Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, zu dieser Interpellation liegt ein Antrag der Fraktion der SPD vor. Nach § 57 der Geschäftsordnung ist dieser Antrag einem Ausschuß zu überweisen, falls es beantragt wird und der Antrag von 30 Abgeordneten unterstützt wird. Wird das von Ihnen beantragt, Herr Kollege Scharnberg?
Wenn ich nicht irre, soll der Antrag an den Ausschuß für Geld und Kredit und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik überwiesen werden. Wer soll federführend sein?
Der Antrag wird von 30 Mitgliedern des Hauses unterstützt, nehme ich an.
— Kein Widerspruch; dann ist der Antrag, der verlesen und überreicht worden ist, gemäß § 57 an die Ausschüsse für Wirtschaftspolitik und für Geld und Kredit überwiesen, wobei der Ausschuß für Wirt-schaf tspolitik federführend ist.
Ich rufe auf Punkt 2 a und b der Tagesordnung:
2 a) Beratung der Interpellation der Abgeordneten Dr. Baade, Kriedemann, Brünen, Happe, Höhne, Mertins, Dr. Schmidt , Frau Keilhack, Frau Strobel und Fraktion der SPD betr. Fortfall vor Ausgleichszahlungen und Einführung einer Fettsteuer (Nr. 1008 der Drucksachen),
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPE betr. Preisausgleich für Brotgetreide unc Düngemittel .
Ich nehme an, das Haus ist damit einverstanden daß 2 a und 2 b gemeinsam begründet und beraten werden.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, für die Begründung der beiden Anträge je 15 Minuten und für die Gesamtaussprache 90 Minuten Zeit in Anspruch zu nehmen. — Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Kriedemann.
Kriedemann , Interpellant und Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als meine Freunde und ich am 31. Mai die Interpellation einbrachten, die Ihnen auf Drucksache Nr. 1008 vorliegt, taten wir es unter ausdrücklichem Hinweis auf die begreifliche Unruhe, die in weiten Kreisen der Bevölkerung, Verbraucher wie beteiligten Wirtschaftskreise, dadurch hervorgerufen worden war, daß es zwar einige Mitteilungen über die zukünftigen Absichten der Regierung gab, aber keinerlei klare Stellungnahme zu einem der wichtigsten Probleme, einem Problem, das zusammenhängt mit der Frage der Subventionen zugunsten eines erträglichen Brotpreises, zur Aufrechterhaltung der Düngerpreise usw., einer Frage also, die für alle Beteiligten im wahrsten Sinne des Wortes eine Lebensfrage ist.
Als wir damals unsere Interpellation einbrachten, hatten wir die Hoffnung, daß dadurch hier in diesem Hause Gelegenheit geschaffen würde, über die Dinge rechtzeitig miteinander zu reden und über die beste Lösung nachzudenken. Wir bedauern außerordentlich, daß die Regierung es vorgezogen hat, diese Interpellation nicht innerhalb einer angemessenen Zeit zu beantworten, es vielmehr für zweckmäßig hielt, Tatsachen zu schaffen, mit denen wir uns heute hier auseinandersetzen müssen.
Ich befinde mich bei der Begründung dieser Interpellation in einer verhältnismäßig merkwürdigen Lage. Hätten wir früher Gelegenheit gehabt, unsere Interpellation zu begründen, so wäre es meine Aufgabe gewesen, Sie mit allem Ernst vor den Folgen einer Politik zu warnen, die leicht erkennbar waren. Heute, nachdem bereits Tatsachen geschaffen sind und die Regierung die ihr gestellten Fragen vor diesem Hause nicht mehr zu beantworten braucht, weil sie sie draußen in der Praxis schon längst beantwortet hat, ist auch die Aufgabe des Interpellanten etwas anders geworden.
