Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe dieser Tage beim Hauptamt für Soforthilfe nachgefragt, welche Mittel für die Realisierung unseres Antrags vom 4. Juli 1950 in absehbarer Zeit zur Verfügung stünden. Ich erhielt daraufhin die Auskunft, daß am 15. Juli 1950 103 Millionen DM unverplante Mittel zur Verfügung standen und daß für das laufende Jahr noch mit einem Aufkommen von 500 Millionen DM gerechnet werden kann.
Diese Auskunft veranlaßt uns, unseren Antrag abzuändern und dabei auch den zweiten Teil des Abänderungsantrags der SPD-Fraktion Drucksache Nr. 1195 mit zu berücksichtigen. Der so abgeänderte Antrag lautet dann:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht,
1. dahin zu wirken, daß die für die Hausrathilfe bestehende Antragssperre sofort aufgehoben wird;
2. die Richtlinien für die Verteilung der Soforthilfemittel dahin zu ändern, daß die Hausrathilfe an die erste Stelle hinter der Unterhaltshilfe gesetzt wird.
Der zweite Teil dieses Antrags deckt sich mit dem zweiten Teil des SPD-Abänderungsantrags.
Das Gesetz zur Milderung sozialer Notstände vom 8. August 1949 sieht zwei Gruppen von Leistungen an die Geschädigten vor, erstens die Unterhaltshilfe, auf die der betreffende Personenkreis einen Rechtsanspruch hat und zweitens eine ganze Reihe von Fakultativhilfen, die dann geleistet werden, wenn die dafür notwendigen Mittel vorhanden sind. Solche Hilfen sind die Ausbildungshilfe, die Aufbauhilfe, die Hausrathilfe und die Gemeinschaftshilfe.
Nach §§ 70 und 71 des Soforthilfegesetzes verwaltet der Präsident des Hauptamtes für die Soforthilfe den Soforthilfefonds. Er ist dabei an Richtlinien gebunden, die das Kabinett beschließt und
die der Zustimmung des Kontrollausschusses beim Hauptamt bedürfen. Das bedeutet hinsichtlich aller Hilfen außer der Unterhaltshilfe, daß das Kabinett Richtlinien aufstellt, der Kontrollausschuß darüber zu entscheiden hat und der Präsident des Hauptamts die so genehmigten Richtlinien im Einvernehmen mit dem Kontrollausschuß und nach Anhören des Beirats durchführt.
Das Kabinett hat am 23. Dezember 1949 solche Richtlinien beschlossen. Diese Richtlinien wurden in der darauffolgenden Sitzung des Kontrollausschusses mit dem Vorbehalt angenommen, daß weitere 70 Millionen DM für die Hausrathilfe bereitgestellt werden und daß eine Rangordnung in bezug auf die in den Richtlinien genannten vier verschiedenen Hilfen, nämlich erstens die Hilfe für den Wohnungsaufbau, zweitens die Aufbauhilfe, drittens die Ausbildungshilfe und viertens die Hausrathilfe, nicht bestünde. Darüber ist es bis zur Stunde zu keiner endgültigen Verständigung zwischen dem Kontrollausschuß und dem Herrn Bundesfinanzminister als dem Vertreter des Kabinetts in diesem Hause gekommen. Nachdem nun 100 Millionen bereits zur Verfügung stehen und die noch fehlenden 20 Millionen sicher in kürzester Zeit ebenfalls anfallen, erübrigt sich nach unserer Meinung der erste Teil des sozialdemokratischen Abänderungsantrags auf Drucksache Nr. 1195. Wenn das Hohe Haus unserem Antrag zustimmt, dann würde der Kontrollausschuß sofort die Möglichkeit haben, die Auszahlung der 120 Millionen DM für die Hausrathilfe zu beschließen. Es könnten damit in den einzelnen Ländern alle unerledigten Gesuche bis zu 30 Punkten unserer Grundliste erledigt werden. Es könnten aber auch alle Härtefälle erledigt und es könnten ebenfalls aus dem Personenkreis der neuen Gesuchsteller um Hausrathilfe nach Aufhebung des Antragsstops die Gesuche bis zu 30 Punkten befriedigt werden.
Es ist unbestritten, daß die Hausrathilfe eine besonders wertvolle Hilfe für die betroffenen Geschädigten ist.
Sie besitzt neben der Unterhaltshilfe die größte Streuung. Bis jetzt wurden eingereicht 3 700 000 Gesuche, davon bewilligt 1 440 000, abgelehnt, weil die Gesuche den gesetzlichen Bestimmungen nicht entsprachen, 68 000, unerledigt 2 200 000. Für die Hausrathilfe wurden bisher 252 Millionen bewilligt und ausgezahlt.
Für die Auszahlung der Hausrathilfe haben Beirat und Kontrollausschuß eine Punktliste aufgestellt, die die Dringlichkeit und den Vorrang nach dem Stand der Familie und nach dem Einkommen gruppiert. Es ist uns ein besonderes Anliegen, die Antragsteller bis zu Punkt 30 der Liste des Hauptamtes für Soforthilfe einheitlich in allen Ländern zu befriedigen. Die Hausrathilfe ist außerdem noch jene Hilfe, die rasch ausgezahlt werden kann, weil alle Vorarbeiten dafür fertiggestellt sind. Die Organisationen der Geschädigten, und zwar sämtliche, und alle Landesämter für Soforthilfe stimmen darin überein, daß die Bewilligung weiterer Mittel für die Hausrathilfe notwendig ist.
Aus dem in diesem Jahr noch zu erwartenden Aufkommen gedenkt das Hauptamt für Soforthilfe dem Beirat und dem Kontrollausschuß vorzuschlagen, weitere 80 Millionen für den Existenzaufbau, noch 30 Millionen für die Ausbildungshilfe, 20 Millionen für die Durchführung des Flüchtlingssiedlungsgesetzes als Beihilfe und ebenfalls auch noch 20 Millionen für den Wohnungsbau an Stelle feh-
lenden Eigenkapitals erststellig zur Verfügung zu stellen.
Es ist nicht richtig, wenn die Ansicht vertreten wird, als ob die Hausrathilfe in einem ungerechten Größenverhältnis zu den sogenannten produktiven Hilfen stünde. Während wir — d. h. das Hauptamt — für die Hausrathilfe bisher 252 Millionen verausgabt haben, sind für die produktiven Hilfen in dem gleichen Zeitraum 660 Millionen aufgewendet worden. Aus allen diesen Gründen bitte ich im Namen meiner politischen Freunde, dem von uns abgeänderten Antrag zuzustimmen.