das gesamte Personal der Eisenbahn Worte hohen Lobes gefunden, das sich unermüdlich und in anerkennenswertester Weise für den Wiederaufbau eingesetzt hat. Ich kann mich diesen Worten von ganzem Herzen anschließen, darf aber doch wohl auch bemerken, daß die Länder zum Wiederaufbau der Eisenbahn auch etwas beigetragen haben. Der Herr Bundesverkehrsminister hat in seinem historischen Überblick darauf hingewiesen, daß sich die Eisenbahnen unter den Ländern außerordentlich gut entwickelt haben. Wenn also die Länder schon in der Jugend der Bahn — wenn ich so sagen darf — tätig waren und sie betreut haben und nach dem Kriege den Patienten mit pflegten, dann ist es eigentlich nur ein menschlich gerechtfertigtes Verlangen, wenn sie durch Vertretung im Verwaltungsrat auch künftig am Schicksal dieses Pfleglings teilhaben wollen.
    Ich komme zum Schluß zu den in Einzelheiten voneinander abweichenden Auffassungen über die Einrichtung des Vorstands. Er soll nach Auffassung des Bundesrats aus einem Generaldirektor, seinem Stellvertreter und den Leitern der Abteilungen der Hauptverwaltung bestehen. Der Vorstand als solcher soll die Verantwortung für die Geschäftsführung der Deutschen Bundesbahn tragen. Die Vorstandsmitglieder vertreten, soweit sie Abteilungsleiter sind, die Belange ihrer Abteilungen nicht als solche, sondern unter dem Gesichtspunkt ihrer Gesamtverantwortung. Nur bei Meinungsverschiedenheiten gibt die Stimme des Generaldirektors den Ausschlag. Ob diese Stellung des Generaldirektors zu der vom Bundesverkehrsminister so genannten monokratischen Spitze führt oder ob sich in der Praxis des Vorstandes ein echtes Kollegialprinzip entwickelt, wird letztlich von den Persönlichkeiten abhängen, die den Vorstand der Deutschen Bundesbahn bilden werden. Im übrigen bitte ich um Entschuldigung, wenn ich darauf hinweise: Bei dem Vorschlag der Bundesregierung ist eigentlich auch eine monokratische Spitze vorhanden, wenn man Einzelweisungen zuläßt; bloß ist diese Spitze noch ein bißchen höher als beim Vorschlag des Bundesrats.
    Mit dieser Konstruktion des Vorstandes glaubt der Bundesrat den Notwendigkeiten entsprechen zu können, die sich aus dem Zusammentreffen jeweils wechselnder Persönlichkeiten im Vorstand ergeben. Die von der Bundesregierung vorgelegte Lösung aber hält der Bundesrat für unzureichend, nicht so sehr deswegen, weil ein Drei-MännerKollegium für die Leitung eines Riesenunternehmens ungeeignet wäre — das will der Bundesrat gar nicht behaupten —, als vielmehr deswegen, weil das Kollegialitätsprinzip nicht folgerichtig durchgeführt ist. Wenn die Verantwortung für die Geschäftsführung der Bundesbahn drei
    3470 Deutscher Bundestag — 93; Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Oktober 1950

    (Minister Renner)

    Männern übertragen wird, dann müssen diese wissen, daß sie aufeinander und auf die Angleichung ihrer etwa gegenteiligen Standpunkte angewiesen sind. Andernfalls wird ihre Einigungsbereitschaft von vornherein entscheidend geschwächt und damit das Kollegialitätsprinzip in sich unwahr. Wenn überdies die Möglichkeit besteht, ihren Stimmen durch eine jederzeit abänderbare, von innen und von außen her beeinflußbare Verwaltungsordnung verschiedenes Gewicht zu verleihen, dann wird die Entscheidung über die Bildung eines so wichtigen Gremiums aus dem Bereich des Gesetzes in den Bereich von Verwaltungsmaßnahmen verlagert. Einer solchen Verlagerung sollte der Gesetzgeber in einem so entscheidenden Punkt seines Gesetzgebungswerkes nicht zustimmen.