Meine Damen und Herren! Es sind bisher aus öffentlichen Mitteln, zu deren Aufbringung alle Steuerzahler beitragen, auch in Deutschland sehr erhebliche Beträge dafür verwendet worden, gewisse Interessenausgleiche zu ermöglichen, u. a. einen Brotpreis halten zu können, der der niedrigen Kaufkraft der breiten Masse unserer Bevölkerung angepaßt ist. Ebenfalls mit Subventionen aus öffentlichen Mitteln sind die Preise für Düngemittel, Futtermittel usw. auf eine Höhe gebracht und auf einer Höhe gehalten worden, die es den Erzeugern erlaubt, zu Preisen zu produzieren, die der Verbraucher seinerseits wieder bezahlen kann. Das ist keineswegs eine deutsche Erfindung. In den meisten Ländern um uns herum ist das eine langgeübte Praxis. In Norwegen zum Beispiel werden 25 % der Haushaltsmittel dazu verwendet, die Lebenshaltungskosten der arbeitenden Bevölkerung zu sichern,
und England bringt aus seinem Etat 10 bis 12 % für den gleichen Zweck auf. In dieser Situation wird ausgerechnet in dem Lande, in dem besonders viele Menschen von Renten, von Unterstützungen oder von kleinen Arbeitseinkommen leben müssen, er-
klärt, daß in Zukunft für diese Aufgabe des Staates keinerlei Mittel mehr zur Verfügung gestellt werden sollen.
Das war die Situation, in der wir unsere Interpellation einbrachten. um hier den Versuch zu machen, die Politik, die die Regierung offenbar damals schon beabsichtigte, hier im Hause zur Debatte zu stellen und einer Kritik zu unterziehen, um Schlimmeres zu verhüten. Statt einer sachlichen Beantwortung unserer Fragen, die Sie auf Drucksache Nr. 1008 finden, haben wir aus dem Munde sehr verantwortungsvoller Männer in dieser Bundesregierung, an der Spitze der Herr Bundeskanzler. immer wieder gehört, daß jede Aufregung überflüssig sei und die Regierung schon dafür sorgen werde, daß der Brotpreis nicht steigen würde, und wenn wir damals unsere Interpellation hätten begründen müssen, wäre auch sicherlich der Versuch unternommen worden, gegen alle Logik und gegen alle Wirtschaftsgesetze nach wie vor auch diesem Hause zu erzählen, daß trotz der Aufhebung der Suventionen der Brotpreis nicht steigen würde. Inzwischen hat die Regierung, wie gesagt, Tatsachen geschaffen. Diese Tatsachen sind sehr eindeutig. In den meisten Bäckerläden wird die Behauptung. daß der Brotpreis nicht steigen wird, heute schon Lügen gestraft, und in wenigen Tragen wird das in allen Bäckerläden der Fall sein.
Meine Damen und Herren, ich will mich wegen der beschränkten Redezeit nicht allzusehr mit Überlegungen befassen, was es für die innere Festigkeit einer Nation bedeutet, wenn die Bevölkerung mehr und mehr daran gewöhnt wird, Erklärungen und Versprechungen der Regierung nicht allzu ernst zu nehmen, weil sie durch die Tatsachen sowieso widerlegt werden.
Daß aber hier in einer Angelegenheit, die als ein Vorgehen gegen jede wirtschaftliche Logik von vornherein nicht ernst genommen werden konnte, so viel Kredit der Regierung investiert worden ist, das ist mir ganz besonders unerklärlich, nachdem wir doch in früheren Perioden ausgerechnet von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister, der der Regierung ja auch heute noch angehört, immer wieder Vorlesungen darüber entgegennehmen müssen, wie man sich den wirtschaftlichen Gesetzen zu unterwerfen hat.
Die Bundesregierung hat erklärt: Das Brot wird nicht teurer. Nun, es ist nicht nur schon teurer geworden, sondern einige von uns haben ja gestern Gelegenheit gehabt, von den Vertretern der beteiligten Wirtschaftskreise, des Müllereigewerbes, des Mehlhandels und der Bäckereien, genau zu erfahren, daß jedes Brot, in der bisher üblichen Form und im bisher üblichen Mischungsverhältnis dem Verbraucher angeboten, logischerweise und notwendigerweise teurer w erden muß. Und wer sich darüber klar ist, daß allein bei dem Anteil des Getreides, das aus der inländischen Erzeugung stammt, eine Verteuerung von im Augenblick noch 60 Mark pro Tonne verkraftet werden muß, kann sich gar nicht darüber wundern, wenn die Beteiligten ihre Rechnung so aufmachen.
