Rede von
Dr.
Luise
Rehling
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Bei der Lektüre der Drucksache Nr. 1319 könnte man — ich sage: könnte man — in Versuchung kommen, zu glauben, daß es sich hier noch um eine Nachwirkung der Verärgerung handele, die die Antragsteller über die Nichtbeteiligung ihrer Fraktionen an der Straßburger Delegation in der 79. Sitzung des Deutschen Bundestages zum Ausdruck brachten. Ich will aber gern unterstellen, daß sie sich bei der Abfassung des Antrags von der ehrlichen Sorge um das Ansehen ihrer nach Straßburg entsandten Kollegen und von dem Bestreben haben leiten lassen, die unwahren Darstellungen eines gewissen Teils der deutschen Presse zu berichtigen.
Der Herr Abgeordnete Schuster hat vorhin gerügt, daß von Bonn aus nichts geschehen sei, um diesen Äußerungen von vornherein Einhalt zu gebieten. Ich möchte ihn daran erinnern, daß nach dem Auftauchen der ersten Falschmeldungen der Sprecher der Delegierten, der Abgeordnete Dr. Pünder, eine Pressekonferenz veranstaltet und versucht hat, diese Falschmeldungen einzudämmen. Im übrigen dürfte man ja auch einmal dem Wunsche Ausdruck geben, die Presse möge ganz grundsätzlich ihre Aufgabe in erster Linie darin sehen, über l die sachliche Arbeit der Abgeordneten zu berichten, und nicht immer schon von vornherein ihrer Phantasie in der Berechnung der Diäten und sonstigen Einkünfte, die die Abgeordneten bei dieser Arbeit bekommen, die Zügel schießen zu lassen.
Wir kennen alle aus der im vergangenen Jahr immer erneut angeschnittenen Debatte über die Bezüge der Bundestagsabgeordneten das Bemühen eines Teils der Journalisten, unsere Tätigkeit in der Bevölkerung zu diskreditieren. Diese Journalisten haben diese Tendenz im vorliegenden Falle wieder einmal unter Beweis gestellt. Wie sich eine auf bloße Annahmen gestützte Orientierung der öffentlichen Meinung mit einer verantwortungsbewußten Berichterstattung verträgt, ist mir schlechthin unverständlich.
Es drängt sich einem — je länger, je mehr — der Verdacht auf, daß es sich bei diesen Elementen um Leute handelt, denen früher nicht mit Menschen- und nicht mit Engelszungen klarzumachen war, daß die Machthaber im Dritten Reich politische Hasardeure oder skrupellose Verbrecher waren,
und die nun heute immer wieder versuchen, diejenigen, die ihre Kraft, ihre Zeit und ein beachtliches Maß von Idealismus an die mühselige Arbeit wenden, den von den verflossenen Regenten bis über die Achse in den Dreck gefahrenen Karren Millimeter für Millimeter herauszuziehen, in der Öffentlichkeit zu verleumden.
Das Tollste an Brunnenvergiftung und gewissenloser Verleumdung, was mir im Zusammenhang mit dem vorliegenden Falle zu Gesicht kam, ist eine „Europäischer Urlaub!" überschriebene und in Fettdruck gesetzte Mitteilung der illustrierten Zeitschrift „Revue", die in München erscheint und sich zu der Behauptung verstieg, die Delegierten hätten für die drei Wochen ihres Straßburger Aufenthaltes pro Person 7 000 DM verbrauchen und 40 Wagen und Fahrer mitnehmen wollen. Für wie unterbelichtet bezüglich der Urteilsfähigkeit hält solch ein Blatt eigentlich seine Leser, wenn es ihnen zumutet, zu glauben, daß wir noch vier Wagen mehr mitzunehmen wünschten, als die Delegation einschließlich der Stellvertreter an Mitgliedern zählte? Wir persönlich müssen uns energisch dagegen verwahren, für so dumm und geschmacklos gehalten zu werden, daß man uns zutraut, wir würden bei unserem Debut im Europarat als Vertreter eines Volkes, das den größten Krieg seiner Geschichte hundertprozentig verloren hat und immer noch zu einem guten Teil auf Pump lebt, mit großen Allüren auftreten.
Auf Grund des vom Sekretär der Delegation vorgelegten Berichtes dürfte es sich mittlerweile — wenigstens unter den Abgeordneten dieses Hauses — herumgesprochen haben, daß nur ein Dienstwagen von Bonn angefordert wurde, dessen Fahrer noch dazu Arbeiten im Büro mit zu erledigen hatte; außerdem hatten noch etwa sieben bis acht Abgeordnete ihre Privatwagen bei sich.
Es ist bedauerlich, daß die Pressevertreter, diE eine so unerfreuliche Begleitmusik zu unserem Start nach Straßburg lieferten, nicht die Gelegenheit wahrnahmen, einmal die Büroräume in dei Veranda des Restaurants Baeckehiesel zu photogra-
phieren, um die deutsche Öffentlichkeit davon zu unterrichten, unter welch primitiven Bedingungen die auf eine Mindestzahl beschränkten Büroangestellten ihre Arbeit zu tun hatten,
und daß bei den Gesamtsitzungen der Delegation die Delegierten teilweise auf dem Flur sitzen mußten, weil sie in dem kleinen Raum keinen Platz hatten.
Aus dem vorerwähnten Bericht geht hervor, daß die Delegation von den angesetzten 175 000 DM in Straßburg — Bürokosten und alles sonstige eingerechnet — 55 000 DM, also nicht ein Drittel, verausgabt hat. Dazu kommen noch Ausgaben, die hier in Bonn unter anderem für Schreibmaschinen gemacht wurden. Darüber werden Ihnen noch detaillierte Aufstellungen zugehen.
Ein Fixum haben die Delegierten überhaupt nicht bekommen, ebenfalls keine Spesen. Was die Fahrtentschädigung anlangt, so werden pro Sitzungsperiode zwei Fahrten vergütet, wobei die Kilometergelder genau so berechnet werden wie hier. Was die Tagegelder anlangt, so haben wir den mittleren Betrag dessen genommen, was von der Regierung Anfang August für in Frankreich tätige Regierungsbeamte festgesetzt wurde. Für Paris beträgt dieser Satz 70 DM, für das übrige Frankreich 50 DM.
Da Straßburg während der Tagung des Europarats naturgemäß und unwiderleglich eine Verteuerung aufzuweisen hatte, haben wir das Tagegeld auf 60 DM = 5000 frs. festgelegt. Das erschien auch im Vergleich mit den anderen Delegationen als durchaus angemessen. Man hat uns darauf hingewiesen, daß die Diäten der Franzosen niedriger gewesen seien. Es dürfte aber wohl bekannt sein, daß Inlands- und Auslandsdiäten nirgendwo gleich sind. Die Engländer hatten insofern höhere Bezüge als wir, als sie neben ihren 4 Pfund noch Übernachtung und Frühstück bezahlt bekamen. Italiener, Türken und andere lagen wesentlich über dem deutschen Satz.
Zusammenfassend möchte ich sagen, daß die Diäten in Straßburg absolut dem entsprechen, was die Bundestagsabgeordneten hier in Bonn bekommen. Wir haben gar nichts vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Daher stimmt meine Fraktion dem Antrag Drucksache Nr. 1319 zu, und ich möchte wünschen, daß die Journalisten, die die Falschmeldung in die Öffentlichkeit lancierten, soviel Ehrgefühl im Leibe haben, sie nach Bekanntgabe der amtlichen Ziffern auch zu berichtigen.