Rede von
Dr.
Hans-Christoph
Seebohm
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz über die Deutsche Bundesbahn, das ich im Namen der Bundesregierung einzubringen habe, ist eines der wichtigen Organisationsgesetze, die in Verfolg des Grundgesetzes zu erlassen sind. Es liegt hier insofern eine Besonderheit vor, als dem Hohen Hause gleichzeitig auch ein Entwurf des Bundesrats unterbreitet wird. Dieser Entwurf des Bundesrats, der parallel zu den Arbeiten der Bundesregierung geschaffen wurde, wird nun gemeinsam mit dem Entwurf der Bundesregierung in den Ausschüssen zu behandeln sein. Ich habe zunächst die Aufgabe, Ihnen in einer etwas ausführlicheren Darlegung die Einzelheiten des Bundesregierungsgesetzentwurfes zu unterbreiten und darf mich dabei auch auf die Ausführungen beziehen, die ich soeben im Hinblick auf das Allgemeine Eisenbahngesetz gemacht habe.
Das Bundesbahngesetz, das Ihnen jetzt vorliegt und mit einer allgemeinen und einer speziellen Begründung von uns versehen worden ist, um den Mitgliedern des Hohen Hauses ein wirklich eingehendes Vertiefen in die Besonderheiten der Materie zu ermöglichen, dient in erster Linie der Einordnung der staatlichen Eisenbahnen der Bundesrepublik Deutschland in die staatlichen Beziehungen unter dem Namen „Deutsche Bundesbahn". Es will in seinen wichtigsten Teilen das Verhältnis zwischen der Deutschen Bundesbahn, der Bundesregierung und den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes rechtlich regeln, die Einrichtungen und den Aufbau der obersten Organe der Deutschen Bundesbahn ordnen und ihnen ihre Aufgaben zuweisen.
Die Auseinandersetzungen um die Rechtsgrundlage und den organisatorischen Aufbau der deutschen Eisenbahnen reichen bis weit in das vorige Jahrhundert zurück. Sie alle wissen, daß wir in der Frühzeit des Eisenbahnwesens einen erheblichen Einsatz privater Initiative erlebt haben und daß die staatlichen Organe sich zunächst nicht der Aufgabe angenommen haben, das Eisenbahnwesen in ihre Hand zu nehmen.
In der Zwischenzeit haben sich die Verhältnisse allerdings anders entwickelt. Wer heute von der Eisenbahn spricht, der denkt grundsätzlich in erster Linie an jene großen Unternehmungen, die sich in staatlicher Hand befinden und die sowohl als Auftraggeber wie auch umgekehrt - wenn man den Verkehr wirtschaftlich betrachtet — als Auftragnehmer zu den größten Unternehmungen in jedem einzelnen Lande gehören. Bei uns im Gebiet der Bundesrepublik beschäftigt die Deutsche Bundesbahn in ihren beiden Untergliederungen über eine halbe Million Arbeitnehmer, die mit ihren Familien in dem Unternehmen ihre Existenzgrundlage finden. Wir müssen feststellen, daß dieses Unternehmen sowohl bezüglich seines Anlagevermögens wie auch hinsichtlich seines Jahresumsatzes — wir haben ein Anlagevermögen von auch heute noch über zehn Milliarden DMark und einen Jahresumsatz von über drei Milliarden DMark — und hinsichtlich der Zahl der beschäftigten Personen an der Spitze der deutschen Unternehmungen steht.
Ich möchte zu Anfang nur ein kurzes Wort zu einem Problem sagen, das in der Öffentlichkeit leider von Zeit zu Zeit eine Rolle spielt, nämlich zu der Frage, ob das Zeitalter der Eisenbahn nicht schon überlebt sei. Diese Frage ist nach jeder Richtung hin zu verneinen. Die Eisenbahn stellt auch heute noch den wichtigsten der vier Verkehrsträger — Schiffahrt, Straßenverkehr, Schienenverkehr und Luftverkehr — dar. Es ist keine Volkswirtschaft ohne Eisenbahn denkbar, die mit einer arbeitsteiligen Industrie und Landwirtschaft entscheidend in die Produktion von Gütern eingeschaltet ist. Wir können uns wohl vorstellen, daß andere Verkehrsträger vorübergehend oder ganz ausfallen; es ist aber undenkbar, auf die Eisenbahn zu verzichten.
Hierzu noch ein weiteres Wort zum Beginn. Die Eisenbahnen in ihrer Gesamtheit und insbesondere die Deutsche Bundesbahn haben das Ende ihrer technischen Entwicklung noch lange nicht erreicht. Bei diesem Verkehrsträger sind noch unerhörte Möglichkeiten der Weiterentwicklung enthalten, vor allem dadurch, weil die Eisenbahn, weil die Schiene der einzige unter den Verkehrsträgern ist, der sich eine Antriebskraft zunutze zu machen vermag. die auf unsere gesamte technische und industrielle Entwicklung den größten Einfluß gehabt hat und weiter haben wird und die keinem der anderen Verkehrsträger zur Verfügung steht: das ist die Elektrizität. Dadurch hebt sich die Eisenbahn. rein technisch gesehen, aus allen anderen Verkehrsträgern bereits beachtlich heraus, und sie hat hier Entwicklungsmöglichkeiten, die noch in keiner Weise abzusehen sind. Aber auch die Motorisierung ist für die Eisenbahn noch in keiner Weise ausgeschöpft.
Die Eisenbahn ist ein Kind des Dampfzeitalters, der Dampfmaschine. Sie hat sich diesen ganzen Problemen, die mit Elektrizität und Motorisierung zusammenhängen, natürlich verhältnismäßig spät zugewendet und auch nicht mit der Intensität, die man sonst bei technischen Neuerungen vielleicht erwarten kann. Sie konnte deswegen nicht anders handeln, weil ihr Apparat außerordentlich kapitalintensiv ist und weil die sehr hohen in den Anlagen investierten Kapitalien nicht ohne weiteres ein Umschalten auf eine neue Antriebskraft ermöglichten. Hinzu kommt — auch das muß betont werden —, daß die typische Maschine der Eisenbahn, die Dampflokomotive, in ihrer Entwicklung zwar außerordentlich gefördert worden, aber bei weitem technisch noch nicht vollkommen ist. Auch hier zeichnen sich noch technische Möglichkeiten ab, die uns die Chance geben, in technischer und damit auch in wirtschaftlicher Beziehung weiter voranzukommen.
Die Frage also, ob das Eisenbahnzeitalter bereits hinter uns liegt, ist rundweg zu verneinen, insbesondere deshalb zu verneinen, weil wir noch nicht aus dem Zeitalter der Massengutbeförderung herausgekommen sind und insbesondere für die Beförderung von Massengütern auf die Eisenbahnen nicht werden verzichten können. Denn die Beförderung von Massengütern wird neben der Eisenbahn nur von der Schiffahrt — ihrem eigentlichen Charakter entsprechend — ausgeübt, und diese ist bekanntlich an die Wasserwege gebunden, so daß auf diesem Gebiet des Verkehrs die Eisenbahn zusammen mit der Schiffahrt nach wie vor entscheidende Bedeutung behalten wird.
Aus diesen Notwendigkeiten haben wir — das ist ganz klar - abzuleiten, daß die Deutsche Bundesbahn in ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung erhalten bleiben muß. Wir haben also den Gedanken, daß die Deutsche Bundesbahn als ein wesentlicher Faktor unseres gesamten Wirtschaftslebens anerkannt werden muß, nicht nur auszusprechen; vielmehr haben wir dieser Erkenntnis auch Taten folgen zu lassen.