Nun haben wir gestern etwas erlebt, was ich — es ist hoffentlich kein unparlamentarischer Ausdruck — wirklich nur einen Dreh nennen kann, als der Versuch gemacht wurde, das der Bevölkerung gegebene Versprechen, der Brotpreis werde nicht steigen, nun auch zu realisieren.
— Ja, ich habe „einen Dreh" gesagt, und ich hoffe, daß es nicht allzu unparlamentarisch gewesen ist. Als nämlich gesagt wurde, daß der Brotpreis nicht steigen wird, hat man das draußen ernst genommen, ich muß schon sagen: leider ernst genommen; denn das Versprechen konnte sowieso nicht gehalten werden. Wenn man jetzt den Leuten erklärt, daß das Brot zwar den gleichen Preis haben wird, daß es aber eine für den Verbraucher mindere Qualität haben wird, dann, meine Damen und Herren, kann ich eine solche Maßnahme nicht anders als einen Dreh bezeichnen.
Ich frage bei dieser Gelegenheit noch einmal: Was soll aus der inneren Sicherheit einer Nation werden, deren Regierung ihre Versprechen auf eine solche Weise einzulösen probiert?
— Ja, bitte, ich will gern darauf eingehen. Es ist natürlich sehr einfach und sehr naheliegend, zu sagen, daß das dunklere Brot sowieso viel gesünder ist
und daß vielleicht das ursprüngliche Roggenschrotbrot das allergesündeste für das Volk ist.
In einem Augenblick aber, in dem man nur die Ärmsten der Armen zu diesem Brot zwingt, während alle anderen auch weiterhin in der Lage sein dürften, das „ungesunde" Weizenbrot zu essen, sollte man bestimmt nicht mit diesem Argument der „Volksgesundheit" operieren.
Es ist dann doch zu naheliegend, daß demnächst einer sagt, die Margarine sei gesundheitsschädlich und müsse deshalb verteuert werden.
Die Sache ist wirklich zu ernst, und es sollte niemand versuchen, um die Tatsache einer Brotpreiserhöhung damit herumzureden, daß das Brot zwar schlechter, aber damit gesünder geworden sei. Das würde Ihnen kein Mensch draußen abnehmen. Im übrigen sind sich alle Beteiligten klar darüber, daß das, was in der Richtung versucht worden ist, auch nur, wie es einer der Sachverständigen ausdrückte, eine Tarnung ist.
Für drei Monate will die Regierung den Getreidepreis um 60 Mark erhöhen, ihn auf 320 DM festsetzen. Wir haben hier keine Agrardebatte, und es ist nicht meine Aufgabe, mich mit diesem Getreidepreis und mit seinen Auswirkungen auf die Agrarpolitik in Deutschland auseinanderzusetzen. Für drei Monate will also die Regierung auf dieser Basis den Preis für ein Brot kalkulieren, das aus anderen Mehltypen und in einem anderen Verhältnis der Mischung von Weizen und Roggen hergestellt wird, als es bisher üblich war.
Wir werden also nun die merkwürdige Situation erleben, daß dieser Preis nur für ein Brot gilt, das aus deutschem Mehl gebacken ist; denn wir wissen aus dem Munde dessen, der es am besten wissen muß, daß höchstens noch für vier bis sechs Wochen aus irgendwelchen übriggebliebenen Haushaltsresten die Mittel zur Verfügung stehen, um das Auslandsgetreide auf diesen deutschen Preis herunterzubringen. Was nachher geschehen soll, weiß kein Mensch.