    Völlig ausgeschlossen aber erscheint der in der Begründung zum Regierungsentwurf angedeutete Weg, im Konfliktsfalle die Entscheidung aus dem Vorstand hinauszuverlegen. Dies müßte zwangsläufig zu einer Verschleierung der Verantwortung führen. Will der Gesetzgeber einen Konfliktsfall in dieser Richtung lösen, so muß er im Gesetz selber eine Schiedsinstanz schaffen.
    Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß Ihnen zur Neugestaltung der Rechtsverhältnisse der Deutschen Bundesbahn wie auch zu der Frage des Güterkraftverkehrs, auf die wir nachher einzugehen haben werden, gleichzeitig zwei Vorlagen, eine Initiativvorlage des Bundesrates und ein Entwurf der Bundesregierung, vorliegen, ist ungewöhnlich. Ich glaube nicht, daß der sachlich schnellen Erledigung gesetzgeberischer Probleme gedient wäre, wenn sich hieraus eine Übung entwickeln sollte.

    (Sehr richtig! bei der FDP.) Andererseits bin ich der Meinung, daß die Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen gut daran getan hat, mit ihrem Antrag vom 9. Dezember 1949 im Plenum des Bundesrates die Lösung der dringenden Aufgabe, der Deutschen Bundesbahn endlich wieder eine einheitliche gesetzliche Grundlage zu geben, aufzugreifen und voranzutreiben. Angesichts der hervorragenden Bedeutung, die diese Materie für den Verkehr und die Verkehrspolitik der nächsten Jahre haben werden, bin ich auch der Überzeugung, daß die selbständige Durchführung zweier in wichtigen Fragen voneinander abweichender Auffassungen in besonderen Entwürfen die Thematik klarer als sonst erkennen läßt, die Arbeit dieses Hohen Hauses und seiner Ausschüsse erleichtern und die Angelegenheit zu einem guten und hoffentlich baldigen Abschluß bringen wird.


    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich eröffne die
Aussprache. Der Ältestenrat hat für die Aussprache eine Gesamtredezeit von 120 Minuten vorgesehen. — Es erhebt sich kein Widerspruch. Ich stelle Ihre Zustimmung fest.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Rümmele.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Oskar Rümmele


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Herr Bundesverkehrsminister und der Herr Verkehrsminister von Südwürttemberg-Hohenzollern als Vertreter des Bundesrates — selbstverständlich jeweils von ihrem Standpunkt aus — ausführlich auf die Vorlagen eingegangen sind, will ich mich bemühen, meine Redezeit von 25 Minuten nicht auszunützen. Das erfordert dann allerdings, um doch noch die wichtigsten Punkte herauszuarbeiten und zu zeigen, wie meine Fraktion der CDU/CSU zu einigen Dingen Stellung bezogen hat, den sogenannten Telegrammstil.
    Ich darf noch eine Vorbemerkung machen. Ich glaube, wir können heute in diesem Hohen Hause nicht alle Punkte grundsätzlich festlegen - meine Fraktion tut das z. B. nicht —, weil die Sachverständigen der Fraktionen für Verkehrsfragen im Verkehrsausschuß sitzen und dort eine gründliche Beratung vornehmen werden. Bei der Problematik dieser Dinge wird man beide Entwürfe gegeneinander abwägen müssen. Es sind nämlich in beiden Entwürfen, sowohl in dem des Bundesrates als auch in dem des Bundesverkehrsministers, der Bundesregierung, Punkte enthalten, denen man absolut zustimmen kann. Erfreulicherweise enthalten die beiden Entwürfe viele Punkte, in denen sie im Grunde genommen keine großen Unterschiedlichkeiten aufweisen. Mit diesen Punkten werden der Verkehrsausschuß und zum Schluß auch das Plenum des Bundestages natürlich am leichtesten fertig werden.
