Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Dr. Hammer haben mich mehr als verwundert. Ich habe es für unmöglich gehalten, daß ein Arzt in der Lage ist, die Sozialversicherung, ihre Träger und ihre Wirkungen so zu schildern, wie dies hier von Herrn Dr. Hammer geschehen ist. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, so hat ex. in seinem Beispiel zum Ausdruck gebracht, daß der Landmann in relativ kürzerer Zeit bei ein und demselben Leiden oder bei ein und derselben Kranheit wieder gesunde als der Arbeiter, der die doppelte und eine noch längere Zeit benötige. Das bedeutet doch praktisch, daß der Arbeiter als ein Drückeberger und Simulant bezeichnet wird. Daß diese Ansicht ausgerechnet von einem Arzt und Mitglied dieses Hohen Hauses vertreten wird, finde ich mehr als eigenartig.
Es ist bekannt, daß gewisse Bestrebungen bei Ärzten vorhanden sind, die Krankenversicherung wesentlich zu ändern. Diese Bestrebungen sind aber nicht aus Erwägungen hervorgerufen, die im Interesse der Versicherten oder der Versicherungsträger, also der Krankenkassen, liegen, sondern man gewinnt immer und immer mehr den Eindruck, daß hier besondere Interessen vorliegen, wenn man hört, daß die Karenztage von drei auf sieben erhöht werden sollen, daß die Arzneikosten zu 40 bis 50 % von den Versicherten getragen werden sollen und daß die Arztkosten vom zweiten bis zehnten Besuch — nicht der erste und nicht der elfte — vom zweiten bis zehnten Besuch von den Versicherten getragen werden sollen.
Solche und ähnliche Vorschläge wurden in einem Artikel, der im Bundesarbeitsblatt erschienen ist, von einem namhaften Arzt gemacht. Solche und ähnliche Vorschläge haben wir in den letzten Wochen in den größeren Tageszeitungen gelesen,
bei denen es hieß: vom Bundesarbeitsministerium erfahren wir oder soll verlautet worden sein oder so ähnlich. Als man versuchte
— ich will es doch schon sagen, Herr Kollege Arndgen; warum so temperamentvoll? —, die Sache zu klären, wurde vom Arbeitsministerium erklärt, daß dies nicht vom Bundesarbeitsministerium gekommen sei. Die Meldung muß also von anderen Kreisen gekommen sein, vielleicht von den Kreisen, die erstmals im Mai dieses Jahres den Artikel im Bundesarbeitsblatt gebracht haben. Das zu dieser Sache.
Nun die Frage: große oder kleine Krankenkassen? Meine Damen und Herren, bedenken Sie doch eins! Die Statistik sowohl bei den Ersatzkassen als auch bei den Ortskrankenkassen usw. hat ergeben, daß ein Angestellter der Krankenkasse auf ca. 800 Versicherte kommt. Wenn wir nun die Zahl von 1000 in unserem Vorschlag zugrunde gelegt haben, so aus der ganz einfachen Erwägung, daß wir sagen: es soll nur in den Betrieben oder bei der Innung eine Krankenkasse errichtet werden, wo mindestens ein Angestellter des Betriebs freigestellt werden kann, der also voll mit der sozialen Aufgabe der Krankenkasse ausgelastet ist.
— Das ist nicht bei 300 Leuten der Fall, verehrter Kollege Atzenroth. Die statistischen Unterlagen beweisen, daß bei den Krankenkassen auf 800 Versicherte ein Angestellter fällt. Da nun bei den Betriebskrankenkassen die Beiträge vom Arbeitgeber direkt vom Lohn abgezogen werden, kann man bei diesen Kassen sehr wohl auf 1000 gehen. Nicht mehr und nicht weniger will der Antrag.
— Im Wirtschaftsrat lagen die Dinge an und für sich insofern anders, als Sie den Antrag, daß die Versicherten selbst zu entscheiden haben, ablehnten. Das ist das nächste Problem. Sie, meine Damen und Herren, haben zu entscheiden, ob eine Gruppe oder ein Betrieb sich nun aus dem Solidaritätskreis der Versicherten, aus dem Kreis der gegenseitigen Hilfe loslöst und eine besondere Krankenkasse bildet; die anderen können vor die Hunde gehen.
Es wird in aller Kürze, wenn dieses Gesetz von Ihnen abgelehnt wird, zur Tatsache werden, daß die Ortskrankenkassen die Armeleutekrankenkassen sind, daß trotz der relativ höheren Beiträge die Leistungen zurückgehen, denn den Ortskrankenkassen verbleiben dann nur die schlechten Risiken, die in der Versicherung eine große Rolle spielen. Sie werden in ihrem durchschnittlichen Grundlohn zurückgehen müssen, sie haben dann nicht die Einnahmen, die sie brauchen, um die gesetzlichen Mindestleistungen zu erfüllen. Aus diesen Erwägungen heraus haben wir den Antrag gestellt, daß die Gesamtheit der Versicherten eines Versicherungsamtsbezirks nach demokratischen Grundsätzen in geheimer Abstimmung ebenso wie die Gesamtheit der Arbeitgeber zu entscheiden hat, ob besondere Krankenkassen noch neben den bereits bestehenden zugelassen werden oder nicht. Ich beantrage deshalb, den Gesetzentwurf dem Sozialpolitischen Ausschuß zu überweisen.