Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Beratung geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 1405 zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist antragsgemäß beschlossen.
Bevor ich den Punkt 11 der Tagesordnung aufrufe, habe ich folgendes zu unterbreiten. Mir ist zu dem soeben gefaßten Beschluß, die Beratung des Preisgesetzes auszusetzen, von mehreren Fraktionen der Vorschlag gemacht worden, für heute die gesamte weitere Beratung und Beschlußfassung über dieses Gesetz abzusetzen. Ich bitte diejenigen Mitglieder des Hauses, die diesem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war zweifellos die Mehrheit. Damit ist die weitere Beratung von Punkt 7 der Tagesordnung ausgesetzt.
Ich rufe nunmehr Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Eingaben gegen die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Reimann (Nr. 1406 der Drucksachen).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Ritzel.
. Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität habe ich an Stelle des heute verhinderten Herrn Abgeordneten Professor Dr. Brill die Berichterstattung übernommen.
In der Ihnen vorliegenden Drucksache Nr. 1406 sind zwei Kategorien von Eingaben aufgeführt, die
Proteste gegen die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Reimann von der KPD enthalten. Der Ausschuß hat sich gewissenhaft mit diesen verschiedenen Fragen befaßt.
Der Demokratische Frauenbund, Landesverband Hamburg, hat dem Präsidenten des Bundestages reit Schreiben vom 10. August 1950 eine Resolution folgenden Wortlautes übermittelt:
Der Demokratische Frauenbund Deutschlands, Landesverband Hamburg, protestiert aufs schärfste gegen die von der Bundesregierung vorgenommenen und vom Senat bestätigten Preissteigerungen der notwendigsten Lebensmittel wie Brot, Fett, Fleisch und anderes mehr. Die Frauen des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands sehen in dieser Tatsache eine unmenschliche Handlung der Regierung. Sie wehren sich mit aller Kraft gegen einen derartigen Angriff auf die Lebenslage ihrer Familien, der dazu beiträgt, die materielle Not im Volke noch zu vergrößern. Sie stellen sich schützend vor das Leben ihrer Kinder, die durch Kriegs- und Nachkriegsjahre gesundheitlich schwere Schäden erlitten haben. Die Frauen des DFD fordern von der Bundesregierung die sofortige Zurücknahme der Preissteigerungen, die dazu dienen, die Kriegspläne der amerikanischen Monopolisten zu unterstützen. Hamburger Frauen und Mütter sind nicht gewillt, mit ihrem Geld Kanonen statt Butter, Flugplätze statt Wohnungen, Luxusbauten statt Schulen zu bezahlen. Der Demokratische Frauenbund Deutschlands will ein geeintes und unabhängiges Deutschland und kämpft mit allen Frauen und Müttern der Welt für Frieden und ein Leben ohne Not und Entbehrungen.
Auch die Aufhebung der Immunität des Bundestagsabgeordneten Max Reimann, des Sprechers aller friedliebenden Menschen, ist ein Angriff auf die Lebensinteressen der Familien in Westdeutschland. Darum protestiert der DFD Landesverband Hamburg auf das schärfste gegen den von der Bonner Regierung entfesselten Angriff auf Max Reimann, welcher im Interesse aller Frauen und Mütter vorbildlich den Kampf für den Frieden wie auch den Kampf gegen soziale Verelendung führt.
Der Betriebsrat der Eisenwerke Mülheim/Meiderich A.-G., Meiderich, schrieb mit Datum vom 22. August 1950 an den Bundestagspräsidenten:
Entschließung
Die am 21. August 1950 versammelten Vertrauensmänner der Eisenwerke Mülheim/Meiderich A.G. Werk Meiderich protestieren auf das schärfste gegen das Verbot der Arbeiterpresse.
Wir sehen in dem Verbot der Arbeiterpresse sowohl wie in der Aufhebung der Immunität der Arbeiterabgeordneten einen Anschlag auf die demokratischen Rechte des werktätigen Volkes.
