Meine Damen und Herren! Der Ausschuß hat eine ganze Reihe von Vorschlägen vortragen lassen, von denen jeder einzelne zweifellos eine Menge von Möglichkeiten zur Ordnung dieses Gebietes eröffnet, auf dem heute chaotische Verhältnisse herrschen. Uns scheint es aber notwendig, in diesem Zusammenhang noch einige Worte darüber zu sagen, mit welcher Grundeinstellung an die Ausarbeitung dieser Einzelbestimmungen und Verordnungen herangegangen werden müßte.
Bei den früheren Auseinandersetzungen und auch bei Ausführungen, die seitens des Bundesfinanzministeriums gemacht wurden, sei es hier im Hause, sei es vor der Presse, mußte man den Eindruck gewinnen, als sei die Sorge unserer Behörden hauptsächlich die, eine Überschwemmung mit billigem Schmuggelgut von der anderen Seite zu verhindern bzw. wirkungsvoll einzudämmen. Das ist zweifellos eine Sorge, aber es ist nicht die einzige. Bei aufmerksamer Betrachtung der wirtschaftlichen Tendenzen in unseren eigenen Gebieten müssen wir zu der Feststellung kommen, daß hier Bestrebungen im Gange sind, den schwarzen Interzonenhandel mit dem Partner sauf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs in großem Stile zu pflegen.
Die Frage ist überhaupt: Welchen Wert haben die Bestimmungen, mögen sie noch so sorgfältig ausgearbeitet sein, wenn auf der andern Seite die Möglichkeit besteht, daß sie kaltblütig umgangen werden? Will der Partner, um den es sich hier handelt, überhaupt einen ehrlichen, einen anständigen, einen übersichtlichen Interzonenhandel? Diese Frage muß man, soweit es sich um die dort bestimmenden Kräfte handelt, mit Fug und Recht verneinen. Da heißt nicht, daß wir auf Grund dieser Erkenntnis von dem Versuch einer Ordnung des ganzen Gebietes Abstand nehmen. Das heißt aber, daß wir dieser Tatsachen ständig eingedenk sein müssen.
Meine Damen und Herren, es muß bei der Behandlung dieses Gegenstandes in diesem Hause gesagt werden, daß es bitter ist, wenn Leute von der Qualität des Herrn Orlopp und andere Handlungsreisende im politischen Interzonenhandel bei den zahlreichen Zusammenkünften, die sie hier mit Geschäftsleuten und mit anderen als Geschäftsleuten pflegen, teils vertraulich, teils offen darauf hinweisen können, daß sich ihre Behörden des Andrangs westlicher Geschäftsleute kaum erwehren können.
Es sind Zahlen genannt worden, die, wenn man sie z. B. in Berlin wiedergäbe, mit Recht die Entrüstung der Berliner, die aber auch hier die Entrüstung aller anständigen Menschen herausfordern müßten. Das, meine ich, mußte in dem Zusammenhang angetippt werden. Fürchten Sie nicht, daß ich darüber eine lange Rede halten will. Aber ich meine, wir liegen falsch, wenn wir bei der Ausarbeitung von solchen Bestimmungen diese Grundhaltung auch nur um einen Millimeter aus dem Auge verlieren.
Gestatten Sie mir eine weitere Bemerkung. Es handelt sich um eine groteske Tatsache, die sich im Laufe der letzten 14 Tage auf einer Veranstaltung einer sogenannten Gesellschaft für Ostzonenhandel ereignete. Als sie in Hamburg gestartet wurde, waren, wie es heißt, alle Beteiligten, ein-
I schließlich der als Beobachter teilnehmenden Vertreter von Behörden, der Meinung, das habe wirklich mit kommunistischer Infiltration nichts zu tun. — Jetzt wurde auf einer Tagung dieser Gesellschaft die Forderung nach „Liberalisierung des Interzonenhandels" erhoben. Das ist eine Forderung, die von einer Agentur der anderen Seite in unserem eigenen Gebiet erhoben wird! Man möchte uns zur Liberalisierung des Interzonenhandels verführen, während wir dort einem Partner gegenüberstehen, der mit dem Außenhandelsmonopol eisern manipuliert.
Gegenüber einem Partner, der eine so straff zentralisierte Wirtschaft hat, der einen Wirtschaftskrieg gegen uns führt, können wir nicht einfach mit fiskalischen oder Ordnungsbestimmungen darüber auskommen, was gemacht und was vermieden werden muß. Wir brauchen eine klare Sicht und ein Maximum von Kontrolle. Das richtet sich nicht gegen die Bevölkerung der sowjetischen Zone, sondern gegen die Machthaber dieser Zone, denen gegenüber wir Gefahr laufen, wirtschaftlich ausgenutzt, ausgelaugt, unterminiert zu werden.