Die Weiterentwicklung der Technik bei der Eisenbahn ist an die Hergabe der erforderlichen Mittel gebunden. Dies wiederum ist an den Willen der gesamten Volkswirtschaft, natürlich auch an den Willen der Volksvertretung gebunden, damit diese Mittel zur Verfügung gestellt werden. Die Erfüllung dieser Notwendigkeit ist um so stärker gegeben, als sich in der Gesamtentwicklung der fast 130 Jahre dauernden Eisenbahnzeit der Gedanke des gemeinwirtschaftlichen Charakters des Eisenbahnwesens immer mehr und mehr durchgesetzt hat. Wer heute glaubt, dieser gemeinwirtschaftliche Charakter des Eisenbahnwesens könne abgelegt und überwunden werden, ist nach meiner Auffassung in die besonderen Probleme der Eisenbahn und ihrer Verflechtung mit der allgemeinen Wirtschaft nicht eingedrungen. Aber diese gemeinwirtschaftliche Aufgabe der Eisenbahn kann natürlich nur dann erfüllt werden, wenn sie von der Wirtschaft bejaht wird, wenn die Wirtschaft dementsprechend auch bereit ist, diesen Notwendigkeiten von sich aus Rechnung zu tragen, wenn die Wirtschaft also die Eisenbahn nicht als melkende Kuh, sondern als einen wertvollen Bestandteil des gesamten Wirtschaftslebens anerkennt, der nicht ausgenützt, sondern pfleglichst behandelt werden muß, und wenn in gleicher Weise das gesamte Volk die Auffassung vertritt, daß ohne die Eisenbahn eine wirklich gesunde weitere wirtschaftliche Entwicklung nicht möglich ist, und ferner, daß die Eisenbahn, je höher sie technisch entwickelt wird, auch um so wirtschaftlicher ihren Betrieb und damit eine wesentliche Grundlage der gesamten Volkswirtschaft entwickeln kann.
Um diese Verhältnisse noch einmal richtig zu beleuchten, müssen wir doch noch einen Blick in die Vergangenheit werfen. Wenn wir uns jetzt in diesem Hohen Hause mit einem grundlegenden Gesetz für die Deutsche Bundesbahn befassen, dann dürfen wir nicht vergessen, jener Männer zu gedenken, denen wir in Deutschland zu Beginn der Entwicklung der Eisenbahn Entscheidendes zu verdanken haben. Es ist notwendig und richtig, daß immer wieder der Name Friedrich List erwähnt wird, des Mannes, der mit seinem ganzen Streben, auch mit der Gründung des Deutschen Zollvereins, wirklich der Wegbereiter und Vater der deutschen Eisenbahn ist. Aber neben Friedrich List haben sich auch andere deutsche Männer für die Vorbereitung der Eisenbahn eingesetzt, so in Bayern der Oberstbergrat Josef von Baader, in Kurhessen der Bergrat Henschel, in Westfalen Friedrich Harkort, von der Heydt, von Amsferg, von Motz, Johannes Scharrer u. a. König Ludwig I. von Bayern ist es gewesen, der durch sein Dekret vom 19. Februar 1834, durch das er der NürnbergFürther Eisenbahngesellschaft das Privilegium zum Bau der ersten Bahn in Deutschland verlieh, die entscheidende erste Funktion des Staates auf dem Eisenbahngebiet ausgeübt hat. Diese erste deutsche Eisenbahnlinie ist am 7. Dezember 1835 eröffnet worden. Kurz darauf folgte die Eröffnung der Eisenbahnlinie von Leipzig nach Dresden. Dann entwickelte sich ein rascher Aufstieg, der unter dem Einfluß von von der Heydt bereits im Jahre 1850 durch die Gründung der
Eisenbahndirektion in Elberfeld, deren 100jähriges Bestehen wir gestern begangen haben, zu der Einflußnahme des preußischen Staates auf die Privateisenbahngesellschaften führte.
Auf der Gesetzgebungsseite blieben die Verhältnisse noch schwierig. Die Privatinitiative entwickelte sich weiter, ohne daß der Staat in anderer Form als durch Beteiligungen an den einzelnen Eisenbahngesellschaften eingriff. Es erwies sich aber in der Folge als dringend notwendig, die ungeheuer großen Kapitalien zum Ausbau des Eisenbahnsystems von Staats wegen aufzubringen, um vor allen Dingen einer überflüssigen und schädlichen Konkurrenz zwischen den einzelnen Gesellschaften zu begegnen.
Die Verhältnisse, die sich während des Krieges von 1870 ergaben, und die nachfolgende Gründung des Deutschen Reiches haben das Bedürfnis erwachsen lassen, daß sich der Staat mit den Fragen der Eisenbahn beschäftigen solle. Dieses Bedürfnis war um so stärker, als damals die Eisenbahnen das absolute Verkehrsmonopol besaßen. Deswegen ist auch in der Reichsverfassung von 871 das Eisenbahnwesen der Aufsicht und Gesetzebung des Reiches unterstellt worden. Bismarck hat damals versucht, ein Reichseisenbahngesetz zu schaffen. Aber dieses Reichseisenbahngesetz wurde leider abgelehnt. Gleichzeitig traten infolge der sogenannten Gründerkrise erhebliche Schwierigkeiten finanzieller Art bei den Eisenbahngesellschaften auf, durch die eine ganze Reihe unter ihnen dem Konkurs entgegengetrieben wurden. Strausberg, der Name des Mannes, der sehr viel für die Entwicklung des Eisenbahnwesens getan hat, aber hier in dem Strudel einer wirtschaftlichen Krise versank, ist für diese Zeit symptomatisch.
Diese Krise hat die Veranlassung gegeben, daß der Staat eingreifen mußte und die Eisenbahnen --- mindestens zu einem sehr erheblichen Prozentsatz — verstaatlichte. Diese Entwicklung ist in Deutschland früher als in den Nachbarländern vor sich gegangen. In Frankreich, Österreich-Ungarn, in der Schweiz und in anderen Ländern hat die Verstaatlichung wesentlich länger auf sich warten lassen. Aber es zeigt sich schon hier, daß jeder Krieg in seinen Auswirkungen auf die wirtschafthe Lage der Eisenbahn in Deutschland verhee-
und gewesen ist. Während man im Jahre 1873 die damals privaten Eisenbahnen durch die Verstaatlichung auffing und nunmehr auf der Ebene der Länder Staatseisenbahnen schuf, die sich dank der Initiative der Länderregierungen, dank der Bereitschaft der gesetzgebenden Körperschaften zur Geldhergabe, dank der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung und auch dank des ständigen Eingreifens und der ständigen Anregung durch zahlreiche bedeutende Männer der Wirtschaft sehr gut entwickelt haben — —
— Verzeihung, ich bin erst im Jahre 1873; damals haben wir von Marshallplanhilfe noch nichts gehört. Wenn Sie nachher Ihren Zwischenruf anbringen wollen, dann bin ich Ihnen sehr dankbar. Bisher hat die Bundesbahn jedenfalls keine Marshallplanhilfe bekommen. Das bedauere ich am meisten.
— Nein! Wenn Sie das nicht wissen, muß ich es Ihnen leider sagen.
Jedenfalls ist die Lage so gewesen, daß sich diese staatlichen Landeseisenbahnen außerordentlich gut entwickelten und durch ihre technische Ausgestaltung auch die Voraussetzungen dazu schufen, daß die großen Anspannungen, denen das Eisenbahnwesen zur Zeit des ersten Weltkrieges unterworfen wurde, von den im Rahmen der Eisenbahnen tätigen, ausgezeichnet ausgebildeten und einsatzbereiten Menschen bei dem vorhandenen guten Material glatt bewältigt werden konnten. Aber damals hat sich während des Krieges gezeigt, daß der Verkehr, der die Ländergrenzen überschreitet und weite Gebiete einheitlich gestaltet, seine besonderen Schwierigkeiten durch die Begrenzung der verschiedenen Eisenbahnverwaltungen auf die Länder hatte.
Im Jahre 1917 wurde von einem württembergischen Abgeordneten im Reichstag der Antrag auf Vereinheitlichung der deutschen Eisenbahnen eingebracht, und in dem sogenannten Heidelberger Programm wurde der erste umfassende Plan seit der Bismarckschen Zeit für ein einheitliches Reichseisenbahnwesen geschaffen. Die Deutsche Nationalversammlung von Weimar hat dann 1919 die Vereinheitlichung des Verkehrswesens, insbesondere der Eisenbahnen, in der Hand des Reiches beschlossen. Im Art. 89 der Weimarer Verfassung wurde mit Zustimmung aller Länder, einschließlich Bayerns, mit Staatsbahnbesitz bestimmt, daß alle dem allgemeinen Verkehr dienenden Eisenbahnen in das Eigentum des Reiches übergehen sollten und als einheitliche Verkehrsanstalt verwaltet werden sollten. Dieser Zeitpunkt der Vereinheitlichung war in Art. 171 der Reichsverfassung auf den 1. April 1921 festgesetzt. Aber das inzwischen gegründete Reichsverkehrsministerium unter seinem Minister Dr. Bell, der dem Zentrum angehörte, hat es durchgesetzt, daß diese Vereinheitlichung bereits ein Jahr früher, am 1. April 1920, durchgeführt wurde.
