Rede von
Dr.
Wilhelm
Laforet
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren! Wir stehen vor der Bildung der oberen Bundesgerichte. Diese Bildung setzt voraus, daß, wenn man nicht eine Notlösung wählen will, wie sie beim Bundesfinanzhof erfolgt ist, ein Richterwahlgesetz erlassen werden muß; denn bei der Berufung der Richter muß nach Art. 95 und 96 des Grundgesetzes ein Richterwahlausschuß mitwirken.
Der Rechtsausschuß ging bei seinem Entwurf von dem Gedanken aus, der sicherlich im Grundgesetz niedergelegt ist, daß jedes obere Bundesgericht selbständig ist und vom zuständigen Fachminister betreut wird. Strittig ist, ob für das Oberste Bundesgericht und die sämtlichen oberen Bundesgerichte ein gemeinsamer Richterwahlausschuß oder für jedes höchste Gericht ein besonderer Richterwahlausschuß bestellt werden soll.
Auch nach dem vom Rechtsausschuß vorgelegten Entwurf kann nach den bindenden Bestimmungen in Art. 96 des Grundgesetzes nur mit großer Einschränkung von einem gemeinsamen Richterwahlausschuß gesprochen werden; denn den Vorsitz führt für jedes obere Gericht, z. B. den Bundesfinanzhof, das Bundesarbeitsgericht, der zuständige Bundesfachminister; es wechselt jeweils die Hälfte der Mitglieder des Richterwahlausschusses, denn diese müssen sich zusammensetzen aus Mitgliedern kraft Amts und Mitgliedern kraft Wahl. Mitglieder kraft Amts sind die Landesminister, zu deren Geschäftsbereich die diesem oberen Bundesgericht im Instanzenzug untergeordneten Gerichte des Landes gehören, also die Fachminister. Aber nach dem Entwurf des Rechtsausschusses sollen die vom Bundestag gewählten Mitglieder die gleichen Männer und Frauen sein, und darüber sind die Meinungen verschieden.
Im Rechtsausschuß ist für die von ihm vorgeschlagene Regelung geltend gemacht worden, daß nur diese Regelung dem Wortlaut des Grundgesetzes entspricht und daß nach den Gesetzgebungsverhandlungen im Parlamentarischen Rat nur ein gemeinsamer Richterwahlausschuß geschaffen werden soll, wenn er sich auch verschieden zusammensetzt. Auch Gründe der Vereinfachung sprechen für diese Regelung.
Meine Damen und Herren! Bei der Berufung der Richter ist zu unterscheiden zwischen der förmlichen Ernennung durch den Bundespräsidenten und dem entscheidenden Vorschlag der Bundesregierung oder des für den Gegenstand zuständigen Bundesministeriums. Die Ernennung kommt nach Art. 60 Abs. 1 des Grundgesetzes dem Bundespräsidenten als Pflicht zu. Das wird auch durch § 14 des Entwurfs klargestellt; ich darf auf das verweisen, was der
Deutscher Bundestag. — 75. und 76. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Juli 1950 2731
Herr Referent Dr. von Merkatz dazu ausgeführt hat. In Art. 46 der Weimarer Verfassung war die Ernennung der Reichsbeamten dem Reichspräsidenten zugewiesen. Die sachliche Verantwortung kam den obersten Reichsbehörden zu, und zwar soweit dies bestimmt war, im Einvernehmen mit den Landesregierungen. Hier ist eine wesentliche Änderung eingetreten. Es ist die grundsätzliche Scheidung der Gewalten zugunsten der Legislative durchbrochen. Nach Art. 95 Abs. 3 und 96 Abs. 2 des Grundgesetzes entscheiden über die Berufung der Richter der oberen Bundesgerichte der Bundesjustizminister oder der zuständige Fachminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuß. Der Richterwahlausschuß kann dem zuständigen Bundesminister keinen Herrn aufdrängen. Aber der Bundesminister kann beim Bundespräsidenten nur die Ernennung einer Persönlichkeit zum oberen Bundesrichter vorschlagen, die von der Mehrheit der Mitglieder des Richterwahlausschusses ausdrücklich gebilligt ist. Im Richterwahlausschuß wirkt nun neben den Vertretern der Länder der Bundestag durch von ihm gewählte Vertrauensmänner mit. Damit hat der Bundestag auch auf die Verwaltungsakte der Richterernennung mittelbar bestimmenden Einfluß. Somit trifft den Bundestag aber auch eine Verantwortung dafür, daß der Vorgeschlagene die für das hohe Richteramt zu fordernden sachlichen und persönlichen Voraussetzungen erfüllt. Die Fraktionen werden bei ihren Vorschlägen für die Mitglieder des Richterwahlausschusses sich dieser Verantwortung des Bundestages bewußt sein müssen.
Ich empfehle Ihnen, den Entwurf so anzunehmen, wie er vom Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht einstimmig beschlossen worden ist.