Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Abschluß der zweiten und vor Beginn der dritten Lesung dieses wichtigen Gesetzes darf ich kurz Ihre Aufmerksamkeit zu einer Erklärung in Anspruch nehmen.
Die Betreuung. der Kriegsversehrten, Kriegerwitwen und Kriegerwaisen ist ein besonderes Herzensanliegen der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat sich deshalb bemüht, dem Hohen Hause den Entwurf eines Gesetzes zur Versorgung der Opfer des Krieges so rasch als möglich zuzuleiten und die finanziellen Mittel für die Durchführung dieses Gesetzes im Haushalt bereitzustellen. Ich darf an die Erklärung erinnern, die ich im Namen der Bundesregierung im Ausschuß des Bundestages für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen in dessen erster Sitzung über die Beratung des Gesetzentwurfes abgegeben habe. Ich habe dort darauf verwiesen, daß die Bundesregierung bei der Vorlage des Gesetzes nach ihrer ehrlichen Überzeugung bis an die Grenze dessen gegangen ist, was sie der deutschen Volkswirtschaft und dem deutschen Steuerzahler an Belastungen noch zumuten zu können glaubt. Ich habe weiter darauf verwiesen, daß die Bundesregierung die Vorlage des Bundesversorgungsgesetzes wie ein Versprechen gegenüber den Kriegsopfern empfindet und trotz der zu erwartenden neuen Belastungen, die in absehbarer Zeit an die Bundesrepublik herantreten werden, gewillt ist, und sich in der Lage glaubt, die in dem Regierungsentwurf für das Bundesversorgungsgesetz vorgesehenen Leistungen zu übernehmen und zu erfüllen. Pflichtgemäß habe ich in dieser Erklärung darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung nunmehr eine erhöhte Verantwortung trägt.
Der Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 ist dem Bundesrat als der ersten zuständigen gesetzgebenden Körperschaft am 15. September 1950 zugegangen. Damit tritt zum ersten Male für alle Beschlüsse, die Bundestag und Bundesrat fassen und die die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Ausgaben des Haushaltsplans erhöhen oder neue Ausgaben in sich schließen oder für die Zukunft mit sich bringen, Art. 113 des Grundgesetzes in Wirksamkeit, d. h. die Bundesregierung muß in eigener Verantwortung die Zustimmung zu solchen Beschlüssen geben.
Ich darf an dieser Stelle von vornherein bemerken, daß die Bundesregierung wünscht, dem Gesetzentwurf auch in der Fassung, wie er in
der zweiten Lesung beschlossen worden ist, die Zustimmung geben zu können.
Um die schwierige Lage, in die sich die Bundesregierung versetzt sieht, dem Hohen Hause verständlich zu machen, darf ich eine verfassungsrechtliche Feststellung treffen und einige Zahlen nennen. Die Bundesregierung muß, nachdem der Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 den gesetzgebenden Körperschaften seit dem 15. 9. 1950 zugeleitet worden ist, in Beachtung der Verfassung von sich aus die Zustimmung für alle Beschlüsse einer der gesetzgebenden Körperschaften geben, die die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Ausgaben des Haushalts erhöhen oder neue Ausgaben in sich schließen oder für die Zukunft mit sich bringen. Dabei ist die Bundesregierung aber weiter an die verfassungsrechtliche Bestimmung des Art. 110 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes gebunden, die vorsieht, daß der Haushalt in Einnahmen und Ausgaben auszugleichen ist. Der Jahresbedarf für die Aufwendungen für Kriegsversehrte, Kriegerwitwen und Kriegerwaisen hat im Rechnungsjahr 1949/50, als diese Betreuung den Ländern obgelegen hat, im ganzen Jahr 1970 Millionen DM betragen. Im Haushaltsplan des Bundes für das Rechnungsjahr 1950/51 ist für denselben Zweck ein Zuschußbedarf von 2607,9 Millionen DM vorgesehen, also eine Mehrung gegenüber dem Vorjahr von 637,9 Millionen DM. Der Jahresbedarf für das Rechnungsjahr 1951/52 errechnet sich nach der Regierungsvorlage mit 3 034 Millionen DM; das ist also gegenüber dem Zuschußbedarf für das Rechnungsjahr 1950/51 eine weitere Steigerung von 426,1 Millionen DM. Die Bundesregierung glaubte, diese