Es scheint mir unsere dringende Aufgabe zu sein, an dieser Stelle vor jeder Illusion und vor diesem
Einheitsbrot zu warnen, vor diesem Brot, das ich am liebsten ein Wunschbrot nennen möchte, weil es auf Wunsch der Bundesregierung — zunächst allerdings nur theoretisch — entstanden ist, damit sie ihre Versprechen halten kann.
In dem Augenblick, in dem etwa das Getreide aus der deutschen Erzeugung nicht im nötigen Umfang auf den Markt kommt — vielleicht aus irgendwelchen Spekulationen heraus, vielleicht weil es so naheliegend ist, bis nach Ablauf der fünf oder sechs Wochen zu warten, für die noch Ausgleichsmittel zur Verfügung stehen — und der Inlandspreis sich nach den Marktgesetzen richtet und vor allen Dingen in der freien Wirtschaft den sehr wesentlich höheren Auslandspreisen angepaßt wird, wird sich niemand mehr an sein Versprechen gebunden fühlen, dann noch Brot zu diesen Preisen auf den Markt zu bringen.
Man hat den Versuch gemacht, die eine Schwierigkeit mit der anderen zu verkoppeln, und wir haben in unserer Interpellation auch das zweite Thema angesprochen. Ich weiß nicht, wie man die Leute bezeichnen soll, die es unternommen haben, der Landwirtschaft einzureden, man könne ihren Butterabsatz dadurch steigern, daß man ausgerchnet die Margarine mit einer Steuer belege. Daß das ein unsinniges Verfahren wäre,
und zwar nicht nur hinsichtlich der Landwirtschaft, sondern vor allen Dingen auch hinsichtlich der Menschen, hinsichtlich der breiten Schichten, die in der Margarine die einzige Fettquelle haben,
hat zu Anfang der Debatte sogar die Bundesregierung eingesehen und hat durch ihren Sprecher erklären lassen, daß sie keiner Maßnahme zustimmen würde, die einer weiteren Verbilligung der Margarine Schwierigkeiten in den Weg legen könnte.
Sie erinnern sich wahrscheinlich noch an jene Ausgabe der „Welt", die als Schlagzeile brachte „Verbilligung der Margarine — hat der Sprecher der Regierung mitgeteilt". Vor jeder der jetzt hinter uns liegenden Wahlen ist diese Mitteilung wiederholt worden.
In absehbarer Zeit sind offenbar keine Wahlen. Jetzt wissen wir, daß in der nächsten Woche eine Vorlage der Regierung erscheinen wird, mit der nun doch eine Belastung der Margarine durchgeführt werden soll.
— „Ohne daß eine Verteuerung eintritt", höre ich schon. Diejenigen, die das Vergnügen hatten, im Unterausschuß für Margarine die Leute zu hören, auf deren Urteil es mir hier mehr ankommt, nämlich die Herren, die die Margarine machen,
wissen, daß es keinen Zuschlag zur Margarine gibt, der sich nicht im Preis auswirken müßte.
Es ist hier mit einem merkwürdigen Begriff operiert worden. Man hat gesagt: über den Höchstpreis können wir nicht hinweg. Nun weiß allerdings, meine Herren, jeder, daß die Margarine längst unter diesen Höchstpreis gegangen ist und daß es, wenn
der Preis nun wieder an den Höchstpreis herangebracht wird, eine Verteuerung der Margarine bedeutet,
daß es eine Verteuerung des Nahrungsmittels bedeutet, das — leider! — die Fettquelle für Millionen von Menschen geworden ist, die ja nicht deswegen von der Butter zur Margarine übergegangen sind, weil ihnen die Margarine besser schmeckt, oder weil sie nichts von den höheren Ernährungswerten der Butter wissen, sondern weil sie sich ganz einfach nach ihrem Portemonnaie richten müssen, in das auch dann nicht mehr hineinkommen wird, wenn man die Margarinesteuer erhebt.
Meine Damen und Herren, ich mache noch auf eines aufmerksam: hier wird geradezu leichtfertig etwas unternommen, womit wir eine Kluft in unserem Volk aufreißen, die wir uns gar nicht leisten können.