Die neu entstandenen Reichseisenbahnen haben damals eine schwere Erbschaft angetreten. Auch damals waren wiederum die Folgen des Krieges außerordentlich, und es ergaben sich, verbunden mit der Inflation, hohe Defizitzahlen, die im Jahre 1920/21, als die Inflation ja noch nicht so weit fortgeschritten war, viele Milliarden erreichten. Art. 92 der Reichsverfassung hatte damals bestimmt, daß die Eisenbahn ungeachtet der Eingliederung ihres Haushaltes und ihrer Rechnung in den allgemeinen Haushalt und die allgemeine Rechnung des Reiches als selbständiges wirtschaftliches Unternehmen zu verwalten sei und daß ihre Ausgaben einschließlich Verzinsung und Tilgung der Eisenbahnschulden von ihr selbst bestritten werden müßten. Man versuchte, durch ein Reichsbahnfinanzgesetz die schwierigen Finanzprobleme zu lösen. Schon damals stieß man auf die Frage, wieweit die Selbständigkeit der Eisenbahnen in ihrem Zusammenhang mit dem Staate gestaltet werden sollte. Man hat zur Sanierung der Reichsfinanzen dann am 15. November 1923, dem Tag der Währungsstabilisierung, beschlossen, die Eisenbahnen aus dem allgemeinen Haushalt des Reiches herauszunehmen. Damit fielen alle bisherigen Reichszuschüsse weg, und es begann für die Eisenbahn eine neue Phase der Entwicklung. Denn während bisher ständig — trotz erheblich hoher Einnahmen, die der Staat von der Eisenbahn hatte —, die Kapitalmöglichkeiten des Staates der Bahn zu ihrem weiteren Ausbau zur Verfügung standen, hörte das nun auf.
Um der Eisenbahn die Möglichkeit zu geben, ihren Kapitalbedarf durch Kredite selbständig zu sichern, wurde eine neue rechtliche Form geschaffen, und zwar durch die Verordnung über
die Schaffung eines Unternehmens „Deutsche Reichsbahn" vom 12. Februar 1924. Diese Verordnung und das durch sie geschaffene Unternehmen haben nur sehr kurze Zeit bestanden. Denn in Verfolg der Einwirkungen des Dawesplanes und der deutschen Reparationsschulden wurde durch ein besonderes Reichsbahngesetz vom 30. August 1924 mit Wirkung vom 11. Oktober 1924 eine neue Rechtsform geschaffen: Die eigentliche Zeit der deutschen Reichsbahngesellschaft begann.
Diese Reichsbahngesellschaft war völlig autonom. Sie war eine reine Betriebsgesellschaft. Der Betrieb der Reichseisenbahnen wurde für 40 Jahre dieser Gesellschaft mit eigener juristischer Persönlichkeit übertragen, die einer Aktiengesellschaft ähnlich gebildet war und nach rein privatwirtschaftlichen, kaufmännischen Gesichtspunkten geführt wurde.
Dabei ist nun auf eine Besonderheit hinzuweisen, die auch für die Zukunft immer wieder eine Rolle gespielt hat, nämlich darauf, daß die Organe dieser Deutschen Reichsbahngesellschaft unter dem Einfluß der ausländischen Kräfte, die bei der Bildung dieses Gesetzes und der Gesellschaft maßgebend beteiligt waren, rein nach ausländischen Methoden gestaltet wurden. Im Sinne der in England und Amerika, aber auch in gewissen europäischen Ländern üblichen Art wurde der Verwaltungsrat, der Board of directors angelsächsischer Übung, zum entscheidenden und leitenden Organ bestimmt, während der sogenannte Generaldirektor der Eisenbahn, später auch vielfach Präsident geheißen, nichts anderes war als ein ausführendes Organ dieses Verwaltungsrats. Er war praktisch nichts anderes als das, was man im angelsächsischen Sprachgebrauch einen Manager nennt, also ein Mann, der, sehr stark beschrankt in seinen persönlichen Entscheidungen, eigentlich nur ausführendes Organ dieses Board of directors war, das sich aus einer Anzahl von deutschen Fachleuten und einer nicht unwesentlichen Anzahl von Fachleuten der Reparationsgläubigerländer zusammensetzte. Das Kapital der Gesellschaft bestand aus 2 Milliarden Vorzugsaktien und 13 Milliarden Stammaktien. Für 11 Milliarden mußten Rep arations-Schuldv erschreibungen ausgegeben werden, für die das Unternehmen als Pfand haftete. Man hat damals die Anlagewerte mit 26 Milliarden Goldmark angenommen, während wir heute von etwas über 10 Milliarden DM sprechen.
Zur Wahrung der Rechte aus den Schuldverschreibungen wurde ein ausländischer Eisenbahnkommissar eingesetzt, der dazu noch die Möglichkeit hatte, in den Betrieb einzugreifen. Erst im Jahre 1930, durch das Reichsbahngesetz vom 13. März, konnte, nachdem der Dawesplan durch den Youngplan ersetzt worden war, die deutsche Eisenbahn eine neue Formung erhalten. Der unmittelbare ausländische Einfluß hörte zwar im wesentlichen auf, aber die Reichsbahnverfassung blieb weiterhin international gebunden. An Stelle der Verpfändung trat eine jährliche Schuld, die aus den Einnahmen zu decken war, in Höhe von 660 Millionen RM. Eine außerordentlich hohe Summe! Diese Summe ist auf Reparationskonto gezahlt worden, bis die Reparationsleistungen durch das Lausanner Abkommen von 1932 eingestellt wurden. Sie wurde dann vom Staat weiterhin für seine Zwecke in gleicher Höhe in Anspruch genommen.
Trotzdem befand sich die Bahn, da in dieser Zeit bis Mitte der dreißiger Jahre noch wirklich von einem Monopol der Eisenbahn gesprochen werden konnte, in einer finanziell gesunden Lage. Erst vom Jahre 1930 an haben sich die anderen, die im Zeitalter des Verbrennungsmotors entstandenen modernen Verkehrsmittel, nämlich das Auto und das Flugzeug, zu wirklichen Konkurrenten der Eisenbahn insbesondere auf dem Gebiet der Personenbeförderung und auf dem Gebiet der Beförderung hochwertiger Güter entwickelt. Die Eisenbahn war also zu dieser Zeit so gesund, daß sie vom Staat in außerordentlich starkem Maße zur Erfüllung von anderen Aufgaben in Anspruch genommen werden konnte. Sie erinnern sich ja, in welchem Umfang man die Reichsbahn damals veranlaßt hat, Mittel zur Verfügung zu stellen, um den Bau der Autobahn und die Erfüllung ähnlicher Aufgaben zu ermöglichen. Man hat aber dabei übersehen, daß durch diesen Entzug der Mittel die Bahn in ihrer Substanz in starkem Maße ausgehöhlt wurde. Es wurde ihr damals schon die Möglichkeit genommen, ihre technische Entwicklung in dem Umfange weiter voranzutreiben und fortzusetzen, wie es notwendig gewesen wäre, um insbesondere der aufkommenden Konkurrenz ent gegenzutreten. Die Bahn wurde außerdem in ihre technischen Entwicklung unter Voraussetzungen gestellt, die weder verkehrspolitisch noch eisenbahnpolitisch richtig waren. Die Entwicklung zu jenen langen Güterzügen, die dazu führte, daß schwerere Lokomotiven gebaut werden mußten, daß der Oberbau und die Brücken verstärkt und daß die Verschiebebahnhöfe verlängert werden mußten, ergab sich nicht aus verkehrswirtschaftlichen Gründen — denn wir befinden uns ja nicht in Amerika, wo durch Überwindung großer Strecken eine solche Lösung dieses Problems sich auch wirtschaftlich auszuwirken vermag —, sondern diese technische Entwicklung war überwiegend durch die Einwirkung militärischer Stellen bestimmt. Die Bahn ist also in diesen Jahren - und das muß man zum Verständnis auch ihrer heutigen Lage herausstellen — zweifach um den Ertrag ihrer Arbeit gebracht worden, und zwar einmal, indem man ihr die Mittel entzog, mit denen sie ihre eigene technische Entwicklung hätte vorantreiben können und wollen, und zum andern, indem man sie in technische Entwicklungen hineinstieß, die nach verkehrspolitischen Grundsätzen nicht richt waren, sondern zu Kapitalfehlinvestitionen und Betriebsverlusten führen mußten, die sich auch heute noch auswirken.