    Besonders freue ich mich und darf namens der Fraktion die Zustimmung und den Dank der CDU ausdrücken, daß beide Herren Minister dem Personal der Bundeseisenbahn, der Ländereisenbahn und der bizonalen Bahn für die ganz besonders hervorragenden Verkehrs-, Arbeits- und Dienstleistungen sowie für die Pflichttreue Dank gesagt haben. Ich glaube, dem kann sich das ganze Haus anschließen, denn ,es ist tatsächlich eine Feststellung ganz nüchterner Art. Die Bahn hat den größten Trümmerhaufen aufzuweisen gehabt. Kein Mensch, auch wir nicht, hätte angesichts des Trümmerhaufens aus dem Jahre 1945 geglaubt, daß man die Bahn so schnell und so gut wieder aufbauen könnte. Daß dafür auch die Länder ihren Dank verdienen, versteht sich am Rande. Ich selbst bin Süddeutscher und darf darauf hinweisen, daß es für einen Süddeutschen immer sehr nett ist, wenn er hört, daß die südwestdeutschen Eisenbahnen bei der Beurteilung der Verkehrsverhältnisse und der Verkehrsprobleme, auch in finanzieller Hinsicht, ebenso bezüglich der Behandlung der Menschen im Betrieb von maßgebenden Stellen ein besonderes Lob bekommen. Das aber nur nebenbei.
    Die Problematik der beiden Gesetzentwürfe wird sich zeigen in den Fragen Präsidial- oder Kollegialsystem, also in der Leitung, also ob Generaldirektor, stellvertretender Generaldirektor, ihnen beigeordnet Direktoren der Abteilungen, oder das andere System, das man schließlich Kollegialsystem nennen kann. Hier hätten drei Generaldirektoren mit gleichen Rechten die Bundesbahn der Zukunft zu führen. Sie hätten also, sagen wir einmal, die größere Entscheidungsbefugnis und Vollmacht gegenüber dem Verwaltungsrat, auch gegenüber dem Verkehrsminister bezw. gegenüber der Bundesregierung. Ich persönlich habe die Zeit von 1924 bis 1933 an bestimmter Stelle miterlebt und erinnere mich lebhaft an die Tage, als der Herr Generaldirektor Dr. Dorpmüller in Berlin seines Amtes waltete, sein Stellvertreter Dr. Weyrauch war und als der Großindustrielle Herr von Siemens damals der Vorsitzende des Verwaltungsrats der Reichsbahngesellschaft gewesen ist. Eines aber ist in der Begründung des Verkehrsministers bei dieser Sache auch zu beachten. Damals war die Bundesbahn tatsächlich noch ein


    (Rümmele)

    Monopolbetrieb — Reichsbahn geheißen —; eine Konkurrenz, die wir heute zwischen Schiene und Straße kennen, gab es ja damals schon aus rein technischen Gründen fast überhaupt nicht. Ferner: Zerstörungen größerer Art waren damals nicht gegeben. Die Bahn war intakt von Ost nach West, von Nord nach Süd, sie hatte lediglich eine einmalige Blutabgabe des Lokomotiv- und Wagenparks; allerdings haben auch die Dawes- und später Youngplanbelastungen, die beachtlich waren, der Reichsbahn Fesseln auferlegt.
    Es kommt aber noch dazu: Man muß bei der Frage, ob daß eine oder das andere System in der Leitung richtig ist, schließlich auch davon ausgehen, ob man ,die Menschen hat, die so überragend sind, daß sie einen solchen Posten ausfüllen könnten. Es wird von vielen Kollegen im Verkehrsausschuß, bestimmt aber auch in diesem Parlament gefragt werden: Wo ist der überragende Verkehrs- und Verwaltungsfachmann mit den charakterlichen und sozialen Eigenschaften, der diesem Unternehmen als Generaldirektor, als erster Mann an der Spitze, vorsteht? Haben wir den Mann, haben wir den passenden Stellvertreter? Wenn ja, dann ist die Frage selbstverständlich leichter zu beantworten.
