Das Haus hat diese Erklärung zur Kenntnis genommen.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung: Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Aufwendungen für Kunstwerke .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen 40 Minuten Aussprachezeit und 10 Minuten für die Einbringung vor.
Dr. Koch , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorliegende Interpellation der Fraktion der SPD, Drucksache Nr. 1325, die Ihnen zu begründen ich die Ehre habe, hat, wenn ich so sagen darf, einen falschen Betreff. Es heißt dort: „Aufwendungen für Kunstwerke." Vielleicht wäre es richtiger gewesen, wir hätten statt dessen die Worte gewählt „Beziehungen der Bundesregierung zum Bundestag" oder noch besser und noch konkreter „Mißachtung des Bundestages und seiner Ausschüsse". Aber ich glaube, wir haben bei der Wahl des Themas das ungewöhnlichere Thema dem gewöhnlicheren und an dieser Stelle schon oft erörterten Thema vorgezogen.
Es handelt sich also nicht um die materielle Entscheidung — das möchte ich zu Beginn ganz besonders betonen —, inwieweit die bildenden Künste durch Steuermaßnahmen zu fördern sind. Es handelt sich nicht um die Entscheidung des in diesem Hause schon einmal behandelten Antrages der Fraktion der Bayernpartei vom 9. Dezember 1949 über die Förderung der bildenden Künste durch Steuermaßnahmen, in dem die Bayernpartei beantragte, die einmalige Aufwendung von Beträgen bis zu 1000 DM im Jahre für die Beschaffung von Kunstwerken lebender Künstler einkommen- und lohnsteuerfrei zu stellen. Dieser Antrag ist im Ausschuß für Finanzen und Steuern des Bundestags wiederholt behandelt worden. Es geht auch nicht um einen weiteren Antrag der Bayernpartei, der im Ausschuß gestellt und im Ausschuß nach eingehender Beratung abgelehnt worden ist. Es geht auch nicht um einen Antrag auf Änderung des Einkommensteuergesetzes. Ich darf daran erinnern, daß das Plenum diesen Antrag seinerzeit an den Ausschuß zurückverwiesen hat, so daß diese materielle Frage noch nicht entschieden und zunächst noch vom Finanzausschuß und von diesem Hohen Hause zu beraten ist. Es geht also nicht darum, ob wir das Mäzenatentum unterstützen wollen, nicht darum, ob zu den hohen Steuersenkungen der Einkommensteuerreform noch weitere Erleichterungen kommen sollen; es geht nicht darum, ob wir Kunst und Künstler fördern wollen, sondern uns interessiert lediglich die eine Frage, wie in diesem Falle wieder einmal die Bundesregierung von den Beschlüssen des Parlaments Kenntnis genommen und wie sie sich dazu verhalten hat.
Diese Vorlage hier gehört also nicht zu den üblichen Steuervorlagen, sondern sie reiht sich an die Drucksache Nr. 1176 betreffend die Entlassung des Bundeswirtschaftsministers Erhard und an die Drucksache Nr. 1259 betreffend die Entlassung des Bundesfinanzministers Schäffer an, deren Begründung uns der Herr Abgeordnete Seelos, immer noch schuldig ist.
Unsere Interpellation, meine Damen und Herren, richtet sich gegen Form und Art, in der die Regierungsmitglieder von den Arbeiten und den Beschlüssen des Parlaments Notiz nehmen, und sie behandelt die Frage, inwieweit — und das ist das Wichtige — die vom Parlament behandelten Fragen der Regierung für ihre eigenen Beschlüsse entzogen sind.
Ich habe Ihnen dargelegt, wie wir diesen Antrag behandelt haben und daß er noch nicht beantwortet ist. In dieser selben Zeit nun, meine Damen und Herren, legt uns der Bundesfinanzminister als Anlage zum Bundesanzeiger vom 6. Juli 1950 die Einkommensteuerrichtlinien vom 5. Juli 1950 vor. In diesen Einkommensteuerrichtlinien lesen wir, daß das Bundesfinanzministerium, also die Bundesfinanzverwaltung, die Frage, die wir erst beantworten wollen, par ordre de mufti von Amts wegen schon beantwortet hat, indem sie einfach bestimmte, daß Werke lebender bildender Künstler, die unbeschränkt steuerpflichtig sind, bis zu einem Betrag von 500 DM im Wirtschaftsjahr der Anschaffung ohne weiteres voll ab-. geschrieben werden können.
