Rede von
Dr.
Hans-Christoph
Seebohm
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Dagegen erstreckt sich die beabsichtigte Regelung nicht auf die Straßenbahnen, auf die in vollem Umfang zur Zuständigkeit der Länder gehörenden Bergbahnen und auf die Bahnen besonderer Bauart.
Gleichgültig, ob die Eisenbahnen dem Bund gehören, also Bestandteile des Netzes der Deutschen Bundesbahn sind, oder ob sie von privaten oder öffentlich-rechtlichen Unternehmungen außerhalb des Bundes betrieben werden, in jedem Falle ist
notwendig. für den Bau, den Betrieb und den Verkehr der Bahnen einheitliche Vorschriften zu erlassen. Sowohl die Bestimmungen über den Verkehr als auch die technisch-polizeilichen Normen fiber Bau und Betrieb sind von der Tatsache abhängig, daß zwischen den Strecken der Bundesbahn und den übrigen Eisenbahnen laufend ein Übergang der Betriebsmittel stattfindet, und zwar gleichgültig, ob es sich um Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs oder um solche handelt, die nicht dem öffentlichen Verkehr dienen, wie z. B. die sogenannten Privatanschlußbahnen. Die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung und die Eisenbahnverkehrsordnung, die di ese Materie regeln, müssen nicht nur von einer Reihe vor 1945 eingetretener Mängel befreit und einheitlich neu gestaltet werden, sondern sie müssen auch entsprechend dem technischen Fortschritt der Verkehrsmittel weiterentwickelt werden.
Diese Betriebs- und Verkehrsvorschriften haben natürlich nicht den Rang von Gesetzen, sondern müssen von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats im Wege von Rechtsverordnungen erlassen werden. Im Gegensatz zur Weimarer Verfassung spricht das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 eine solche Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen nicht von selbst aus. Sie muß vielmehr gemäß Art. 74 Ziffer 23 und Art. 73 Ziffer 6 des Grundgesetzes durch ein besonderes Bundesgesetz geschaffen werden. Diesem Zweck dient das Allgemeine Eisenbahngesetz. Es handelt sich bei diesen Vorschriften in erster Linie um Vorschriften technischen Inhalts, bei denen die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse eine Regelung über das Gebiet eines Landes hinaus erfordert. Die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG für die Ausübung des Rechts zur konkurrierenden Gesetzgebung durch den Bund sind hier in besonders deutlich erkennbarer Weise gegeben. Das hat auch der Bundesrat bei der Behandlung dieses Allgemeinen Eisenbahngesetzes anerkannt. In der gesetzlichen Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen über Verkehr, Bau und Betrieb der Eisenbahnen war insbesondere nach dem Grundsatz des Art. 80 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen. Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigungen sind daher genau zu umgrenzen. Dies geschieht durch § 3 des Entwurfes, der damit das Kernstück der Vorlage bildet.
Das Allgemeine Eisenbahngesetz beschäftigt sich nicht mit den großen politischen Fragen der Einordnung der Eisenbahnen in das Staatsganze. Es sagt also nichts über den Aufbau und die Aufgaben der obersten Organe der Bundeseisenbahnen und ihr Verhältnis zur Regierung und zu den gesetzgebenden Körperschaften aus. Die Regelung dieser Fragen ist für den Bereich der Bundeseisenbahnen, also für die Deutsche Bundesbahn, Aufgabe des Bundesbahngesetzes, dagegen für den Bereich der nichtbundeseigenen Eisenbahnen Aufgabe der Landeseisenbahngesetze der deutschen Länder, die sich zur Zeit in Beratung befinden. Diese Landeseisenbahngesetze können aber erst erlassen werden, wenn durch das Allgemeine Eisenbahngesetz der entsprechende Rahmen hierfür geschaffen ist.
Das Gesetz soll zunächst den Rechtsbegriff der „Eisenbahnen" als solchen umgrenzen und entsprechend den praktischen Bedürfnissen festlegen,
was unter „Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs" zu verstehen ist. Das sind solche Bahnen, die ihrer Zweckbestimmung nach jedermann zur Personenoder Güterbeförderung benutzen kann.