Wenn wir uns an diese Entwicklung erinnern, dann darf ich nur noch kurz darauf hinweisen, daß durch die Regierungserklärung vom 30. Januar 1937 und durch das darauf geschaffene Gesetz zur Regelung der Verhältnisse der Reichsbank und Reichsbahn vom 10. Februar 1937 willkürlich die Deutsche Reichsbahngesellschaft für erloschen erklärt wurde. Durch das Reichsbahngesetz vom 4. Juli 1939 wurde dann praktisch die Eisenbahn wieder völlig in die Hand des Staates gebracht. Das bisher im Reichseigentum verwaltete Eisenbahnvermögen und das Gesellschaftsvermögen wurden vereinigt und unter der Bezeichnung Reichsbahnvermögen als Sondervermögen verwaltet. Die Reichsbahn war keine selbständige juristische Person mehr, sondern zu einer Verwaltungsstelle des Reichs geworden, und die Vereinigung des Postens des Leiters der Reichsbahn mit dem Posten des Reichsverkehrsministers und die Eingliederung der Hauptverwaltung als Abteilung in das Ministerium brachten uns in einen Zustand zurück, der der Zeit vor 1918 sachlich völlig glich.
Auch im zweiten Weltkrieg haben wir eine außerordentlich starke Belastung der Eisenbahn gehabt, auf deren Auswirkungen ich später noch zurückkommen werde. Nach dem Zusammenbruch rahm aber die Entwicklung der Eisenbahn auch durch die Bildung der Besatzungszonen in den fünf Zonen einen völlig verschiedenen Verlauf. In dem Gebiet der amerikanischen und britischen Besatzungszone konnte nach anfänglichen Schwierigkeiten wenigstens wieder eine einheitliche Verwaltung, erst auf Zonenebene und nach Bildung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets auch auf der Ebene dieses Bereichs, geschaffen werden, und es gelang, durch das Gesetz des Vereinigten Wirtschaftsgebiets über den Aufbau der Verwaltung für Verkehr vom 12. September 1948 auch wieder für die Eisenbahn eine neue gesetzliche Grundlage zu schaffen.
Nach diesem Gesetz ist die Deutsche Reichsbahn im Vereinigten Wirtschaftsgebiet ein Sondervermögen mit eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung. Die Frage nach dem Träger dieses Vermögens war offengelassen. Zugleich erhielt durch dieses Gesetz des Vereinigten Wirtschaftsgebietes das Reichsbahngesetz von 1939 in den Teilen, die man zur Übernahme für gerechtfertigt hielt, eine neue und der Zeit entsprechende Fassung.
In der französischen Zone dagegen ist ein solches Gesetz nicht vorhanden. Vielmehr wurde durch einen Staatsvertrag zwischen den Ländern Rheinland-Pfalz, Baden und Württemberg-Hohenzollern vom 25. Juli 1947 die Betriebsvereinigung der Südwestdeutschen Eisenbahnen geschaffen. In der Eigentumsfrage blieb die Einheitlichkeit innerhalb der französischen Zone nicht gewahrt, sondern das Land Baden übernahm durch Landesgesetz als
Eigentümer die in seinem Gebiet gelegenen Reichseisenbahnvermögenswerte, während die beiden anderen Länder die ihnen übertragenen Vermögenswerte nur zu treuhänderischem Eigentum übernahmen.
Das war die Lage, als das Grundgesetz in Kraft trat. Wir fanden also in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands die ehemalige Deutsche Reichsbahn aufgespaltet in zwei voneinander unabhängige Betriebsgesellschaften, von denen die eine durch den Eisenbahnverkehrsrat verwaltet wurde, in dem die Vertreter der Länder mit den Vertretern der Gewerkschaften und der Wirtschaft vereinigt sind, der jedoch im wesentlichen in seiner Struktur dem alten Verwaltungsrat der Reichsbahngesellschaft als entscheidendes und bestimmendes Organ entspricht, während auf der anderen Seite im Vereinigten Wirtschaftsgebiet der staatliche Charakter der Eisenbahn viel stärker gewahrt und durch das Gesetz über den Aufbau der Verwaltung für Verkehr nur ein Beirat geschaffen war, der der Leitung der Reichsbahn beratend zur Seite stand.
Wir haben jetzt durch das Grundgesetz andere Voraussetzungen bekommen. Nach dem Art. 124 des Grundgesetzes wird das Recht, das Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes betrifft — dazu gehört auch die Gesetzgebung über die Eisenbahn —, innerhalb seines Geltungsbereiches Bundesrecht. Der Art. 130 unterstellt diese beiden Verwaltungen, unter denen sich die Eisenbahn unterschiedlich entwickelt hat, der Bundesregierung, die mit Zustimmung des Bundesrates ihre Überführung, Überlassung und Abwicklung regeln soll. Als wichtigste Vorschrift aber bestimmt der Art. 87, daß die Bundeseisenbahn in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt werden soll.
Wir haben es aber, bevor wir zur Erörterung dieser Rechtslage und damit der Voraussetzungen für die neuen gesetzlichen Formulierungen kommen, bei der heutigen Gelegenheit doch notwendig, uns einmal an die Zeiten im Jahre 1945 zu erinnern, an den Zustand, in dem sich die Eisenbahnen damals befunden haben.
Jeder von uns wird, glaube ich, bei der ungeheuren Zerstörung, die damals vorherrschte, der Überzeugung gewesen sein, daß es praktisch unmöglich sei, in absehbarer Zeit auch nur einen Notbetrieb auf den deutschen Eisenbahnen wieder durchzuführen. Nicht nur an den Gebäuden, nicht nur an den Brücken, nicht nur an den eigentlichen Eisenbahnanlagen und an dem rollenden Material, nein, bis hinein in die kleinsten Teile dieses weit verzweigten und technisch hochentwickelten Apparates waren die Zerstörungen erfolgt. Darüber hinaus fehlte es nun natürlich praktisch an einer Leitung, die wie bisher dieses gesamte feinfühlige System zusammenfaßte und ihm so die Voraussetzung für die gemeinsame Arbeit gab.
In dieser Zeit hat sich nun etwas bewährt, was in der langen Tradition der Entwicklung entstanden war: der echte deutsche Geist der deutschen Eisenbahner. Damals haben wirklich vom einfachen Streckenarbeiter bis zum Stationsvorstand und bis in die höheren Chargen hinauf die Eisenbahner, ohne auf irgendeine Weisung von oben zu warten, angepackt und jeder hat an seinem Platz und durch Einsatz seiner ganzen Kräfte versucht, das Beste zu tun, um „ihre" Eisenbahn wieder in Betrieb zu setzen.
Die Leistungen, die damals vollbracht worden sind, sind erwachsen aus einer tiefen Verbundenheit all der Menschen, die mit der Eisenbahn zu tun haben und die eben in dieser Eisenbahn nicht nur ein Unternehmen sehen, das ihnen irgendwie die Möglichkeit zur Arbeit und damit die Grundlage der Existenz ihrer Familie gibt, sondern die sich dieser Eisenbahn mit ganzem Herzen verbunden fühlen und einfach nicht ertragen konnten, daß dieses Unternehmen, das sie als den wichtigsten Bestandteil ihres eigenen Seins anerkannten, untergehen sollte.
Wir haben hier einen bewundernswerten Beweis dafür, was durch einen solchen Geist und was durch einen von solchem Geist geführten Einsatz von den Männern der deutschen Eisenbahn geleistet worden ist; denn wir müssen uns einmal vorstellen, was damals alles zerstört und beschädigt war. Es waren in der britischen und amerikanischen Zone zerstört: 3500 km Gleis, 13 000 Weichen, 2474 Eisenbahnbrücken, 30 Tunnels, 1500 Stellwerke mit 4500 Haupt- und Vorsignalen; dazu waren alle anderen Einrichtungen wie Wassertürme, Kräne, Drehscheiben, Güterschuppen, Umladehallen und Maschinenhallen verwüstet und für einen Einsatz nicht mehr brauchbar. Von den Hochbauten waren nicht weniger als 32 Millionen cbm umbauten Raumes zerstört und ausgebombt, und in den Eisenbahnausbesserungswerkstätten standen nur noch 55 % der baulichen und allenfalls 65 % der maschinellen Anlagen zur Verfügung. Wenn Sie diese Kriegsschäden allein im Vereinigten Wirtschaftsgebiet auf diesem Sektor nur mit 2,5 Milliarden DM bewerten, dann erkennen Sie natürlich auch, daß hier ganz ungeheure Wertvernichtungen eingetreten sind.