Meine Damen und Herren! In der Diskussion über den Antrag betreffend die Entlassung des Bundeswirtschaftsministers hat unser Vizepräsi-
dent, Herr Kollege Carlo Schmid, dem Sinne nach etwa das Folgende gesagt: „Die parlamentarische Demokratie erschwert den Betrieb der Demokratie; sie heißt Verzicht auf Patentlösungen. Sie heißt aber auch, diese Erschwerungen wollen, weil man weiß, daß allzu bequemes Regieren etwas kostet, nämlich die Freiheit." Auch in diesem Falle, meine Damen und Herren, haben wir es mit einer typischen Patentlösung zu tun, mit der Lösung einer Frage, die dieses Parlament und seine Ausschüsse zunächst noch beantworten wollen. In diesem Falle hat die Verwaltung uns wieder einmal vorgegriffen ohne Rücksicht darauf, daß ein ablehnender Beschluß des Finanzausschusses vorlag, ohne Rücksicht darauf, daß unsere Beratungen noch nicht abgeschlossen waren. Der Finanzausschuß hatte mit Staunen davon Kenntnis genommen, daß das Bundesfinanzministerium diese Frage bereits beantwortet hatte, und hat sich in seiner Sitzung vom 12. Juli 1950 ausdrücklich gegen diese Bestimmungen der Finanzverwaltung verwahrt.
Ich darf aus dem Protokoll des Ausschusses vorlesen: „Die Mehrheit des Ausschusses ist mit dem Vorsitzenden der Meinung, daß diese Bestimmung gesetzwidrig ist, und spricht sich dafür aus, daß sie vom Finanzministerium zurückgenommen wird." Wir haben bisher noch nichts davon gehört, daß diese Bestimmung zurückgenommen wurde.
Zur Zeit, meine Damen und Herren, beschäftigt uns ein ähnlicher Fall, der genau in der hier eingeschlagenen Linie liegt. Dem Parlament liegt eine Reihe von Anträgen über den Sitz der Branntweinmonopolverwaltung vor. In einem edlen Wett-
streit, wie Sie wissen, wie sich seinerzeit die Städte um die Heimat Homers stritten, streitet sich heute etwas prosaischer ein halbes Dutzend Städte um den Sitz der Branntweinmonopolverwaltung. Am 12. September ging ein Antrag Nürnbergs ein; es folgten Anträge von Bückeburg, Offenbach, Koblenz und Münster. Diese Aufzählung soll keine Aufforderung sein, diese Anträge zu vermehren; aber nach dem Bekanntwerden der ersten Anträge, meine Damen und Herren, legte uns die Bundesregierung den Bescheid vor, daß sie sich für Bückeburg entschieden habe. Ich kann zu meiner Freude mitteilen, daß darauf der Ausschuß für Finanzen und Steuern des Bundestags die inzwischen einzig richtige Antwort erteilt hat, nämlich die, daß für die Beantwortung dieser Frage, nachdem das Parlament die Frage durch diese Anträge an sich gezogen hat, ausschließlich das Plenum des Bundestags zuständig ist. Wir werden das Gesetz über die Branntweinmonopolverwaltung entsprechend abfassen.
Wir bezwecken mit dieser Interpellation, daß sich das Parlament noch einmal wieder und ein für allemal gegen derartige Eigenmächtigkeiten der Verwaltung verwahrt und daß ein für allemal die Stellung festgelegt wird, die die Verwaltung in diesen Fragen gegenüber dem Parlament hat. Wenn es so weiterginge, wie es hier begonnen ist, dann könnten wir unsere Arbeit einstellen und die Entscheidung ein für allemal den Verwaltungen der einzelnen Ministerien überlassen.
Meine Damen und Herren, es kann nur eine Antwort auf die Frage geben, wer wem verantwortlich ist und wer wessen Beschlüsse durchzuführen hat. Die Antwort auf diese Frage ist so banal,.
daß ich sie hier gar nicht aussprechen möchte. Es geht um die formelle Frage, um die Kernfrage der Stellung des Parlaments zur Verwaltung. Wir fragen daher die Bundesregierung, ob ihr bekannt ist, daß der Ausschuß des Bundestags — ich darf es gekürzt wiedergeben, was wir schriftlich niedergelegt haben —: diese Frage, die die Regierung bejaht hat, bereits verneint hatte. Ich darf weiter fragen, ob der Bundesrat entsprechend unterrichtet worden ist, als er seine Zustimmung zu den Richtlinien der Regierung gab. Ich bitte, in der Antwort uns nicht etwa den Unterschied zwischen Sonderausgaben und Abschreibungen klarzumachen. Ihn kennen wir ebensogut wie die Verwaltung; darum geht es nicht. Der Bundesfinanzminister hat in Mainz gesagt, er möchte fröhliche Steuerzahler um sich sehen. Wenn er nun damit beginnt, die Künstler in dieser Weise zu fördern, so verrät das sein eigenes Münchener Herz. Aber ich glaube, wir sollten uns ausbitten, daß er derartige Dinge nicht unter Mißachtung des Parlaments tut, also nicht gegen uns, sondern ausschließlich mit uns.