Rede von
Hans
Böhm
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die hier von der FDP-Fraktion eingereichte Interpellation besitzt mehr als nur die Bedeutung einer Anfrage an die Bundesregierung. Denn mit dieser Interpellation offenbart sich eine ganz bestimmte Situation, wie wir sie heute in der deutschen Wirtschaft zu verzeichnen haben. Ich halte es aber für notwendig, einmal um die Kenntnisse des Herrn Begründers der Interpellation, des Abgeordneten Dr. Rademacher, etwas aufzufrischen, darüber hinaus auch zu den Begründungen des Herrn Arbeitsministers Storch noch einiges zu sagen.
Es trifft nicht zu, daß der Boykott der argentinischen Staatsreedereien nur deshalb erfolgte, weil in Argentinien einige Spitzenfunktionäre der Gewerkschaften inhaftiert sind. Das hat man schließlich auch in anderen Ländern. In Argentinien ist eine freie Gewerkschaftsbewegung seit langem verboten.
In Argentinien sind die Gewerkschaften gleichgeschaltet, und zwar bis auf eine Organisation, nämlich die der Transportarbeiter und Seeleute. Diese Organisation hat sich bemüht, mit den Staatsreedereien zum Abschluß eines Tarifvertrages zu kommen. Das ist aber bisher vom Staat abgelehnt worden.
Darüber hinaus hat sich, um den Streik in Argentinien beizulegen, die Internationale Transportarbeiterföderation bemüht, mit der staatlichen Leitung der Werften bzw. den Reedereien einen Tarifvertrag für die Seeleute und Transportarbeiter zu- standezubringen. Sie hat einen Vertreter nach Montevideo geschickt.
— Das interessiert uns wohl!
— Ich werde Ihnen gleich sagen, warum das interessiert!
Die argentinische Staatsregierung hat diesen Vertreter der Internationalen Transportarbeiterföderation nach Hause geschickt, ohne überhaupt den Versuch zu machen, die Dinge dort beizulegen.
Darauf hat die Föderation über sämtliche Schiffe der staatlichen argentinischen Reedereien den Boykott verhängt.
Die deutsche Gewerkschaftsorganisation Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr ist seit längerer Zeit wieder Mitglied dieser Föderation. Daher besteht die absolute Pflicht, sowohl für den Organisationszugehörigen als auch für die Gewerkschaft insgesamt, eine derartige Aufforderung, einen derartigen Beschluß der Internationalen Transportarbeiterföderation zu befolgen.
Meine Herren Interpellanten! Sie haben sich meiner Meinung nach den Zeitpunkt für diese Interpellation sehr schlecht gewählt.
— Ich überlasse es Ihnen gern; aber Sie müssen es uns überlassen, dazu unsere Meinung zu sagen.
Die Anfragen, die an die Regierung hier gestellt worden sind, laufen doch im Schluß auf nichts anderes hinaus, als ein Anti-Streikgesetz zu schaffen
bzw. dafür zu sorgen, daß für die Zukunft ähnliche Kampfmaßnahmen in Deutschland unterbleiben. Dabei lege ich Wert darauf festzustellen, daß vielfach das Interesse Deutschlands mit dem eigenen Profitinteresse verwechselt wird.
Nun zur Frage, die hier besonders in den Vordergrund gestellt wurde, daß in anderen Häfen Europas dieser Boykott nicht wirksam sei. Herr Rademacher hat bereits darauf hingewiesen, daß heute die Internationale Transportarbeiterföderation in Stuttgart tagt. Ich habe mir die Mühe gemacht, mich mit dem Leiter der Internationalen Transportarbeiterföderation in Verbindung zu setzen, und darf hier erklären, daß die Transportarbeiterföderation diesen Boykott heute auf ihrer Vollversammlung bestätigt und daß alle Länder, die der Föderation angeschlossen sind, sich an diesem Boykott beteiligen.
Darüber hinaus ist es nicht ausgeschlossen und auch nicht unmöglich, daß in einer Reihe von Häfen der seefahrenden Nationen im Anfang — bis dieser Boykott wirksam wurde — das eine oder andere Schiff noch be- oder entladen wurde. Aber das ist keine Begründung für die deutsche Gewerkschaftsbewegung,
sondern es kommt vielmehr auf folgendes an. Die
deutsche Gewerkschaftsbewegung hat in der Zeit
nach 1945 mit unendlicher Mühe versucht, dem deut-
sehen Volk wieder etwas Ansehen in der Welt zu verschaffen.
Es waren die Sendboten der deutschen Arbeiterbewegung und nicht zuletzt der Gewerkschaftsbewegung, die hinausgezogen sind und nicht immer
unter glücklichen und guten Umständen versucht
haben, die Nachkriegspsychose und den Völkerhaß
zu einer Zeit zu überwinden, als Sie, meine Herren
Interpellanten, noch nicht daran dachten, dies zu tun.