Zu diesen Wertvernichtungen in der britischen und amerikanischen Zone traten die Wertvernichtungen in der französischen Zone, wo 780 km Gleis, 3900 Weichen, 677 Brücken, 31 Tunnels, 400 000 qm Hallen von Ausbesserungswerkstätten, Bahn- und Betriebswerken und Güterschuppen sowie 2,2 Millionen cbm umbauten Raumes zerstört waren, und dies ebenfalls in einer Größenordnung von etwa 1/2 Milliarde Mark. Ich glaube, daß allein diese sachlichen Zerstörungen praktisch jeden denkenden Menschen veranlaßt hätten, die Hände in den Schoß zu legen.
Dazu kam aber nun noch, daß auch die Betriebsmittel, das rollende Material, weitgehend, im Werte von weiteren 1,5 Milliarden DM, zerstört waren und daß dadurch gleichfalls ganz außerordentliche Belastungen auftraten. Trotzdem haben die Menschen angepackt und haben diese zerstörten Eisenbahnanlagen aus eigener Kraft wieder aufgebaut. Das war besonders schwer in den Jahren der Reichsmarkzeit, als die Eisenbahn keine Kompensationsmöglichkeiten hatte, sondern sich bemühen mußte, das dringend erforderliche Material auf normalem Wege zu beschaffen, und infolgedessen ihren Leuten über die geringen Möglichkeiten hinaus, die allen Normalverbrauchern zur Versorgung mit Lebensmitteln, mit anderen Stoffen des täglichen Lebens und mit Kleidern und Schuhwerk zustanden, nicht helfen konnte. Trotzdem sind in diesen Jahren und trotz der harten Winter wirklich die Voraussetzungen für das Leben des deutschen Volkes durch Wiederherstellung der Eisenbahn geschaffen worden.
Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß bis zur Währungsreform in der britisch-amerikanischen Zone für die Beseitigung der Kriegsschäden 791,2 Millionen Reichsmark und nach der Währungsreform 326,2 Millionen D-Mark aufgewendet wurden, wenn wir dem gegenüberstellen, daß auch in der französischen Zone bis zur Währungsreform 193 Millionen Reichsmark und nach der Währungsreform 58,2 Millionen D-Mark aufgewendet wurden, wenn wir uns darüber klar werden, daß für den Fahrzeugpark in ähnlicher Form Aufwendungen erfolgen mußten, nämlich im Gebiet der britisch-amerikanischen Zone bis zur Währungsreform 148 Millionen Reichsmark und sodann bis Ende 1949 266,8 Millionen D-Mark, in der französischen Zone bis zur Währungsreform 49,5 Millionen Reichsmark und seit der Währungsreform bis jetzt 25,2 Millionen D-Mark, so sollten diese Zahlen in ihrer Gesamtheit nicht nur als Maßstab für die Aufbringung von Kapital angesehen werden, das man dem Betrieb entzog, sondern ich bitte diese Zahlen als einen Maßstab anzusehen für eine ungeheure Leistung von Arbeitsstunden, von persönlicher Mühsal und persönlichem Einsatz der deutschen Eisenbahner, vom Streckenarbeiter bis hinauf zu dem obersten Beamten. Wenn diese Leistungen trotz gleichzeitiger Erkenntnis des ungeheuren Nachholbedarfs aus einer zwanzigjährigen Periode, in der diesem Nachholbedarf niemals voll Rechnung getragen wurde, vollbracht wurde, und wenn es möglich gewesen ist, auf Grund dieser Leistungen trotzdem Verhältnisse zu schaffen, so daß wir heute sagen können: wenn auch noch Bahnhöfe zerstört sind, Verladeeinrichtungen und rollendes Material fehlen, wenn auch noch Langsamfahrstellen vorhanden sind, so kann sich unsere Eisenbahn heute nicht nur unter den Eisenbahnen Europas, sondern unter den Eisenbahnen in aller Welt in ihrer Pünktlichkeit, Sicherheit und Genauigkeit wieder sehen lassen! Und wenn nun auch die notwendige Sauberkeit und die Bedienung und Behandlung der Menschen und Güter, die die Eisenbahn benutzen, immer besser und besser wird, so müssen wir wirklich sagen: Von der Gesamtheit der diesem Unternehmen verhafteten und verbundenen Menschen ist in schwerster Zeit eine Leistung vollbracht worden, auf die das deutsche Volk stolz sein kann und für die es diesen Menschen aus tiefstem Herzen dankbar sein muß.
Ich glaube, es ist doch wohl nötig, daß wir diese Feststellung vom Standpunkt der Regierung in dem Zeitpunkt treffen, da wir beginnen, uns mit einer neuen Rechtsgrundlage für diese Eisenbahnen zu befassen. Wer sich heute wirklich die Mühe nimmt, unseren Personenzugfahrplan zu studieren und sich den Güterzugfahrplan anzusehen, der wird, glaube ich, feststellen müssen, daß hier kaum noch irgendwelche Wünsche berechtigter Art aus den einzelnen Bezirken und Ländern unerfüllt geblieben sind, sondern daß ganz im Gegenteil auf die Verhältnisse in den verschiedensten Gebieten und Bezirken schon wieder die allergrößte Rücksicht genommen wurde, um eine vorzügliche Verkehrsbedienung zu ermöglichen.
Aber leider ist das der Fall, ohne daß wir auf der anderen Seite von einem wirklich großen wirtschaftlichen Erfolg sprechen können, den diese Arbeit verdient. Wir müssen dabei berücksichtigen, daß das, was uns in der Presse immer wieder über die Verluste bei der Bundesbahn aufgetischt wird, zu einem nicht unerheblichen Teil in jenen Abgaben besteht, die durch die Gesetze des Vereinigten Wirtschaftsgebietes der Eisenbahn an Zahlungen an den Staat und für Zinsen auf Ausgleichsforderungen auferlegt wurden, für die die Eisenbahn selber keine Kapitalbeträge erhalten hat. Wir dürfen der Eisenbahn diese Schulden und Ausgaben bei der Beurteilung ihrer Leistungen nicht anrechnen. Denn wenige Unternehmen in Deutschland wird es geben, die in diesen Jahren neben der ungeheuren Arbeit des Wiederaufbaus in der Lage gewesen sind, ihrem Eigentümer derartige Zahlungen aus ihren Einnahmen zur Verfügung zu stellen, wie man es von der Eisenbahn unter gesetzlichem Zwang verlangt hat. Daß man das bei Festsetzung der Abgaben nicht berücksichtigt hat, das ist recht bedauerlich und sollte uns jedenfalls veranlassen, in der Würdigung der Leistungen der Eisenbahn auch auf wirtschaftlichem Gebiet gerecht zu sein und dabei gleichzeitig auch zu erkennen, welche Leistungen die Eisenbahn außerdem noch aus gemeinwirtschaftlicher Verantwortung ständig vollbringt. Weder durch Festhaltenwollen an irgendwelchen bestehenden tariflichen Bestimmungen, die praktisch heute wirtschaftlich nicht mehr zu tragen sind, noch durch ständig neue Forderungen darf man die Leistungsmöglichkeit der Eisenbahn beschweren. Man darf die Bundesbahn nicht mehr dazu benutzen, durch ihre Leistungen industrielle Betriebe zu subventionieren oder sonstige schwierige wirtschaftliche Verhältnisse in irgendeinem Gebiet der Bundesrepublik zu verbessern. Das, was die Bundesbahn an Leistungen aus gemeinwirtschaftlichen Gründen vollbringt, muß verkehrspolitisch und allgemein wirtschaftspolitisch gerechtfertigt sein; es kann nicht von den speziellen Verhältnissen irgendeines besonders wirtschaftlich gefährdeten oder abgelegenen Gebietes veranlaßt werden. Es sind andere Stellen, die hier die erforderliche Hilfe zu
leisten haben. Die Bundesbahn darf dafür nicht in Anspruch genommen werden!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe Ihnen vorhin gesagt, daß durch das Grundgesetz eine Neuregelung der Gesetzgebungsverhältnisse für die Bundesbahn erforderlich geworden ist. Wir waren genötigt, vor allem ein neues Organisationsgesetz für die Bundesbahn zu entwerfen. Hierzu sind erhebliche Vorarbeiten geleistet worden. Im Bereich des Vereinigten Wirtschaftsgebiets hatte man sofort eingesehen, daß das Gesetz über den Aufbau der Verwaltung für Verkehr nicht ausreiche, um eine wirklich gute, dauernde gesetzgeberische Grundlage für die Organisation der Bundesbahn zu bieten. Es sind deshalb nicht nur im Rahmen der staatlichen Stelle, insbesondere also der Verwaltung für Verkehr, sondern auch bei den Gewerkschaften — bei den Gewerkschaften der Eisenbahner Deutschlands und bei der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr — Entwürfe zu einem neuen Reichsbahngesetz ausgearbeitet worden. Der Entwurf der Verwaltung für Verkehr, abgestellt auf das Vereinigte Wirtschaftsgebiet, war in Zusammenarbeit mit den Vertretern der Länder, der Gewerkschaften, der Wirtschaft und anderer interessierter Stellen eingehend durchgearbeitet worden. Durch das Entstehen der Bundesrepublik Deutschland war es aber nicht mehr möglich, dieses Gesetz zur Ablösung des Gesetzes über den Aufbau der Verwaltung für Verkehr durch die gesetzgebenden Körperschaften durchzubringen. Es wurde jedoch durch den Verwaltungsrat bei Auflösung des Wirtschaftsrates als eines der dringendsten Gesetze vorgemerkt.