    Auf der andern Seite ist es auch nicht umstritten, daß der Bundesbahn der Zukunft natürlicherweise ganz besonders große Aufgaben gegeben sind; z. B. im Betrieb, im Verkehrs-, Werkstätten-, Bau-, Finanz-, Rechtswesen und nicht zu vergessen in der Sozial-, Arbeiter-, Beamten- und in der Wirtschaftspolitik. Ist es da nicht unter Umständen besser, daß sich drei Männer in diese Verantwortung teilen und einer der primus inter pares, also
    der Erste unter Gleichen ist. Er müßte allerdings auch so halbwegs Generaldirektorcharakter an der ersten Stelle haben. Denn er dürfte nicht überstimmt werden. Würde er überstimmt, dann ist unter Umständen auch der Konflikt gegeben. Konfliktsmöglichkeiten liegen ja schon in den Problemen. Ich glaube, das bedarf ernster Prüfung. Wir werden im Verkehrsausschuß, auch in diesem Hohen Hause ja vergleichen und abwägen können. Dabei werden wir von vornherein auf zwei weitere Fragen stoßen: Befugnisse des Verwaltungsrates, Katalog der Dinge, die er zur Beschlußfassung hat, aber auch Regelung ,der Befugnisse des Herrn Bundesverkehrsministers und der Regierung.
    Ich darf zuvor noch eine Bemerkung zur Leitung des Unternehmens machen. Wir haben auch in der Privatindustrie in vielen Unternehmen, die einige tausend oder zehntausend Menschen beschäftigen, Dreiteilung. In dieser Dreiteilung aber haben wir auch etwas Soziales, das wir sehen und das wir auch fordern müssen. Es ist in der Regel so, daß erstens ein kaufmännischer Direktor, zweitens ein technischer und drittens der sogenannte Sozialdirektor vorhanden sind. So hat es sich vor allem in Rheinland-Westfalen in der Schwer-, Montan- und Kohleindustrie eingebürgert. Im größten Betriebe in Deutschland und in der Welt — es gibt keinen größeren Betrieb als die Bundesbahn, weil sie in sich geschlossen dasteht — sollten diese an sich guten Gewohnheiten beispielgebend sein. Ich hielte es für durchaus richtig, vertretbar und sogar notwendig, wenn wir für die Bundesbahn zu einem Dreimänner-System kommen sollten, die Aufgaben aufzuteilen auf einen Betriebsfachmann, der sich mit dem Verkehrs-, Bau- und Werkstättenwesen zu befassen hätte, auf einen Finanzfachmann, der auch das Rechtswesen zu bearbeiten hätte, und auf einen Fachmann für Soziales, das Personalwesen sowie Wirtschaftsfragen und was dazu gehört.
    Zum Verwaltungsrat. Bezüglich des Verwaltungsrates haben die beiden Gesetzentwürfe auch etwas Einheitliches, und zwar die Zahl von 29 Mitgliedern. Ferner die Zahl der 12 Ländervertreter. Das sind die darin enthaltenen einheitlichen Festlegungen, die durch die Frage, wer diese Verwaltungsratsmitglieder stellt, nicht wesentlich berührt werden. Das sind nur kleine Unterschiedlichkeiten.
    Ein Schönheitsfehler ist im Gesetzentwurf des Bundesrates, der auch sachlich nicht tragbar ist; denn neben den 12 Ländervertretern sind vorgesehen 6 Vertreter der Wirtschaft, 2 Vertreter der Landwirtschaft, 3 Vertreter der Verkehrswissenschaft, 3 Vertreter der Finanzwissenschaft und nur 5 Vertreter des Personals oder der Gewerkschaften. Wenn wir im Zeitalter des Ringens um die Mitbestimmung schon das Angebot der Unternehmerverbände selber haben, daß ein Drittel der Mitglieder der Aufsichts- oder Verwaltungsräte — oder wie man sie nennen mag — dem Personal zugehören sollen, dann finde ich hier eigentlich in der Entwicklung nicht den richtigen Sinn. Wir müssen doch mindestens in dem Betrieb, der dem Staat gehört — auch wenn er nicht reiner Staatsbetrieb ist, sondern eine neue kaufmännische Form erhalten soll, der aber immerhin Besitz des Staates ist —, dem Personal oder den Gewerkschaften