Mit Sorge verfolgen wir die Entwicklung in unserer Heimat und stellen fest, daß ehemalige führende Nazis und Kriegsverbrecher aus ihrer Haft entlassen werden, dagegen mutige und aufrechte Friedenskämpfer, die nichts anderes tun, als daß sie die gesamte friedliebende Menschheit aufrufen, den Kampf für den Frieden zu führen, in Gefängnisse und Kerker geworfen werden.
Aus der Erkenntnis heraus, daß wir nicht mehr gewillt sind, unsere demokratischen Rechte wie vor 1933 ohne weiteres hinzugeben, fordern die Vertrauensmänner der Eisenwerke Mülheim/ Meiderich A.G. Werk Meiderich die Aufhebung des Verbots der Arbeiterpresse sowie den parlamentarischen Schutz unserer Abgeordneten und die sofortige Freilassung der Friedenskämpfer.
Dann liegt eine Eingabe der KPD, Landesvorstand Bayern, vom 25. August 1950 vor, die allerdings lediglich die Weitergabe einer Protestresolution der Kommunistischen Partei, Kreisleitung Kronach, darstellt:
Die am 20. August getagte Funktionärkonferenz der KPD des Stadt- und Landkreises Kronach/Oberfranken, unter der sich langjährige Opfer des faschistischen Terrors befinden, protestieren aufs schärfste gegen die Aufhebung der Immunität des Bundestagsabgeordneten Max Reimann. Wir sehen in dieser Haltung eine Verhöhnung aller demokratischen Grundrechte, die noch mehr in Erscheinung tritt, da man auf der anderen Seite Nazi-Kriegsverbrecher freiläßt.
Schließlich gehört zu dieser Kategorie des ersten Teiles der Eingaben eine Resolution aus MünchenUntergiesing:
Die versammelten Mitglieder der KPD Untergiesing protestieren schärfstens gegen die Aufhebung der Immunität des Bundestagsabgeordneten Max Reimann. Dieser willkürliche Entzug der Immunität entbehrt jeder rechtlichen und demokratischen Grundlage und richtet sich gegen das deutsche Volk, weil mit der Entfernung Max Reimanns der einzigste und wür-
digste Vertreter der Interessen der arbeitenden
Bevölkerung ausgeschaltet werden soll.
Es ist uns klar: es soll nicht die Person Max Reimann ausgeschaltet werden, sondern die Spitze im nationalen Freiheitskampf und dem
Kampf um den Frieden gebrochen werden. Wir werden keinesfalls diese diktatorische Maßnahme tatenlos hinnehmen und uns mit allen Mitteln ganz entschieden dagegen wehren.
Zu diesen vorgelesenen Eingaben hat der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität einstimmig festgestellt, daß sie kein bestimmtes Petitum enthalten und nach § 64 der vorläufigen Geschäftsordnung des Bundestages für ungeeignet zur Beratung im Bundestag erklärt werden sollten.
Weiter liegt eine Resolution vor, unterzeichnet mit einem ziemlich unleserlichen Namen, das heißt Heinzel oder Heingel oder so ähnlich, folgenden Wortlauts:
Die am 18. August 1950 bei der öffentlichen Diskussion der Betriebsgruppe Optische Werke G. Rodenstock Anwesenden protestieren energisch gegen die Aufhebung der Immunität des Bundestagsabgeordneten Max Reimann und gegen die immer weitergehenden Verbote, die seitens der uns fremden Besatzungsmächte gegen die Zeitungen und Druckschriften der KPD fortlaufend ausgesprochen werden. Diese Maßnahmen, zu denen die Begründung buchstäblich an den Haaren herbeigezogen wird, sind mit den Begriffen von Demokratie und Meinungsfreiheit unvereinbar. Derartige Vorgänge erfolgen in demselben Augenblick, in dem die Vorbereitungen zu einem dritten Weltkrieg immer offenkundiger werden, der die vergangenen an Grausamkeit und Schrecken bei weitem noch übertreffen wird, und zwar nur deshalb, weil der Bundestagsabgeordnete Max Reimann und die Presse der KPD unermüdlich die Kriegsbrandstifter angeprangert haben.