Bitte, erlauben Sie mir, in dieser wirtschaftspolitischen Debatte ein politisches Wort zu sagen. Wir müssen, glaube ich, dahin kommen, daß es zu einer Sache der nationalen Ehre und des nationalen Anstandes wird, daß man vom Westen aus nicht mehr schwarze Geschäfte mit dem Osten macht,
sondern daß man vom Westen aus seine Ehre darein setzt, dafür zu sorgen, daß die Geschäfte im Rahmen des Erlaubten und damit im Rahmen des Übersichtlichen, des Kontrollierbaren getätigt werden. Ich weiß, was dagegen eingewendet werden mag, und ich weiß, wie hart die Bestimmungen und Hemmungen sind, die vielen Geschäftsleuten durch die Umstände auferlegt sind. Aber gegenüber einem Gegner, der einen politischen Krieg mit wirtschaftlichen Mitteln führt — das wurde erst gestern wieder auf dem SED-Parteitag durch den Mund des sogenannten Sowjetzonenpräsidenten Pieck bestätigt, der erklärt hat, die SED gehe ab sofort dazu über, im gesamt en deutschen Gebiet als Partei zu wirken, und zwar auch wirtschaftlich —, gegenüber einem solchen Gegner kommt man nicht mit einfachen fiskalischen Bestimmungen aus.
Große Sorge haben wir — das haben wir schon damals zum Ausdruck gebracht, als es sich um das Frankfurter Abkommen handelte — um die Berücksichtigung Berlins. Man kann dazu natürlich Versprechungen machen. Man könnte auch sagen, es liegt in aller Interesse, daß Berlin berücksichtigt wird. Aber denken Sie daran — und das ist eine Mahnung, die wir auch an die mit der Ausarbeitung dieser Bestimmungen befaßten Behörden richten —, daß die Erhaltung Berlins als einer Position in diesem kalten Wirtschaftskrieg ebenso sehr eine nationalpolitische Aufgabe wie eine Notwendigkeit ist. Wir müssen dem ostzonalen Partner in dieser Beziehung Bedingungen stellen. Wir sind doch in einer eigentümlichen Situation: vieles von dem, was wir produzieren, wird von denen, die über die dortige Wirtschaft bestimmen, dringend gebraucht. Andererseits gibt es auf unserer Seite Geschäftsleute in rauhen Mengen, die gern nach dort absetzen möchten. Hätten wir normale Umstände und hätten wir es mit einem normalen Partner zu tun, so wäre das eine rein innerdeutsche Angelegenheit, die wir leicht erledigen
könnten. Wir haben es weder mit normalen Umständen noch mit einem fairen Partner zu tun. Wir haben es, soweit es sich um die Machthaber auf der andern Seite handelt, mit einem Feind zu tun. Deswegen steht die Frage so, daß wir die Einschaltung Berlins, die beim Frankfurter Interzonen-Handelsabkommen als eine Art Anhang im Briefwechsel erschien — wahrscheinlich nicht aus bösem Willen, sondern so war damals die Situation —, nun erzwingen müssen.
Wenn man es erreicht, daß es zu einer Frage des Anstands wird, keine schwarzen Geschäfte mit der sowjetischen Besatzungszone zu machen, dann ist die logische Folge, daß man sich damit auch für das Anliegen Berlins einsetzt, und zwar in jeder Beziehung. Berlin muß Transitgebiet, Berlin muß beteiligt sein. Der damalige Wunsch, Berlin mit einem Drittel beteiligt zu sehen, ist bei der Durchführung des Frankfurter Abkommens — es liegen leider keine genauen Übersichten darüber vor — doch nur recht bruchstückweise in Erfüllung, gegangen. Wir sind in der Beziehung, daran sollten wir denken, die Begehrten mit unseren Waren. Wir sollten deswegen bezüglich der Beteiligung Berlins und seines Verkehrs kalt Bedingungen stellen. Denen unter unseren Geschäftsleuten, die um diese nationalpolitischen Bedingungen herumkommen wollen, um ein privates Geschäft zu machen, sollten wir sagen: Hier gibt es eine Grenze!
Wir sollten auch daran denken, daß der heute noch in führender Stellung bei den sowjetischen Wirtschaftsbehörden in der Zone arbeitende Herr Selbmann es vor dem Abschluß des Frankfurter Abkommens ausdrücklich abgelehnt hat — ich zitiere hier wörtlich aus einem Schreiben —, „in einen Vertrag über den Interzonenhandel die Bestimmung aufzunehmen, daß die gegenseitig zu liefernden Güter ausschließlich der deutschen Wirtschaft zugute kommen". Daran sollten wir immer denken, damit wir uns stets vergegenwärtigen, mit welchem Partner wir es bei diesem Geschäft und bei diesem Kampf zu tun haben. Dann werden diese Empfehlungen des Wirtschaftspolitischen Ausschusses in der richtigen Weise durchgeführt werden können.