Durch die Eingliederung der bisherigen französischen Zone war jedoch die Lage infolge der abweichenden Rechtsvoraussetzungen grundsätzlich verändert. Es ergab sich die Notwendigkeit, diesem Bundesbahngesetz ein Gesetz über die Rechtsverhältnisse und über die Übertragung des Eigentums der Eisenbahnen auf den Bund sowie ein Gesetz über die allgemeinen Eisenbahnverhältnisse vorauslaufen zu lassen . und diese Gesetze eingehend mit den zuständigen Stellen, insbesondere mit den Ländern, zu beraten, deren Interessen ja durch sie besonders betroffen werden.
In der Zwischenzeit wurde das gesamte Problem noch einmal einer eingehenden Bearbeitung durch zwei deutsche Sachverständigenausschüsse unterzogen, und zwar durch den wissenschaftlichen Beirat der früheren Verwaltung für Verkehr — jetzt Bundesverkehrsministerium —, der im Januar ein Gutachten erstattete, und durch den sogenannten Ausschuß A, in den die besten Eisenbahnfachleute und einige hervorragende Wirtschaftssachverständige berufen wurden, um sich auch von ihrem Standpunkt aus zu den Problemen zu äußern. Sie haben ihr Gutachten im Februar 1950 abgeschlossen. Während der Herbstmonate wurde ferner von seiten des Herrn Hohen amerikanischen Kommissars der Wunsch an uns herangetragen, man möchte doch nicht nur deutsche, sondern auch ausländische Experten mit diesem Problem beschäftigen. Er verwies uns auf einen unserer hervorragendsten Fachleute, auf Herrn Professor Dr. Ludwig Hornberger, den früheren Direktor der Deutschen Reichsbahngesellschaft, der seit 1933 als Professor des Verkehrswesens an der amerikanischen Universität in Washington lehrt. Herr Hornberger hat sich bereit erklärt, diese Arbeit gemeinsam mit dem Direktor des Zentralamtes für den Internationalen Eisenbahnverkehr in Bern, Herrn
Dr. Cottier, zu übernehmen. Das sehr umfangreiche Gutachten, das im April erstattet wurde, hat gleichfalls zur Gesamtbildung unserer Auffassung bei der Vorbereitung des Gesetzes entscheidend beigetragen.
Gleichzeitig war aber im Spätherbst des vorigen Jahres, und zwar am 9. Dezember 1949, im Bundesrat der Initiativantrag des Landes NordrheinWestfalen eingebracht worden. Dieser Gesetzentwurf wurde im Verkehrsausschuß des Bundesrates eingehend beraten und wesentlich abgeändert. Diese Beratungen erfolgten unter Hinzuziehung der Vertreter des Bundesverkehrsministeriums und der Vorsitzenden der vorher genannten Ausschüsse mit Ausnahme der ausländischen Experten.
Der Bundesrat hat seinen Gesetzentwurf nach verschiedenen Abänderungen Ende März verabschiedet und der Bundesregierung zugeleitet. Die Bundesregierung hat sehr eingehend dazu Stellung genommen. Sie hat nun, wie ich vorhin schon anführte, im August diese beiden Gesetzentwürfe gemeinsam dem Bundestag zugeleitet.
Diese beiden Entwürfe haben sehr viel Gemeinsames. Sie sind sich in dem Bestreben, die Grundlage für eine gesunde Weiterentwicklung der Deutschen Bundesbahn zu finden, sicherlich einig. Man kann sich natürlich hinsichtlich der besten Methoden immer verschiedenen Auffassungen hingeben. Grundsätzlich ist es ja so, daß alle Gesetze, die für den Verkehr gemacht werden müssen, dadurch besonders schwierig zu gestalten sind, daß der Verkehr etwas ungewöhnlich Dynamisches ist, während ein Gesetz ja immer statische Verhältnisse schafft. Alle Gesetze, die für den Verkehr gemacht werden, sollten deshalb in geeigneter Weise so gefaßt werden, daß sie den voraussehbaren Entwicklungsmöglichkeiten weitgehend Rechnung a tragen.
Diese Notwendigkeiten ergaben sich nun auch für das Gesetz zur Ordnung der Bundesbahnangelegenheiten. Man darf dieses Bundesbahnorganisationsgesetz deshalb auch nicht als ein Gesetz auffassen, das für ewige Zeiten die Verhältnisse der Bundesbahn zu regeln hat. Es ist selbstverständlich stark unter dem Eindruck der heutigen Gegebenheiten und Verhältnisse entworfen und gefaßt worden.
Wir müssen uns dabei darüber klar sein, daß die Deutsche Bundesbahn im Rechtssinne nicht Nachfolgerin der früheren Reichsbahn ist. Nachfolger der früheren Reichsbahn im Rechtssinne sind, abgesehen von jenen Teilen und Vermögenswerten, die im polnisch besetzten Gebiet Deutschlands liegen, außer der Deutschen Bundesbahn auch die ostzonale Eisenbahnverwaltung.
Wir müssen uns ferner darüber klar sein, daß nach Art. 87 des Grundgesetzes die Bundesbahn in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt werden muß, daß sie ein Bundesvermögen ist und daß es also bei diesem Gesetz darauf ankommt, eine sinnvolle Synthese zwischen der Freiheit der Eisenbahn im Bereich ihres geschäftlichen Handelns und ihrer Bindung an den Staat und an dessen übergeordnete Aufgaben zu finden.
Die beiden Entwürfe sind sich darüber einig, daß man versuchen soll, der Bundesbahn in diesem Rahmen eine möglichst große Selbständigkeit zu geben, damit sie sich auch wirklich im Rahmen der allgemeinen Richtlinien der Verkehrs-, Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik der Bundesregierung so frei wie möglich entwickeln und ent-
falten kann. Wenn aber im Grundgesetz festgelegt ist, daß die Bundesbahn ebenso wie die Bundespost in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt werden muß, so kommt damit die Errichtung einer selbständigen Eisenbahngesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit nach den Prinzipien des Jahres 1924 nicht mehr in Frage, weil es den Verfassungsgrundsätzen nicht entspricht. Deshalb wird in beiden Gesetzentwürfen die Deutsche Bundesbahn als eine Anstalt des öffentlichen Rechts ohne eigene Rechtspersönlichkeit und als ein Sondervermögen angesehen, das ebenso wie bei der Post nur in diesen Grenzen selbständig verwaltet werden kann. Die Eigenschaft als Sondervermögen mit eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung ist für die Bundesbahn in beiden Gesetzentwürfen deshalb vorgesehen, um sicherzustellen, daß die Bundesbahn sich nach ihren eigenen Notwendigkeiten und ohne Bindung an den Haushalt und das Haushaltsrecht des Bundes entwickeln kann. Sie erhält auf diese Weise eine weitgehende Selbständigkeit und erlangt für ihre wirtschaftliche Betätigung und Entfaltung große Freiheit.
Nun hat sich aber bei der Behandlung dieser Fragen das Interesse der öffentlichen Meinung insbesondere an der Gestaltung der Organe der Bundesbahn entzündet. Man vergißt dabei vielfach, daß sich die Bundesbahn von einem wirtschaftlichen Unternehmen allgemeiner Art vor allem dadurch unterscheidet, daß sie zu einem erheblichen Teil von Beamten verwaltet und von Beamten geleitet wird, die in einem besonderen Treueverhältnis zum Staat und zur Bundesregierung stehen, und daß ein großer Teil der in ihrem Bereich schaffenden Arbeiter die Möglichkeit und die Berechtigung hat, in diesen Beamtenkörper aufzusteigen. Dadurch sind die Personalverhältnisse im Rahmen der Bundesbahn völlig andere, als wir sie in der freien Wirtschaft finden. Wenn man im Jahre 1923 bei der Umgestaltung der Staatsbergwerke in die Form privatrechtlicher Gesellschaften dazu übergegangen ist, den dort beschäftigten Menschen den Beamtencharakter zu nehmen und ihr Beschäftigungsverhältnis in die Form der Angestellten mit entsprechenden Verträgen umzuwandeln, so hat man dies bei der Bundesbahn damals aus wohlerwogenen Gründen unterlassen. Es kann daher auch nicht der Zweck und der Sinn einer neuen Organisation der Bundesbahn sein, in diese Verhältnisse, die sich nun in vielen Jahrzehnten bewährt haben, einzugreifen, insbesondere dann nicht, wenn man sich daran erinnert, was die' Männer der Bundesbahn in den letzten Jahren geleistet haben.