nicht weniger Einfluß im wichtigsten Organ geben, als das die Privatindustrie schon tut. Wenn man von 29 Verwaltungsratsmitgliedern ausgeht, dann hat man schon eine so hohe Zahl, daß man, wenn man sie noch erhöhen würde, zu einem Gremium käme, das vielleicht die Arbeitsfähigkeit verlöre. Meiner Fraktion erscheint es deshalb richtig, den alten Gedanken, der zuerst im Bundesratsentwurf des Landes Nordrhein-Westfalen enthalten war, nämlich die Zahl von 18 Verwaltungsratsmitgliedern wieder aufzunehmen, mindestens ernsthaft zu prüfen und zu überlegen. Auch die dortige Dreiteilung: 6 vom Bundesrat, 6 vom Bundestag und 6 aus der Wirtschaft zu nehmen, erscheint jedenfalls der Nachprüfung wert. Ich gehe auch davon aus, daß man den Ländern, und zwar allen zwölf, eine Vertretung geben muß; denn sie haben, ich möchte sagen, durch die Betreuung der Bahnen ein historisches Recht. Auch sind die Gegebenheiten der Länder unterschiedlich. Sie sollten deshalb durchaus vertreten sein. Man könnte das Problem des Verwaltungsrats mit 18 Köpfen auch so lösen, daß innerhalb dieser 18-köpfigen Vertretung eben zwölf Vertreter aus den einzelnen Teilen Deutschlands sein müssen. Das ist schwieriger als bei dem jetzigen System, es ist aber nicht undurchführbar. Man könnte beides tun und könnte einen kleineren Verwaltungsrat bestellen, der arbeitsfähiger, beweglicher, schneller und aktiver wäre.
    Die beiden Gesetzentwürfe enthalten in einem Punkt eine große Meinungsverschiedenheit, nämlich darin: wieviel Zuständigkeit soll der Bundesverkehrsminister haben? Hat er ein allgemeines Weisungsrecht oder eine Einzelanweisungsbefugnis? Und wieviel Beschlußrechte sollen dem Verwaltungsrat vorbehalten bleiben? Das ist die große Meinungsverschiedenheit, und da kann ich mir denken, daß wir Punkt für Punkt durchsehen und vergleichen müssen. Es ist sehr wohl denkbar, daß wir den Entwurf der Bundesregierung im Sinne größerer Befugnisse des Verwaltungsrats erweitern, ohne daß wir den der Regierung zustehenden Einfluß so schmälern, daß es untragbar ist. Denn der Verkehrsminister ist eben der Minister für
    3472 Deutschei Bundestag — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Oktober 1950

    (Rümmele)

    alle Verkehrszweige und hat die Verantwortung vor diesem Hohen Hause und der Regierung zu tragen. Wie der Verkehrsminister heißt, wer ihn stellt, ist dabei nicht das Entscheidende. Minister kommen und gehen, aber auch Verwaltungsratsmitglieder kommen und gehen unter Umständen.
    Wir können also nur rein sachlich das herausstellen: die Regierung muß den ihr zustehenden Einfluß behalten; denn die Deutsche Bundesbahn darf kein Betrieb werden, der nur kaufmännisch geleitet und verwaltet wird. Amerika ist nicht Deutschland. Wenn die amerikanischen privaten Eisenbahngesellschaften nicht mehr durchkommen, dann prüfen sie, ob Nebenstrecken noch rentabel sind. Sind die Nebenstrecken nicht rentabel, dann legt man sie still und befährt sie einfach nicht. Die Bahnen in Deutschland sind historisch anders gewachsen. Unsere Bahnen sind doch praktisch für die Wirtschaft und zur Erschließung aller Gegenden erbaut worden. Sie befruchten die Wirtschaft, sie regen an; sie können einer Wirtschaft aber auch schaden. Stellen Sie sich bitte einmal vor, das deutsche Volk würde als Folge einer rein wirtschaftlich-kaufmännischen Denkform erleben müssen, daß eine Nebenbahn eingestellt würde, weil sie Zuschußbetrieb ist — und es gibt eine ganze Menge derartiger Strecken —, dann möchte ich einmal den Sturm sehen, der auch über die Abgeordneten dieses Hauses losginge, die so etwas ermöglichten.
