Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der SPD wird dem ersten Antrag, nämlich dem Antrag des Zentrums Drucksache Nr. 656 über die Wiedereinführung der Befreiung nichtöffentlicher Schulen und Erziehungsanstalten von der Umsatzsteuer, zustimmen. Wir lassen uns dabei von der kulturellen Bedeutung dieser Schulen und von dem Gedanken leiten, daß sie Vorkämpfer des Fortschritts auf pädagogischem Gebiet gewesen sind und internationales Ansehen genießen. Diese Schulen üben keine unternehmerische Tätigkeit aus; und man kann wohl sagen, daß die Leiter dieser Schulen und die Lehrer in aller Regel pädagogische Fanatiker sind, die weniger an Gewinnerzielung und Unternehmen, denn an ihre pädagogische Aufgabe denken. Wir müssen daran denken, daß diese Schulen für den Staat Ersparnisse mit sich bringen. Wir müssen weiter daran denken — das wurde ja auch schon von dem Berichterstatter erwähnt —, daß mit der Annahme des Antrags nationalsozialistisches Unrecht wiedergutgemacht wird. Wenn wir diesem Antrag zustimmen, verbinden wir damit die Hoffnung, daß sich die soziale Schichtung in diesen Schulen immer mehr und mehr verbessern möge, so daß diese Schulen keine Standesschulen mehr sind, und daß man uns das Versprechen erfüllt, daß durch den Wegfall der Umsatzsteuer mehr und mehr Freiplätze geschaffen werden können, insbesondere auch für diejenigen Schülerkategorien, von denen der Berichterstatter sprach, also für die Kinder von Flüchtlingen und Vertriebenen. Soviel zu diesem Antrag.
Und nun zu dem anderen Antrag, zu dem interfraktionellen Antrag der SPD, der CDU/CSU und des Zentrums. Wenn wir uns mit diesem interfraktionellen Antrag auf Beseitigung der Sonderumsatzsteuer, also auf Beseitigung eines alten, krassen Unrechts zuwenden, dann bedenken Sie bitte, daß dieser Antrag nicht so sehr eine finanzpolitische Seite, sondern vornehmlich eine sozialpolitische und eine wirtschaftspolitische Seite hat. Wir wollen uns daran erinnern, daß diese Sonderumsatzsteuer in den Jahren 1930, 1931 und 1932 unter dem Druck der damaligen Wirtschaftspartei unseligen Angedenkens eingeführt wurde. Es war ein regelrechtes Erpressungsmanöver gegenüber der damaligen Regierung. Die Wirtschaftspartei erklärte, sie könne ihre Zustimmung zum Haushaltsplan 1931/32 nur geben, wenn diese Sonderumsatzsteuer eingeführt werde. Es war eine echte Kampf-
und Neidsteuer gegen die Großunternehmen des
Einzelhandels. Erlauben Sie mir, daß ich aus einem
führenden Umsatzsteuerkommentar über die Vorgeschichte dieser Steuer einige Sätze vorlese:
Der Kompromiß, der sich aus der besonderen politischen Konstellation ergab, lugt aus allen Winkeln hervor: Der Ansatz an einer Reihe von Steuern, um relativ kleine Steuermehrergebnisse herauszuholen, bei der Umsatzsteuer die krummen Zahlen von 81/2 vom Tausend für den allgemeinen Steuersatz und von 131/2 vom Tausend für die erhöhte Steuer
— was waren das für glückliche Zeiten! —;
die Verbindung mittelständlerischer Forderungen mit verhältnismäßig nicht sehr bedeutenden finanziellen Zielen.
Es entbehrt vielleicht nicht eines gewissen Reizes, daß diese Zeilen aus der Feder des Herrn Staatssekretärs Hartmann oder aus der des Sachbearbeiters im Finanzministerium, des Herrn Ministerialrats Dr. Thiem stammen.
Meine Damen und Herren! Ich darf Sie weiter an die Entscheidung des Wirtschaftsrats aus dem vergangenen Jahr erinnern. Sie erinnern sich, daß der Finanzausschuß des Wirtschaftsrats sich wiederholt für die Abschaffung dieser Steuer ausgesprochen, daß im Juni 1949 der Wirtschaftsrat den Antrag im Plenum auch angenommen hat und daß die Beseitigung dieser Umsatzsteuer lediglich deswegen unterblieb, weil das Zweimächte-Kontrollamt erklärte, die Beseitigung dieser Steuer sei Sache des Bundestags. — Meine Damen und Herren, ich sehe, ich muß mich kürzer fassen. —
Ich wollte noch von den betroffenen Kreisen sprechen. Einmal werden durch diese Sonderumsatzsteuer die Waren- und Kaufhäuser, die Filialgeschäfte, vor allem aber die Lebensmittelfilialgeschäfte betroffen — darauf möchte ich besondere Betonung legen —, dann aber auch Geschäfte wie Salamander. Wir erinnern uns daran, welche preisregelnde Kraft ein derartiges Geschäft in den vergangenen Jahren auf dem großen Gebiet des Schuhmarktes gehabt hat. Betroffen werden vor allen Dingen auch — ich bin meinem Vorredner von der CDU dankbar, daß er das erwähnt hat — die Konsumgenossenschaften. Sie, meine Damen und Herren, kennen die besondere Bedeutung dieser gemeinwirtschaftlichen Wirtschaftsform. Sie wissen, daß sie breiten Schichten der Bevölkerung dienen ohne die Absicht einer Gewinnerzielung. Sie wissen von der preisregulierenden Kraft und der Bedeutung der Genossenschaften; und Sie wissen, daß man auch an ihnen altes nationalsozialistisches Unrecht wiedergutzumachen hat.