Wir haben daher diese Verhältnisse bei der Schaffung der Organe der Bundesbahn und bei der Regelung der Beziehungen zur Bundesregierung zu berücksichtigen. Wenn man also von dem Grundsatz ausgeht, daß wir hier ein Unternehmen vor uns haben, das einmal durch die Form des Sondervermögens und durch die Bestimmungen des Grundgesetzes gebunden ist und das weiterhin seine Besonderheit dadurch erhält, daß es im Rahmen der Schiene ein Monopol besitzt und daß es daher gemeinwirtschaftlich ausgerichtet sein muß, und davon, daß die beschäftigen Menschen zu einem erheblichen Teil in einem besonderen Treueverhältnis zum Staat stehen, dann muß man auch die besondere Eingliederung der Organe dieser Gesellschaft und ihre Verpflichtung gegenüber dem Staat anerkennen.
Es kommt aber noch ein anderes hinzu. Wir alle wissen — ich habe das schon vorhin ausgeführt —, daß die Zerstörungen der Bundesbahn nur zum Teil überwunden sind und daß ein ungeheurer Nachholbedarf besteht. Daneben besteht die zwingende Notwendigkeit, den technischen Entwicklungsmöglichkeiten Rechnung zu tragen. Wenn man die sich daraus ergebenden Folgerungen realisieren will, dann bedarf die Bundesbahn der Zuführung erheblicher Kapitalien. Ob diese Mittel aus dem deutschen Kapitalmarkt allein herangezogen werden können, ist mindestens sehr zweifelhaft. Ich glaube nicht, daß wir in der Lage sind, aus Haushaltsmitteln oder auf dem Wege von Anleihen der Bundesbahn die Mittel zur Verfügung zu stellen, die sie dafür dringendst benötigt, und ich glaube, daß deshalb die Frage, ob und inwieweit auch ausländisches Kapital herangezogen werden kann, ernstlich geprüft werden muß, und zwar für die Bundesbahn in gleicher Weise wie für die gesamte übrige deutsche Wirtschaft. Dann ist aber entscheidend, daß die Organe und ihre im Gesetz vorgesehenen Rechte so gestaltet werden, daß ein Einfluß ausländischer Geldgeber auf die Bundesbahn und insbesondere auf ihren Betrieb soweit wie möglich ausgeschaltet ist.
Der Einfluß ausländischer Geldgeber wird sich bei Gesellschaften aller Art in erster Linie in der Ebene der Aufsicht vollziehen. Diese Aufsicht ist bei der Bundesbahn zu unterteilen in jene Aufsicht, die kraft Grundgesetzes die Bundesregierung im Auftrage und für das Parlament zu führen hat, und in die Aufsicht eines weiteren Gremiums, das zwischen diesem obersten Aufsichtsorgan und den eigentlich für dieses Unternehmen handelnden Menschen einzuschalten ist. Es ist also das bekannte Problem des Verwaltungsrates, das im Kernpunkt der Diskussion steht.
Dieser Verwaltungsrat, von dem die einen wünschen, daß er im Sinne des Gesetzes von 1924 das allein bestimmende und entscheidende Organ der Bundesbahn werde, und von dem die anderen in klarer Erkenntnis der sich aus dem Grundgesetz ergebenden Notwendigkeiten die Auffassung vertreten, daß er sinnvoll zwischen den Rechten und Pflichten der Bundesregierung und der Freiheit, die auch die Bundesregierung der Entwicklung der Bundesbahn geben möchte, eingeschaltet werden muß, — dieser Verwaltungsrat wiederum steht in einem engen Zusammenhang mit der Gestaltung des Vorstandes.
Ich habe vorhin schon ausgeführt, daß für die Reichsbahngesellschaft von 1924 das englische System des Board of directors und des Managers eingeführt wurde. In Deutschland haben wir uns bei der Entwicklung der Organisationsformen in der Wirtschaft niemals zu diesem Prinzip bekannt. Wir haben bei der Entwicklung unserer großen Gesellschaften immer wieder herausgestellt, daß die Verantwortung und die Entscheidungen bei dem Vorstand liegen müssen und daß dem Aufsichtsrat nur eine echte Aufsicht zugestanden werden kann, aber kein bestimmender oder letztlich entscheidender Einfluß, weil dem Besitzer oder dem Eigentümer - mag er vertreten sein, wie er will — die entsprechenden Rechte der letztinstanzlichen Entscheidung in bestimmtem Umfange vorbehalten werden müssen.
Wenn man also nun im Rahmen der durch das Grundgesetz nun einmal gegebenen Grenzen der Bundesbahn eine möglichst freie Entwicklung geben will, dann ist es nach meiner Ansicht erfor-
derlich, daß man sich von jenem englisch-amerikanischen Organisationsprinzip abwendet und daß man sich dem in Deutschland bewährten Organisationsprinzip zuwendet, daß man also die Organisation dahin abstellt, soviel wie möglich an Verantwortung und Einfluß in die Hände der direkt leitenden Männer des Vorstandes zu geben, sie von den Einschränkungen, denen jeder Manager unterworfen ist, freizustellen, um sie damit wirklich handlungsfähig zu machen, und daß man auf der anderen Seite dem Verwaltungsrat jene Rechte zubilligt, die für ein solches echtes Aufsichtsorgan notwendig sind.
Dazu kommt noch ein anderer tragender Gedanke. Wir haben beim Aufbau unseres Staates die Ebenen des Bundes und der Länder. Die Bundesbahn ist nach dem Grundgesetz in Gesetz und Verwaltung eine ausschließliche Angelegenheit des Bundes. Aber die Länder haben selbstverständlich doch ein berechtigtes und tiefgehendes Interesse, an der Entwicklung der Bundesbahn nicht nur als Zuschauer von außen, sondern handelnd teilzunehmen. Dafür ist nun gerade die Ebene des Verwaltungsrates geeignet, denn hier kann sich auch die Initiative der Länder entfalten. Wenn man aber folgern wollte, daß der Verwaltungsrat zu einem Board of directors ausgestaltet werden sollte und daher die Vertreter der Länder in Form der directors Wirkungsmöglichkeiten fänden, dann würde man ja dem Grundgesetz völlig widersprechen. Denn dann würde man ja diesen Verwaltungsrat als bestimmendes und leitendes Organ ausgerechnet in die Hand der Länder legen, die nach dem Grundgesetz doch nur indirekt an der Entscheidung dieser Fragen beteiligt sein sollen und die wir doch andererseits soweit als möglich in dem Verwaltungsrat heranziehen möchten. Es ist also hier auch festzustellen, daß dieser Verwaltungsrat, in dem ja die Vertreter der Länder, und zwar nicht etwa Vertreter der Regierungen, sondern möglichst hervorragende Fachleute, neben den Fachleuten der Gewerkschaften, der Wirtschaft, der Landwirtschaft und neben einigen sonstigen Fachleuten sitzen sollen, nicht als bestimmendes und leitendes Organ ausgebildet werden darf, wenn man sich an die grundsätzlichen Entscheidungen des Grundgesetzes halten will.
Andererseits können diesem Organ, in das ja ausländischer Einfluß bei Kapitalshergabe am leichtesten einzudringen vermag, nicht Funktionen gegeben werden, durch die sich ein solcher ausländischer Einfluß auf den Betrieb der Eisenbahn auswirken könnte. Daher der Vorschlag im Regierungsentwurf, dem Vorstand die entsprechenden Rechte und Befugnisse einzuräumen und hierdurch die Spitze der Eisenbahn nun wirklich mit den Funktionen auszustatten, die es ihr ermöglichen, von der Freiheit, die ihr gegeben ist, den besten Gebrauch zu machen und die notwendigen Entscheidungen schnell zu fassen, die in einem Verwaltungsrat immer nur sehr schwierig und nach zeitraubenden Verhandlungen zu erhalten sein werden, besonders bei seiner gegenüber der Regelung von 1924 heute wesentlich komplexeren Zusammensetzung.
