Rede von
Wilhelm
Schmidt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(WAV)
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Meine Damen und Herren! Ich glaube, in allen Parteien und Bevölkerungsschichten ist die Überzeugung durchgedrungen, daß die Verhältnisse in der Landwirtschaft sehr schwierig geworden sind. Ich bedaure, daß man bestrebt ist, die Getreidepreiserhöhung, die doch eigentlich notwendig ist und von allen Kreisen anerkannt wird, zu einer politischen Frage zu machen. Damit Sie den volkswirtschaftlichen Standpunkt auch der WAV kennen: Wir lehnen sowohl eine Brotpreiserhöhung wie auch eine Fettpreiserhöhung ab.
Die Regierung hat in der Hinsicht ganz bestimmt andere Mittel und andere Wege. Wenn im Ernährungsausschuß in den letzten Tagen und Wochen über einen
Ausgleich bei der Margarine verhandelt wurde, so ist nie davon gesprochen worden, daß deswegen die Fettpreise erhöht werden sollen. Deswegen haben wir auch im Ernährungsausschuß eine gewisse Einheitlichkeit zusammengebracht. Aber ich sage noch einmal: Wir müssen es ablehnen, einer Erhöhung der Brotpreise und der Fettpreise zuzustimmen.
Nun etwas anderes. Ich glaube, es ist von Herrn Dr. Frey schon betont worden: Es könnte die Zeit kommen — und ich glaube, die Verhältnisse im politischen Leben sind heute schon so weit vorgeschritten, daß wir es befürchten müssen —, daß man erneut auf die Tätigkeit und auf die Selbständigkeit des deutschen Bauern angewiesen ist. Darum glaube ich, daß es von allen Kreisen — ob von links oder von rechts — notwendig ist, daß sie sich allmählich alle dazu bequemen, daß wir die Landwirtschaft, wenn sie nun in Not ist, nicht ausnützen dürfen und daß wir ihr die Unterstützung geben. Denn wenn die Landwirtschaft bisher funktioniert hat und bisher ihre Pflicht getan hat, dann müssen wir sie auch unterstützen.
Sehen Sie, ich stehe jetzt ungefähr 40 Jahre im politischen Leben. Es ist sonderbar: jedesmal, wenn die Landwirtschaft in irgendeiner Notlage war, hat man von Regierungsseite erklärt, „es ist kein Geld vorhanden". Ja, ich weiß nicht: Ist das periodisch, oder ist es daher gekommen, weil die Landwirtschaft es bisher nicht ausgenützt hat, daß sie zusammengehalten hat?
Es hat mich gefreut — ich glaube, es war am Dienstag oder Mittwoch vor acht Tagen, als die Abgeordneten und Bauernvertreter beim Bundeskanzler Dr. Adenauer waren—, daß auch die Vertreter der Regierungsparteien dem Herrn Bundeskanzler Dr. Adenauer in aller Deutlichkeit erklärt haben, daß sie, wenn die Hilfe für die Landwirtschaft von ihm aus abgelehnt würde, dann dazu gezwungen werden, ihre Konsequenzen zu ziehen.
— Jawohl, ich muß es einmal anerkennen. Es hat mich gefreut, daß die Bauern endlich den Mut aufgebracht haben, dies zu sagen.
Wenn vorhin der Herr Vorredner von den Gewerkschaften gesagt hat, daß vielleicht ein Streik der Gewerkschaften deswegen provoziert würde,
— Freunde, es könnte die Zeit kommen, daß eines Tages auch der Bauer, wenn das so weiter geht, seine Pflicht nicht mehr erfüllt!
Und was würde dann herauskommen?
Ich glaube, wir dürfen in solchen Dingen nicht damit drohen. Aber ich glaube, es muß doch so sein, daß für den Herrn Bundesfinanzminister und für die Bundesregierung, die dafür verantwortlich sind, daß diese Dinge nicht dem werktätigen Volk aufgeladen werden, andere Wege und Mittel vorhanden sind.
Es ist angeführt worden, daß der Herr Bundesfinanzminister seinerzeit bei der Einkommensteuersenkung usw. usw., auch bei Bonn, hier soviel Mittel zur Verfügung hatte; dann muß es auch möglich sein, daß hier Mittel bereitgestellt werden.
Deshalb sagen wir noch einmal: Wer lehnen jede Brotpreiserhöhung und jede Fettpreiserhöhung ab. Die Regierung soll zusehen, wie sie aus dem herauskommt.