Rede von
Willi
Eichler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch meine Fraktion hat selbstverständlich keinen Anlaß, diesem Antrag hier zu widersprechen. Die Begründung des Antrages allerdings nötigt uns, einige Worte zu dieser Sache zu sagen, nämlich die Begründung, daß die Erklärung über die Diäten usw. nötig sei, um in der Offentlichkeit kursierenden Gerüchten entgegenzutreten. Gerüchte werden ja selten aus dem blauen Himmel heraus in Umlauf gesetzt, und die Art, wie hier Gerüchte gemacht wurden, scheint uns einer etwas grundsätzlicheren Betrachtung wert zu sein.
Diesmal kamen die Gerüchte ganz offenbar, soweit sie in der Öffentlichkeit festzustellen waren, von der bekannten Zeitung mit dem anspruchsvollen Titel „Die Welt". Und „Die Welt" im Gegensatz zu der übrigen Welt, in der man sich bekanntlich nicht langweilt, hat sich offenbar in den Ferien gelangweilt
und meinte, sie müßte an die Spitze ihres Blattes, so als wenn es sich dabei um die erheblichste Meldung der Welt handelte, einen Querschuß auf die deutsche Delegation, auf die deutschen Delegierten nach Straßburg abschießen, und brachte dort also die Meldung, die Delegierten hätten 250 000 DM zur Bestreitung ihrer Unkosten angefordert. Von dieser Summe sollten Tagegelder in Höhe von jeweils 72 DM gezahlt werden, außerdem die Kosten für den Unterhalt von je 40 Kraftwagen und der dazugehörigen Fahrer. Sie machte dann eine sehr einfache Rechnung auf. Die 250 000 DM teilte sie durch 36 und kam also zu dem überraschenden Ergebnis, daß jeder Delegierte für sich 7000 DM für die drei Wochen in Straßburg beanspruchte; also ganz gewiß eine erhebliche Summe.
Nun, meine Damen und Herren, diese Meldung ist in der ganzen Art, wie sie aufgezogen wird, typisch für eine Reihe von Berichterstattungen gerade über das Parlament.
Selbst einmal angenommen, der Berichterstatter
hätte wirklich geglaubt, 250 000 DM hätte die Delegation angefordert, dann hätte ihm selbst bei
unterdurchschnittlicher Begabung für seinen Beruf
klar sein müssen, daß die Kosten für eine Delegation von Parlamentariern ins Ausland ja nicht nur darin bestehen, daß die Abgeordneten und Delegierten im Ausland etwas zu essen und ihr Hotelzimmer zu bezahlen haben, sondern daß dazu sachliche Ausgaben kommen wie die Aufrechterhaltung eines Sekretariats im Ausland, die Beschäftigung von Übersetzern usw. usw., daß also weitaus der größte Teil von diesen 250 000 DM, wenn sie schon angefordert worden wären, nicht einfach auf die persönlichen Kosten für jeden Abgeordneten hätte umgerechnet werden dürfen.
Ich glaube, daß das selbst der „Welt" eigentlich
ohne besondere Belehrung hätte klar sein können.
Nun, meine Damen und Herren, es geht allerdings weiter. Mir liegt hier eine Zeitung vor, die einer der Regierungsparteien nahesteht. Diese Zeitung hat nach der ersten Berichtigung dieses abenteuerlichen Unfugs in der „Welt" — die meint, daß ihre Geschichte, die in der „Welt" erscheint, Weltgeschichte mache —
eine nach meinem Gefühl außerordentlich deplacierte Karikatur unter der Überschrift „Café de l'Europe" gebracht, einige Delegierte sitzend darstellend, worunter steht: die 72 DM, die wollen ja schließlich verbraucht werden.
Verehrte Anwesende, so geht es nicht. Eine Zeitung, die einer der Regierungsparteien nahesteht, sollte doch die Möglichkeit haben, hinreichend Informationen zu besitzen.
— Das sind die „Ruhr-Nachrichten", Tageszeitung
für Westdeutschland. Das Bild können Sie, soweit Sie es von dort aus erkennen können, gleich hier zur Kenntnis nehmen.