Ich habe noch weiter bekanntzugeben:
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 19. Juli 1950 die Anfrage Nr. 95 der Abgeordneten Strauß, Kemmer, Dr. Jaeger, Spies, Stücklen und Genossen — Drucksache Nr. 1111 — betreffend Einziehung zur Fremdenlegion beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 1198 verteilt werden.
Weiter habe ich mitzuteilen — ich bitte, dabei aufzumerken —: Der Ältestenrat hat in seiner gestrigen Sitzung beschlossen, in Anbetracht des vorliegenden Materials in der kommenden Woche drei Plenarsitzungen vorzusehen, wie folgt: 79. Sitzung am Mittwoch, dem 26. Juli, 9 Uhr; 80. Sitzung am Donnerstag, dem 27. Juli 1950, 9 Uhr; 81. Sitzung am Freitag, dem 28. Juli 1950, 9 Uhr, Die Sitzung am Donnerstag wird sich, soweit sich das heute übersehen läßt, bis tief in die Nacht hineinziehen.
Damit, meine Damen und Herren, rufe ich den Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Beratung der Interpellation der Abgeordneten Frau Dr. Steinbiß, Frau Kalinke, Dr. Hammer und Genossen betreffend Regelung von Gesetzen und Verordnungen der Länder auf Bundesebene .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, daß hier die
Begründung auf fünf Minuten zusammengezogen
werden soll. Es soll weiter keine Aussprache erfolgen. Sind die Damen und Herren einverstanden?
— Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Wer soll die Interpellation begründen? — Das Wort hat Frau Dr. Steinbiß.
Frau Dr. Steinbiß , Interpellantin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache Nr. 1082 liegt Ihnen eine Interpellation vor, die wir an das Innenministerium gerichtet wissen wollten. Leider ist in der Drucksache ein Schreibfehler unterlaufen, und ich bitte, beim Durchlesen darauf zu achten, daß es nicht „die ärztliche Zulassung zu den Krankenkassen" heißen darf, sondern daß es sich nur um die ärztliche Niederlassung überhaupt handeln soll.
Was hat uns nun zu dieser Interpellation bewegt? Auf nicht vielen Gebieten ist bei der Bevölkerung wie auch bei allen beteiligten Berufsständen der Wunsch nach einer einheitlichen und klaren Regelung so dringlich geworden wie auf dem Gebiete der gesundheitlichen Betreuung und gesundheitlichen Sicherung unserer Bevölkerung. Dieses große und vielseitige Gebiet umfaßt nicht nur die ärztliche Versorgung oder die Versorgung mit Arzneimitteln, sondern auch die gesamte Überwachung der Lebensmittel, die Bereitstellung gut ausgebildeter und vertrauenswürdiger Krankenschwestern, Hebammen, Masseure und vieles andere mehr. Die fünf Jahre seit dem Kriegsende haben den sicheren
und einheitlichen gesetzlichen Unterbau dieses ganzen Gebiets bereits spürbar angegriffen. Die Formen der Arzneiverordnungen z. B. sind in den Ländern schon recht unterschiedlich geworden. Auch die Ausbildungszeiten und die Ausbildungsformen der Ärzte, namentlich in der Zeit zwischen ärztlicher Prüfung und ärztlicher Approbationserteilung, sind verschieden geworden. Noch mehr gilt das für das Heil-Hilfspersonal. Die Zulassung von Arzneimitteln erfolgt jetzt in den einzelnen Ländern nach divergenten Gesichtspunkten.
