Rede von
Dr.
Hermann
Schäfer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Abgeordneter, darf ich darauf aufmerksam machen, daß die vorgesehene Redezeit abgelaufen ist. Ich bitte Sie, abzuschließen.
Dr. Lütkens , Interpellant: Das bestätigt nur: die Stärke des Herrn Bundeskanzlers in der heutigen Regierung beruht nicht auf der Stellung, die ihm das Grundgesetz zuspricht; denn der Art. 65 des Grundgesetzes schiebt den Ministern ausdrücklich eine eigene Verantwortung zu. Er legt ausdrücklich fest, daß über Meinungsverschiedenheiten unter den Ministern die Bundesregierung, also das Kabinett entscheidet.
Dieser Art. 65 bestimmt, daß der Bundeskanzler die Geschäfte der Regierung nach einer Geschäftsordnung, also nicht nach seinem Ermessen, zu führen habe. Diese Geschäftsordnung muß nach der Verfassung vom Kabinett beschlossen und von dem Herrn Bundespräsidenten genehmigt werden. So bestimmt es die Verfassung. Damit ist klar zum Ausdruck gebracht, daß es sich bei der Geschäftsordnung nicht um ein Papier handelt, nach dem rein formelle Angelegenheiten zu erledigen wären, sondern daß es sich bei der Geschäftsordnung um ein Dokument handelt, in dem Fragen materieller und staatsorganisatorischer Art in eine Rechtsform zu bringen sind. Andernfalls hätte es für den Verfassunggeber keinen Sinn gehabt, in diesem Fall von der Genehmigung durch den Herrn Bundespräsidenten zu sprechen. Infolgedessen ist eine solche Geschäftsordnung ein Teil unseres verfassungsmäßigen Lebens, und soweit mir bekannt, gibt es bis heute noch keine Geschäftsordnung des Kabinetts. Das ist der Grund, warum es nicht möglich ist, eine kohärente Politik der Bundesregierung gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber ihren Beamtenkörpern zu finden. Es ist die Versäumnis der Ressortminister, daß sie dem Herrn Bundeskanzler, falls es nötig wäre, bisher eine solche Geschäftsordnung nicht haben abzwingen können.
Es ist die Schwäche der Bundesminister, die zu
einer Überstärke des Herrn Bundeskanzlers geführt
hat. Aber diese Überstärke des Herrn Bundeskanz-
lers ist die Schwäche seiner Regierung und damit der Regierung unseres ganzen Volkes.
Meine Damen und Herren! —