Das Gesetz soll für die Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs gelten. Es will aber die Einheitlichkeit der Vorschriften über Bau, Betrieb und Verkehr auch für die nicht dem öffentlichen Verkehr dienenden Eisenbahnen, also die Privatanschlußbahnen, die Hafenbahnen und ähnliche Bahnen mindestens insoweit sicherstellen, als es die technische Einheit des Eisenbahnbetriebs erfordert.
Der Entwurf sieht weiter vor, daß der Bau neuer Eisenbahnen in erster Linie durch den Bundesminister für Verkehr für die Deutsche Bundesbahn in Anspruch genommen werden kann, legt aber zugleich fest, daß — soweit ein Interesse der Deutschen Bundesbahn nicht besteht und die oberste Landesverkehrsbehörde ein Verkehrsbedürfnis anerkennen sollte — das Recht zum Bau und Betrieb neuer öffentlicher Bahnen entweder vom Lande selbst ausgeübt oder von der obersten Landesverkehrsbehörde einem Unternehmen verliehen werden kann. Die Einzelheiten eines solchen Konzessionsverfahrens und der Rechtswirkungen richten sich dann nach den Landeseisenbahngesetzen.
Die Aufsicht über diejenigen Eisenbahnen, die nicht zum Netz der Deutschen Bundesbahn gehören, steht nach dem Grundgesetz den Ländern zu. Die Landesregierungen können aber die Aufsicht der Deutschen Bundesbahn übertragen — das ist im Allgemeinen Eisenbahngesetz ausdrücklich vorgesehen —, die sie dann nach den Weisungen und für Rechnung des auftraggebenden Landes ausführt, und zwar sowohl nach der technischen
wie nach der wirtschaftlichen Seite.
Der Entwurf bringt auch einige grundsätzliche Bestimmungen über das Tarifwesen, die hier verankert werden müssen. Das Ziel dieser Bestimmungen ist es, gleichmäßige Tarife für alle Eisenbahnen zu schaffen und vor allem bei durchlaufender Beförderung auf den Strecken mehrere in verschiedenem Besitz befindlicher Eisenbahnen die direkte Abfertigung und die Aufstellung durchgehender Tarife sicherzustellen.
Von Bedeutung ist ferner die Bestimmung, daß jede öffentliche Eisenbahn, also sowohl die Deutsche Bundesbahn wie die nichtbundeseigenen Eisenbahnen, den Anschluß und die Mitbenutzung ihrer Anlagen durch angrenzende andere öffentliche Eisenbahnen unter billiger Regelung der Bedingungen und der Kosten des Anschlusses zu gestatten hat.
Eine weitere grundlegende Bestimmung des Entwurfes umreißt erstmalig die koordinierende Aufgabe des Bundesministers für Verkehr gegenüber allen Eisenbahnen und allen sonstigen Verkehrsmitteln und schafft damit zum ersten Male im deutschen Verkehrsrecht eine ausreichende Rechtsgrundlage für diese wichtigste und schwerste Aufgabe des Bundesverkehrsministeriums, nämlich den Ausgleich der Interessen aller Verkehrsträger und Verkehrsmittel herbeizuführen.
Mit dem Erlaß des Allgemeinen Eisenbahngesetzes soll also eine Lücke geschlossen werden, die in der Praxis des Eisenbahnwesens bisher schmerzlich empfunden worden ist. Das Gesetz trägt durch die in ihm enthaltenen, sofort und unmittelbar anzuwendenden Rechtssätze dazu bei, das deutsche Eisenbahnwesen, das ein wichtiger Teil des gesamten europäischen Netzes ist, wenigstens im Bereich der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zusammenbruch wieder auf eine feste und tragfähige Basis zu stellen.
Der Deutsche Bundesrat hat dem Gesetz mit geringen Änderungswünschen zugestimmt, die von der Bundesregierung fast alle berücksichtigt werden konnten. Wir bitten daher, das Gesetz dem Verkehrsausschuß zu überweisen und dort beschleunigt zu verabschieden. Es ist wichtig, daß dieses Gesetz bald verabschiedet wird, weil es die Rahmengrundlage sowohl für das Bundesbahngesetz wie für die sehr weitgehend geförderten Landeseisenbahngesetze darstellt und weil vor allen Dingen den Landesregierungen und Landesparlamenten die Möglichkeit gegeben werden muß, diese Landeseisenbahngesetze — wie wir wünschen möchten, in einer möglichst koordinierten und abgestimmten Form — zu erlassen.