Alles das hat die Gesundheitsminister der Länder schon seit zwei Jahren zur Bildung einer Arbeitsgemeinschaft geführt, die eindringlich die Notwendigkeit der Rückkehr zur einheitlichen Gesetzgebung auf dem Gebiete des Gesundheitswesens herausstellen. Leider ist der Schutz der Gesundheit im Grundgesetz nicht unter die Menschenrechte aufgenommen worden. Leider ist auch der Vorschlag der Gesundheitsminister, das Gesundheitswesen ähnlich wie in der Weimarer Verfassung schlechthin zum Gegenstand der konkurrierenden Bundeszuständigkeit zu machen, nicht verwirklicht worden. Der statt dessen in mehreren Ziffern des Art. 74 des Grundgesetzes enthaltene Katalog ist in seiner knappen Formulierung nicht auf den ersten Blick stets eindeutig. Die Folge ist, daß bereits in vielen Ländern die Tendenz zur Sonderregelung bemerkbar wird. Mit großer Besorgnis sehen nicht nur die Gesundheitsberufe und die beteiligten Wirtschaftsgruppen, daß in manchen Ländern an neuen gesetzlichen Sonder-Regelungen gearbeitet wird. Das muß zwangsläufig zu einem neuen und noch stärkeren Auseinanderfallen führen.
Die in unserer Interpellation genannten Fälle sind Einzelfälle; sie lassen sich aber beliebig vermehren. Zum Beispiel arbeitet ein süddeutscher Staat, wie bekannt geworden, an einem neuen Apothekengesetz. Da aber gerade auf diesem Gebiete infolge bestimmter Besatzungseinflüsse eine einheitliche gesetzliche Regelung allein in der Lage ist, die uns gewohnte und uns zur Selbstverständlichkeit gewordene Sicherung der Bevölkerung vor ungehemmter Ausnützung zu schützen, und da die gesamte Apothekerschaft ebenso wie die Bevölkerung die einheitliche Regelung wünscht, so ist das Vorgehen des Landes nicht nur überflüssig, sondern auch höchst bedenklich.
Wenn in anderen Ländern wiederum völlig überflüssige und unnötige Landesgesetze zur Regelung der Niederlassung der Medizinalberufe verabschiedet werden und hierbei — entweder aus Versehen oder aus Mangel an Weitsicht — die Regelung der Niederlassungsmöglichkeit von ausländischen Ärzten unzureichend bleibt, so daß die Besatzung diese Landesgesetze verbietet, dann ist das wiederum nicht gut und muß zu unerwünschten Folgen führen. Im vorliegenden Fall hatte die Hohe Kommission in dieser Nichtberücksichtigung ausländischer Medizinalpersonen bestimmt zu Unrecht einen Verstoß gegen die Menschlichkeit und zugleich eine Art gewollter Kartellpolitik gesehen. Beides hat sich, wie Sie vielleicht wissen, auf die bekannten Verhandlungen zur Gewerbefreiheit — und damit zum Kammerwesen und ähnlichem mehr — nachteilig ausgewirkt.
Das Blutspenderwesen ist eines der schwierigsten und zugleich verhängnisvollsten Gebiete ärztlichen Handelns. Es erweist sich ohnedies einer gesetzlichen Regelung gegenüber äußerst spröde. Wenn dann auf diesem Gebiet, das bisher reichsrechtlich und einheitlich geregelt war, einzelne Länder Sonderregelungen und -gesetze erlassen,
so wird das Opfer kosten, deren Zahl nicht gering sein wird.
Meine politischen Freunde sind mit mir der Ansicht, daß es zweckmäßig ist, in einer Entschließung des Hohen Hauses zum Ausdruck zu bringen, daß die Länderregierungen zunächst einmal davon Abstand nehmen sollten, zum mindesten im Bereich des fortlaufenden Bundesrechts und im materiellen Bereich der konkurrierenden Bundeskompetenz, eigene Gesetze vorzubereiten. Es ist ja der Sinn des im Grundgesetz geschaffenen Begriffes des fortlaufenden Bundesrechts und der hierzu gehörenden Sonderbestimmungen, dem Bund die ausdrückliche Aufgabe zu übertragen, zunächst die Einheitlichkeit der gesetzlichen Regelung wiederherzustellen, nicht aber das Auseinanderfallen des gesetzlichen Unterbaus fortzusetzen. Das gilt unserer Ansicht nach besonders für das Gebiet des Gesundheitswesens. Daher unsere Interpellation.