Ich sage das mit allem Nachdruck zu den Damen und Herren, die glauben, daß es ihre besondere Angelegenheit sei, die Interessen der Landwirtschaft zu vertreten. Es hat sich ja inzwischen schon herumgesprochen, daß und in welchem Umfang die Landwirtschaft, insbesondere für ihre Veredelungsprodukte, auf das Verständnis der Verbraucher und auf deren Geldbeutel angewiesen ist.
Bisher haben sich an der Aufbringung der Subventionen für den Kunstdünger alle beteiligen müssen. Durch die Politik der Regierung, die auf der einen Seite die Subventionen wegnimmt, damit den Brotpreis hochtreibt und auf der anderen Seite die Margarine besteuert, sollen nun die Mittel wenigstens in etwa hereingebracht werden, die man bei der großen Einkommensteuerreform für unseren Geschmack ein bißchen zu vorzeitig verschenkt hat.
Nachdem diese Situation eingetreten ist, wird der Versuch gemacht, daß z. B. die Mittel für die Verbilligung des Kunstdüngers nicht mehr von allen Steuerzahlern aufgebracht werden, sondern diese Aufgabe ausgerechnet dem ärmsten Teil der Bevölkerung, denjenigen Schichten übertragen wird, die Margarine essen müssen, weil sie keine andere Fettquelle haben.
Ich rate Ihnen und bitte Sie sehr darum, sich genau zu überlegen, welche Situation entsteht, wenn auch nur einer mit Recht sagen kann: Unsere Margarine ist teurer geworden, damit für den Bauern der Kunstdünger billig bleibt.
— Es ist aber so einfach. Für denjenigen, der die Zahl seiner Stullen beschränken muß, weil sein Einkommen mit der Erhöhung des Brotpreises nicht steigt, und der in Zukunft dieses Brot noch dünner bestreichen muß, weil es eben nunmehr Millionen Menschen gibt, die nicht mit dem Groschen, sondern mit dem Pfennig rechnen müssen, für den ist das Problem noch sehr viel einfacher.
Meine Damen und Herren! Der gesamte Ernährungsausschuß hat einmal den Standpunkt vertreten, daß die Subventionen aufrechterhalten werden müssen, wenn der gegenwärtige Brotpreis und alle damit im Zusammenhang stehenden Aktionen aufrechterhalten bleiben sollen. Wir Sozialdemokraten haben, um die Geschichte in Gang zu bringen, schon
am 23. Juni den Antrag gestellt, den Sie hier auf Drucksache Nr. 1083 finden und den ich auch noch kurz zu begründen habe, der Bundestag möge beschließen, die Regierung solle auch in Zukunft die Subventionen wieder im alten Umfang zur Verfügung stellen. Wir akzeptieren — das darf ich Ihnen schon von vornherein sagen — keineswegs den Gesichtspunkt: Dazu haben wir kein Geld. In einem vernünftigen Staatswesen sollte man umgekehrt verfahren, als man hier offenbar vorgegangen ist. Da soll man sich zunächst einmal Klarheit über die sozialpolitischen Aufgaben verschaffen, die man zu erfüllen hat, und danach soll man dann berechnen, wieviel Steuern man einnehmen muß. Wenn man uns heute sagt: Wir haben kein Geld mehr, dann werden wir uns nie davon abhalten lassen, darauf hinzuweisen, wo das Geld geblieben ist, das heute fehlt, um diese Dinge machen zu können.
— Nicht nur in Bonn.