B) Steigerung verantworten und die finanziellen Mittel hierfür zur Verfügung stellen zu können. Nach den Beschlüssen, die Sie nunmehr in zweiter Lesung des Gesetzentwurfes heute gefaßt haben, ergeben sich für das Rechnungsjahr 1951/52, also laufend, weitere Mehrausgaben von 207 Millionen DM, so daß sich also der Mehrbedarf für die Bundesrepublik im Rechnungsjahr 1951 gegenüber dem Rechnungsjahr 1950 auf insgesamt 630.8 Millionen DM stellen wird. Dazu kommt, daß sich durch die Einbeziehung der Stadt Berlin in dieses Gesetz ein weiterer Mehrbedraf von mindestens 60 Millionen DM errechnet. Der Gesamtbedarf für das Rechnungsjahr 1951 aus Bundesmitteln wird daher über den bisherigen Ansatz hinaus einschließlich der Stadt Berlin mit 690,8 Millionen DM anzusetzen sein. Der Mehrbedarf für das Rechnungsjahr 1950, das laufende Haushaltsjahr, errechnet sich, so wie der Haushaltsvoranschlag aufgestellt ist, unter Berücksichtigung von möglichen Einsparungen bei den Ausgaben für Kriegsfolgehilfe und unter Berücksichtigung der Tatsache, daß nach dem Inkrafttreten des Gesetzes die Rentenbescheide erst erteilt werden müssen, und auch bei Anspannung aller Kräfte der Verwaltung - wobei nicht alle Rentenbescheide noch im Laufe dieses Haushaltsjahres ausgestellt werden können — auf etwa 129,4 Millionen DM über den Haushaltsansatz hinaus. Im Rechnungsjahr 1950 kommen die Interessenguoten, die im Überleitungsgesetz vorgesehen sind, in Abzug, so daß also für den Bund allein ein Mehr-' betrag von 110 Millionen DM verbleibt. Es kommen aber noch die Mehrausgaben durch die Einbeziehung Berlins hinzu, die in diesem Jahr mit etwa 22,5 Millionen DM zu beziffern sind. In diesem Haushaltsjahr wird also der Gesamtbedarf
über den Haushaltsansatz von 2 607,9 Millionen DM hinaus voraussichtlich 132,5 Millionen DM betragen.
Die Bundesregierung ist verfassungsmäßig verpflichtet; den Haushalt in Einnahmen und Ausgaben abgeglichen vorzulegen. Sie ist daher verpflichtet, durch Berichtigungen des den gesetzgebenden Körperschaften bereits zugegangenen Haushaltsvoranschlages den Abgleich in Einnahmen und Ausgaben wieder zu sichern. Die Bundesregierung sieht sich damit vor eine sehr schwierige Aufgabe gestellt. Die Bundesregierung ist aber bemüht, diese Schwierigkeiten zu meistern; sie ist, um das Zustandekommen des Bundesversorgungsgesetzes weder zu gefährden noch zu verzögern, bemüht, ihr äußerst Möglichstes zu tun.
Ich hoffe, der Bundesregierung einen Weg vorschlagen zu können, der die Abgleichung des Haushalts dadurch ermöglicht, daß für die anfallenden Mehrausgaben entsprechende Deckungsvorschläge den gesetzgebenden Körperschaften gleichzeitig mit der Berichtigung des Haushalts vorgelegt werden. Ich darf wohl. die Erwartung aussprechen, daß die gesetzgebenden Körperschaften und die Bundesregierung zusammenwirken, um einerseits die durch die Verfassung nun einmal gegebene Verpflichtung zu erfüllen und andererseits den Kriegsversehrten, Kriegerwitwen und Kriegerwaisen die von uns als sittliche Aufgabe empfundene Betreuung durch das Bundesversorgungsgesetz so rasch wie möglich angedeihen zu lassen.