    Das wollen beide Entwürfe nicht. Auch wir wollen es nicht. Damit die Dinge im Lot bleiben und damit auch die sozialen Möglichkeiten in der Frage der Tarifgestaltung bei den Wochenkarten, bei den verbilligten Tarifen für Schüler, für Angestellte, für Kranke, Arme, Flüchtlinge und für viele andere Gruppen erhalten bleiben, müssen wir doch
    den Einfluß der Regierung haben, ohne daß den kaufmännischen Erfordernissen Abbruch getan wird.
    Man wird dabei im Sinne der Gutachten durchaus daran denken können, Verwaltungsvereinfachung in größerem Ausmaß durchzuführen. Es ist nicht notwendig, daß man einen Betrieb, auch wenn er so groß wie die Bundesbahn ist, mit zuviel Bürokratie belastet. Es ist auch nicht notwendig, daß man zuviel Statistik treibt. Es ist notwendig, daß ein solcher Betrieb immer unter einem gewissen Druck steht, um die besten fachlichen und sachlichen Leistungen herauszuholen. Es sind Gelder nötig, um die Bundesbahn auszubauen, zu elektrifizieren, die Schnelligkeit zu erhöhen, für größte Betriebssicherheit, für Sauberkeit und andere Dinge zu sorgen.
    Wir dürfen bei dieser Gelegenheit dankbar anerkennen, daß die Deutsche Bundesbahn das sicherste Beförderungmittel der Welt ist. Wenn man die Unfallzahlen im Autoverkehr, aber auch im Seeverkehr — vom Luftverkehr gar nicht zu reden — ansieht, muß man schon sagen: wer auf der Bahn fährt, fährt so sicher, wie nur irgendwie denkbar. Wenn irgendwie etwas passiert, dann ist das tatsächlich eine so seltene Ausnahme, daß sie kaum ins Gewicht fällt.
    Ich will auf viele andere wichtige Fragen mit Rücksicht auf gewisse Ermüdungserscheinungen in diesem Hohen Hause nicht eingehen und zu der ausführlichen Begründungen der Herren Minister zu den beiden Gesetzentwürfen nur sagen, daß wir beiden Stellen nur dankbar sein können. Die Dinge sind jetzt im Werden. Die Bundesbahn muß auch bald auf den Füßen stehen. Das Bundesbahngesetz muß bald im Ausschuß bearbeitet und im Plenum verabschiedet werden. Seit Bestehen des Bundes ist immerhin eine Zeit von fünf Vierteljahren vergangen. Wir müssen jetzt klare Verhältnisse haben. In allen zu prüfenden Fragen werden sich die Fraktion der CDU/CSU und ihre Mitarbeiter davon leiten lassen, daß auch der Verkehr keine in sich geschlossene Sache ist, sondern nur ein Stück der deutschen Volkswirtschaft, und daß der Verkehr nicht sich selber, sondern dem deutschen Volke dient.
    Ich habe zum Schluß noch einen Wunsch. Wenn man dem Eisenbahnpersonal, den Beamten, Angestellten und Arbeitern den Dank ausspricht und wenn ich mich namens meiner Fraktion dem Dank angeschlossen habe, so ist das ein schönes Bekenntnis. Wir würden wünschen, daß zu diesem schönen Bekenntnis von seiten der Bundesbahnverwaltung dadurch noch mehr Erkenntlichkeit gezeigt werden könnte, daß man den Forderungen, die jetzt von dem Personal auch bezüglich der Erhöhungen der Bezüge erhoben worden sind, möglichst bald Rechnung trägt. Wie ich höre, sind gewisse Vorarbeiten im Gange und gewisse Möglichkeiten zugesagt. Unsererseits soll alles geschehen, um fruchtbar mitzuarbeiten. Wir wollen hoffen, daß wir zusammen eine Lösung finden, die nicht nur uns in diesem Hause, sondern auch das ganze deutsche Volk befriedigt und eine wirtschaftliche Entwicklung im Verkehr herbeiführt, die nicht eine Schmutzkonkurrenz bewirkt, sondern einen edlen Leistungswettbewerb zwischen den Verkehrsträgern ermöglicht.

    (Beifall bei der CDU.)