Wir fordern deshalb vom Bundestag und vom Landtag Nordrhein-Westfalen, die gegen den vom Volke gewählten Bundestagsabgeordneten Max Reimann ausgesprochene Aufhebung der Immunität zu revidieren, und wir verlangen von den Hochkommissaren der ungebetenen Besatzungsmächte, die allen demokratischen Grundsätzen hohnsprechenden Verbote gegen die Organe der KPD wieder aufzuheben.
Was heute gegen die KPD geschieht, erfolgt morgen gegen die SPD,
übermorgen gegen die Gewerkschaften und gegen alle anderen Menschen, die es sich erlauben, gegen die Kriegsvorbereitungen der Bonner Regierung und der Besatzungsmächte ihre Stimme zu erheben.
Als diese Resolution Gegenstand der Beratungen im 3. Ausschuß war, lag ein Brief noch nicht vor, der mir in der Zwischenzeit übergeben worden ist. Es ist ein Brief der Optischen Werke G. Rodenstock, Geschäftsleitung, vom 25. September 1950 aus München, unterzeichnet von Kommerzienrat A. Rodenstock, Inhaber der Firma.
Betreff: Angebliche Eingabe eines Betriebs- K rates der Firma zugunsten des Abgeordneten Reimann.
Über den Bundestagsabgeordneten Herrn Frühwald habe ich erfahren, daß angeblich ein Betriebsrat des Unternehmens — die Firma hat zwei Werke mit je einem Betriebsrat — unter Berufung auf eine Betriebsversammlung eine Eingabe zugunsten des Abgeordneten Reimann eingereicht habe.
Eine Befragung der Betriebsräte in beiden Werken hat ergeben, daß kein Betriebsrat eine Eingabe an den Bundestag gerichtet hat; eine Betriebsversammlung hat seit 1. Mai überhaupt nicht mehr stattgehabt.
Da also eine Irreführung oder ein Mißbrauch vorzuliegen scheint, bitte ich um eine Abschrift der Eingabe, um die Angelegenheit in Gemeinschaft mit dem Betriebsrat aufklären zu können.
Ich wollte das ebenfalls dem Hohen Hause zur Kenntnis gebracht haben.
Dann liegt ein Telegramm der Belegschaft des Städtischen Krankenhauses Erfurt vor:
Die Belegschaft des Krankenhauses Erfurt erhebt schärfsten Protest gegen die Aufhebung der Immunität Max Reimanns. Wir fordern die Aufhebung dieses Beschlusses, um dem Abgeordneten weiter Gelegenheit zu geben, seine Pflichten zu erfüllen.
— Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um eine Sekunde Geduld. Ich bin gleich fertig.
— Aber man muß es doch vorlesen; wie soll das Hohe Haus sonst entscheiden?
An den Bundestag in Bonn. Protestentschließung.
Die am 28. 7. 50 stattfindende öffentliche Versammlung der KPD in Schwäbisch-Gmünd erhebt schärfsten Protest gegen die vom Bundestag beschlossene Aufhebung der Immunität des Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden der KPD Max Reimann. Die gegen ihn erhobene ungeheuerliche Beschuldigung ist nicht nur eine Verleumdung des Führers der Kommunistischen Partei, sondern auch aller Kommunisten Deutschlands. Sie ist der Provokation der Nationalsozialisten gleichzusetzen, die im Jahre 1933 den Reichstag in Brand steckten, um anschließend daran mit dem Terror gegen die Kommunisten zu beginnen. Die Anklage soll wie der Reichstagsbrand der Einleitung von weiteren Maßnahmen gegen die Partei des Volkes dienen, an deren Spitze Reimann seit Jahren mit allen aufrichtigen Deutschen den Kampf für den Frieden, die Freiheit und die Unabhängigkeit Deutschlands führt.
Die Versammelten verlangen die sofortige Wiederherstellung der Immunität und die Zurückziehung dieser böswilligen Anklage.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat zu dieser Gruppe der Eingaben beschlossen, dem Hohen Hause zu empfehlen, nach § 64 c der vorläufigen Geschäftsordnung des Bundestags diese Eingaben durch den Beschluß in bezug auf die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Max Reimann als erledigt zu erklären. Ich bitte das Hohe Haus, im Sinne dieses Antrages des Ausschusses zu beschließen.