Aber insbesondere betroffen, meine Damen und Herren, sind von dieser Sonderumsatzsteuer — da die Umsatzsteuer ja kalkulierbar ist — die breiten, sozial schwachen Schichten der Verbraucher. Die Sonderumsatzsteuer führt zu einer Wegsteuerung des Leistungsvorsprungs der rationell arbeitenden Großbetriebe und damit zu einer Behinderung des Wettbewerbs, von dem gerade auch Sie, meine Herren von der Rechten, sprechen. Insbesondere werden die Großbetriebe des Einzelhandels, also die Konsumgenossenschaften und die Warenhäuser getroffen, die lebenswichtige preisregulierende Funktionen ausüben. Ich möchte ein Wort des Herrn Abgeordneten Pelster, das er im Finanzausschuß gebrauchte, hier wieder aufgreifen: „Diese Sonderumsatzsteuer ist eine Prämie auf die Bequemlichkeit der Kleinbetriebe". Und ich darf daran erinnern, daß insbesondere auch der Herr Bundeswirtschaftsminister immer wieder auf die Bedeutung der Großbetriebe des Handels hingewiesen hat.
Ich möchte hier vieles von dem, was ich sagen wollte, überschlagen und noch auf eine Entschließung der Sozialausschüsse der CDU hinweisen, die sich sicherlich von diesen sozialen Gesichtspunkten haben leiten lassen, als sie am 8. und 9. Oktober 1949 in Königswinter auf einer Delegiertenkonferenz der Sozialausschüsse der CDU einstimmig beschlossen, daß die Neuregelung der Umsatzsteuer durch Beseitigung der Sonderbesteuerung der Konsumgenossenschaften seit 1930 einer ihrer Programmpunkte sei. Und dieser Beschluß wurde dann noch einmal bestätigt in den sogenannten Oberhausener Entschließungen der CDU, in denen es heißt, daß durch schnellste Beseitigung der bestehenden steuerlichen Benachteiligung der Konsumgenossenschaften im Umsatzsteuergesetz die Gleichstellung der Genossenschaften mit allen anderen Betrieben des Einzelhandels herbeigeführt werden müsse.
Aber auch aus den Kreisen des Einzelhandels — das wurde hier schon erwähnt —, hören wir ähnliche Stimmen; und ich möchte auf eine Entschließung der Hauptgemeinschaft des deutschen Einzelhandels zur Steuerreform vom Oktober 1949 hinweisen, die ausdrücklich eine gleiche Steuerbelastung für alle Wettbewerber gefordert hat. Ich habe bisher nicht gehört, daß man von dieser Entschließung abgerückt sei. Das könnte ich mir auch gar nicht vorstellen, weil sicherlich von all denen, die von der Gleichheit der Besteuerung sprechen, wohl niemand an den alten Traditionen der Wirtschaftspartei festhalten möchte, nicht wahr, Herr Abgeordneter Wellhausen?
Meine Damen und Herren! Wir wollen nicht etwa eine steuerliche Sonderstellung für die Konsumgenossenschaften oder für sonstige Großbetriebe des Einzelhandels. Es ist ein beliebtes Mittel im politischen Kampf, dem Gegner bestimmte Absichten zu unterstellen, um sie dann zu bekämpfen. So findet man immer wieder einen Knüppel, um den Hund zu schlagen. Den Genossenschaftlern unterstellen ihre Gegner, sie wollten eine steuerliche Sonderstellung. Davon kann gar keine Rede sein. Es ist immer wieder betont worden, daß wir keine steuerliche Bevorzugung verlangen — das ergibt sich auch aus einer Entschließung des Konsumgenossenschaftstages aus dem Jahre 1949 in Köln—, sondern wir fordern, daß die Konsumgenossenschaften nicht schlechter als die vergleichbaren und mit ihnen in Wettbewerb stehenden Wirtschaftsgruppen im Handel und Handwerk behandelt werden. Diese Kreise, für die ich hier spreche — es sind ja letzten Endes die weiten Verbraucherkreise, die durch diese Sonderumsatzsteuer betroffen werden —, wollen keine Sonderbehandlung im Steuerrecht, sie wollen nur steuerliche Gerechtigkeit. Wir wollen für die Verbraucher eine soziale Besteuerung.
Deshalb geben Sie Ihre Stimme für diesen Antrag ab, stimmen Sie für diesen interfraktionellen Antrag der CDU/CSU, der SPD und des Zentrums. Ich darf noch einmal daran erinnern, daß dieser Antrag im Ausschuß mit erheblicher Mehrheit angenommen worden ist.