Meine Damen und Herren! Es sind Tatsachen geschaffen worden, die unserer Meinung nach schnellstens korrigiert werden müssen, und es muß im vornherein — dazu ist heute die letzte Gelegenheit — verhindert werden, daß neue Tatsachen geschaffen werden, zum Beispiel die Einführung der Margarinesteuerbelastung. Ob das nun Fettsteuer oder Margarinesteuer oder Margarineausgleichsabgabe heißt, spielt keine Rolle, in jedem Fall wird der Verbraucher den vollen Betrag dafür zu zahlen haben. Und heute können wir das noch abwenden. Wir können es dadurch abwenden, daß wir in der im Antrag Drucksache Nr. 1083 vorgeschlagenen Form beschließen und die Regierung auffordern, dafür Sorge zu tragen, daß alle Maßnahmen, die zum Schutze der Konsumenten und der Produktion bisher durchgeführt worden sind, auch in Zukunft weiter durchgeführt werden.
Meine Damen und Herren! Wenn hier etwa der Vorschlag gemacht werden sollte, den Antrag Nr.
1083 einem Ausschuß zu überweisen, dann müssen
meine Freunde und ich in diesem Beschluß schon einen Beschluß über den Antrag sehen.
Dann bedeutet die Verweisung an den Ausschuß schon eine Billigung der Regierungspolitik, die heute den Brotpreis erhöht hat und die morgen den Preis für die Margarine erhöhen wird. Es ist sehr leicht zu sagen: Das sind nur Pfennige, dafür wird ja anderes billiger. Wer die Weltsituation und ihre Entwicklungen kennt, der wird sich über die weitere Verbilligung von allen möglichen Dingen seine Gedanken machen können. Aber weil wir unter uns Millionen Menschen haben, die in Ihrem Budget auch nicht die kleinste Reserve mehr aufweisen, die sofort hier abstreichen müssen, wenn sie da etwas mehr aufzuwenden gezwungen sind, darum ist es besonders wichtig.
Ich sage Ihnen von dieser Stelle mit allem Ernst, im Bewußtsein der ganzen Tragweite dieser Worte: Für die Gewerkschaften ist der Weg nun frei, etwas zu tun, was bisher von allen Beteiligten für sehr unzweckmäßig und gefährlich gehalten worden ist,
mit den Mitteln der Lohnforderung ein Äquivalent für das zu schaffen, was den noch arbeitenden Menschen durch die Politik dieser Regierung, durch Verteuerung des Brotes und der Margarine weggenommen wird.
Das muß nicht so sein. Hier gehts um keine Zwangsläufigkeit. Diese gefährliche Entwicklung ist aufzuhalten, wenn auch wir in Deutschland uns zur Fortführung eines Systems entschließen, das — wie gesagt — in anderen Ländern mit einer unvergleichlich glücklicheren sozialen Schichtung bis zum heutigen Tage mit dem Erfolg durchgeführt wird, daß das Weizenbrot in England etwa die Hälfte von dem kostet, was in Deutschland dafür bezahlt werden muß.
Dieser innere Ausgleich, meine Damen und Herren, ist auch in Deutschland möglich, wenn wir es wollen. Falls wir es wollen, dann beschließen wir im Sinne des Antrags Drucksache Nr. 1083! Dann beschließen wir es hier im Bewußtsein der politischen Verantwortung, die wir alle miteinander tragen. Wenn wir es nicht wollen, wenn wir die Politik der Regierung wollen, dann müssen wir auch — oder ich will es ganz genau sagen —, dann müssen Sie alle die Gefahren und Konsequenzen wollen, die sich aus dieser Entwicklung notwendigerweise ergeben.
Machen Sie aber bitte nicht mehr den Versuch, den Verbrauchern nun zu sagen: Die Margarine wird ja gar nicht teurer, weil der Höchstpreis schon längst unterschritten ist. Machen Sie bitte auch nicht den Versuch, den Leuten zu sagen: Euer Brot sieht zwar schwärzer aus — gestern wurde gesagt, etwas heller als das sogenannte Kommißbrot —, aber dafür ist es auch gesünder, während alle, die auf ein so gesundes Leben offenbar keinen Wert legen, sich nach wie vor die Freude machen können, ein Brot zu essen, das ihnen schmeckt. Schicken Sie die armen Menschen nicht auf ein Brot los, das sie nehmen müssen, weil etwas anderes in diesem Staat für sie nicht mehr geboten wird.