Bei dieser Einstellung zur Verteilung der Gewalten ist es natürlich richtig, daß alle Bundesorgane sich beschränken auf eine Tätigkeit in der dritten Ebene, nämlich in der übergeordneten Aufsichtsebene des Bundes. In dieser Ebene wird das Aufsichtsrecht ausgeübt durch die Bundesregierung, die hierbei im Auftrag des Bundestages handelt. Dieses Aufsichtsrecht wird praktisch durch
den nach Art. 65 GG zuständigen Ressortminister o auszuüben sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man hat sich über diese Frage in der Öffentlichkeit viel die Federn abgeschrieben und die Münder zerredet. Ich möchte nur eines in diesem Zusammenhang sagen: all das, was man hierzu ad personam gesagt hat, muß ich mit Nachdruck zurückweisen: Wir alle wissen, daß Minister nur vorübergehende Figuren sind und daß man ein solches System deswegen niemals auf sich selbst, sondern nur sachlich auf jenen abstellen kann, der im Namen der Regierung gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit auch die Verantwortung trägt. Aber wen man verpflichtet, Verantwortung zu tragen und Rechenschaft abzulegen, dem muß man auch die Möglichkeit geben, in diesem Bereich so weit mitzuwirken, daß er diese Verantwortung auch zu tragen vermag. Deswegen haben wir die Aufgliederung dieser Befugnisse in einer Weise vorgenommen, wie sie Ihnen in eingehender Begründung schriftlich vorliegt. Wir haben einen Vorstand vorgeschlagen, der wirklich das entscheidende Organ ist und der deswegen bei der Größe dieses Unternehmens nicht von einem Mann allein dargestellt werden kann.
Das sieht auch der Entwurf des Bundesrats ein, der hier zwar den Vorsitzenden des Vorstandes stärker heraushebt, aber praktisch den Vorstand ohne Begrenzung der Zahl sich beliebig ausweiten läßt. Wir waren dagegen in der Bundesregierung der Meinung, man solle diesen Vorstand auf drei Männer beschränken, damit diese drei Männer nach Möglichkeit zu gemeinsamer Hand die Verantwortung tragen. In der Öffentlichkeit ist oft gesagt worden, diese Regelung sei unmöglich; wenn man nicht einen einzelnen Mann an der Spitze dieses größten deutschen Unternehmens habe, dann sei damit die Schlagkraft dieses Unternehmens in entscheidender Weise beeinträchtigt. Ja, warum hat denn dann die Privatwirtschaft bei ihren Gesellschaften grundsätzlich mehrere Vorstandsmitglieder? Wahrscheinlich doch, weil man die Erfahrung gemacht hat, daß die Schlagkraft eines Unternehmens nicht dadurch beeinträchtigt wird, daß es mehrere Männer gibt, die gemeinsam die Verantwortung tragen und die aus diesem Verantwortungsbewußtsein heraus sich eben auch gemeinsam zu den Entschlüssen durchringen, die gefaßt werden müssen. Einer allein kann leicht einen Entschluß fassen oder sich leicht einen Entschluß versagen. Aber ich habe es in meinem Leben immer als außerordentlich richtig und gut empfunden, wenn ich Entscheidungen, die ich zu treffen hatte, mit Männern besprechen konnte, die gleich mir in der Verantwortung standen, und wenn es mir möglich war, die von mir zu fällenden Entscheidungen abzugleichen an dem Können, dem Wissen und an dem Wollen anderer Männer, die ebenso verantwortlich zu diesen Fragen eingestellt waren wie ich. Und so halte ich — das ist meine persönliche Auffassung — für dieses größte deutsche Unternehmen einen mehrköpfigen Vorstand, in dem selbstverständlich ein Vorsitzender an der Spitze steht, der nicht überstimmt werden kann, so halte ich einen mehrköpfigen, aber in der Zahl beschränkten Vorstand für absolut notwendig. Ich weise besonders darauf hin, daß die technischen, die juristischen, die verwaltungsmäßigen, die finanziellen und die sozialen Aufgaben in diesem Vorstand dann auch wirklich in der Spitze verantwortlich behandelt werden können. Der Verwaltungsrat aber, der wirklich auch in unserem
Entwurf sehr entscheidende Befugnisse hat und in dem sich wahrlich alle die verschiedenen Interessen zu einer gesunden Meinungsbildung im Interesse der Bundesbahn durchringen können, darf nach meiner Ansicht nicht das letzte und bestimmende Organ sein, sondern er muß die Funktionen eines echten Aufsichtsrats haben. Die Regierung aber muß als Vertreter des Eigentümers die letzte Entscheidung in den wichtigen Fragen behalten, und die Regierung muß auch in der Lage sein, in den außerordentlich seltenen und begrenzten Fällen, die das Gesetz ihr ausdrücklich zuweist, eingreifen zu können, um Schaden zu verhindern, um durchzusetzen, daß ihre Politik auch im Rahmen der Bundesbahn durchgeführt wird, und um insbesondere auch der schweren Koordinierungsaufgabe des Bundesministers für Verkehr im Bereich der Bundesbahn genügen zu können.
Man hat vielfach mit Recht fesgestellt, daß diese Koordinierungsaufgaben, deren Lösungen ja im wesentlichen aus der Gestaltung der Tarife und aus ihrer Handhabung erwachsen, nur gelöst werden können, wenn die Tarifhoheit uneingeschränkt in der Hand des Bundesverkehrsministers liegt, wie sie früher immer in der Hand des Reichsverkehrsministers gelegen hat. Das ist möglich, weil wir — und ich halte das für einen Fortschritt, nicht ad personam, sondern ad rem gesprochen — in der Zusammenfassung der Betreuung aller Verkehrszweige in einem Ministerium eine wesentlich günstigere Voraussetzung zur Regelung dieser schwierigen Fragen haben als in jenen Ländern, in denen die einzelnen Verkehrssparten in verschiedenen Ministerien behandelt werden. Aber es muß dann zur Lösung dieser Koordinierungsaufgaben, die der Bundesminister für Verkehr durchzuführen hat, auch möglich sein, bei der Bundesbahn entscheidend mit einzugreifen. Sonst ist es ausgeschlossen, jene Wünsche, die insbesondere auch aus dem Bundestag an die Regierung herangetragen werden, in geeigneter Weise zur Durchführung zu bringen.
Dabei sind wir uns darüber klar, daß es gerade bei der Durchsetzung dieser Wünsche von entscheidender Bedeutung ist, die Bundesbahn gegen unberechtigte, ständig neue Anträge zu schützen, die sie als ein gemeinwirtschaftliches Unternehmen zu Subventionen für soziale oder wirtschaftliche Zwecke heranziehen wollen. Wir haben deshalb abweichend von den früheren Gesetzen und auch in etwas anderer Form, als es der Bundesrat in seinem Entwurf getan hat, Voraussetzungen geschaffen, um der Bundesbahn die Möglichkeit u geben, daß sie, wenn sie zu Tarifmaßnahmen gezwungen werden sollte, das Recht hat, zu beantragen, daß ihr dafür ein Ausgleich gegeben werde.
Das ist ein entscheidender neuer Gedanke, der mit dem Einfluß der Bundesregierung auf die Gestaltung der Bahn und ihre Verhältnisse ursächlich zusammenhängt. Wenn die Bundesbahn nämlich ein Sondervermögen ist, das völlig außerhalb der Verantwortung der Bundesregierung steht und von ihr losgelöst ist, dann wird die Bundesregierung niemals so mit der Verantwortung für das Geschehen und die Entwicklung der Bundesbahn verbunden, wie es unbedingt erforderlich ist. Wir haben in der letzten Zeit sowohl im Vereinigten Wirtschaftsgebiet wie auf der Bundesebene wiederholt erlebt, daß die Stellen, die die finanzielle Verantwortung tragen, sich nicht zu einer Verantwortung für das Sondervermögen bekannten, weil sie ein Mehr an Verantwortung, als ihnen ohnehin schon aufgebürdet ist, nicht zu übernehmen vermögen. Wir müssen aber im Interesse der Bundesbahn erreichen, daß nicht nur die Bundesregierung als solche und nicht nur durch ihr ausführendes Organ, den Bundesverkehrsminister, sondern daß auch durch das Bundesfinanzministerium klar und eindeutig in die Verantwortung für die Geschicke der Bundesbahn mit eingebunden wird.