Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst eins mit aller Deutlichkeit sagen. Wenn hier jemand in einer verantwortlichen Stellung in den Gewerkschaften mit allem Nachdruck auf den Ernst der Lage hinweist und wenn er klarzumachen versucht, welche praktischen Konsequenzen sich aus einer Verteuerung von Brot und Margarine für die Menschen ergeben, die nun einmal nur das zur Verfügung haben, was sie in ihrer Lohntüte mit nach Hause bringen, ist keine Bemerkung so deplaciert wie die „Kommen Sie nicht mit solchen Drohungen".
Und dann eine andere Bemerkung. Ich habe mit Erstaunen gehört, daß hier mehrfach davon die Rede war, es lohne sich doch eigentlich gar nicht, soviel Geschichten aus der Sache zu machen, denn es handle sich doch jeweils nur um Pfennige. Sollte es wirklich der Fall sein, daß sich in diesem Hause Abgeordnete befinden, denen nicht bekannt ist, daß es Millionen Familien gibt, in denen der Pfennig eine außerordentliche Rolle spielt?
Sind die Zahlen derjenigen nicht bekannt, die sich das Leben nehmen, weil die Pfennige, die sie haben, schon jetzt nicht mehr ausreichen? Haben Sie den Mut, das irgendwie abzuleugnen? Dann rate ich Ihnen nur dringend, sich unbedingt damit vertraut zu machen.
— Wollen wir uns denn nur über Reallohn unterhalten? Glauben Sie, den Leuten wirklich einreden zu können, daß da noch etwas dran ist? Bedenken Sie bitte auch die psychologische Seite der Angelegenheit. Ich bedauere sehr, daß ich aus den Ausführungen des Ministers nichts Neues gehört habe. Möglicherweise waren seine Darlegungen über die Entstehungsgeschichte der Subventionen usw. für diejenigen interessant, die sich hier zum ersten Male in diese Angelegenheit vertiefen mußten. Für die anderen hat aber gar nichts dringestanden. Und ich muß sagen, daß die Erklärungen, die er hier abgegeben hat, unsere Sorge in keiner Weise vermindert haben. Auf einmal ist die Rede davon, daß ein Brot, ein gängiges Brot, also eines zu gleichem Preis, verkauft werden soll, daß man sich natürlich nicht um Kuchen oder Brötchen usw. etwa kümmern will. Im Augenblick hat aber der Verbraucher die Auswahl zwischen vier gängigen Brotsorten, und wenn nun eine davon nur zum gleichen Preise weiter angeboten werden soll, wird auch niemand sagen können, daß der Brotpreis nicht steigt. Er steigt natürlich immer nur zu Lasten derjenigen, die mit Pfennigen rechnen müssen.
Ebenso scheint es mir sehr wenig beruhigend zu sein, wenn hier gesagt wird, es handle sich schon deswegen nicht um eine Margarinesteuer, weil die Sache diesmal auf drei Monate befristet ist. Wer die Löcher kennt, die durch den Fortfall der Subventionszahlungen gerissen worden sind, und wer den Betrag kennt, der aufgebracht werden muß, um diese Löcher in etwa zu stopfen, der weiß auch, daß es mit einer Fettsteuer von drei Monaten nicht gemacht ist. Und wir sind uns ja wohl alle darüber einig: haben wir sie erst, dann behalten wir sie auch.
2726 Deutscher Bundestag. — 75. und 76. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Juli 1950
Es liegen ja schon dementsprechende Anträge vor.
Meine Damen und Herren! Die Sachverständigen, das heißt die, die dies wirklich am besten wissen müssen, weil sie die Margarine machen und verkaufen, haben schon vor Wochen in aller Eindeutigkeit gesagt, auch nach dem Fortfall des Verrechnungskontos, auch auf der Basis der Weltmarktpreise, die, wie Ihnen der Blick in jede vernünftige Zeitung zeigt, seit Wochen eine erheblich steigende Tendenz haben, wird für 60% der Margarinemenge der gleiche Preis erzielt werden müssen,
und für 40% der Margarinemenge wird man eine Margarine machen, die billiger ist. Meine Damen und Herren, es ist doch keine — verzeihen Sie mir das harte Wort — faire Art der Diskussion, wenn man sagt, die Margarine wird ja gar nicht teurer als 2,44 DM pro Kilo. Zum erheblichen Teil ist sie — und darüber kann sich ja niemand mehr freuen als die Anhänger der freien Konkurrenz — glücklicherweise schon billiger geworden. Es kann ja nicht ein irgendwann einmal festgesetzter Höchstpreis, es kann für den, der die Margarine kaufen soll, immer nur der Preis maßgebend sein, den er jetzt, gestern und vorgestern gezahlt hat, und der ihm morgen um genau denselben Anteil verteuert wird, den die Margarinesteuer ausmacht.
Meine Damen und Herren! Wir haben in dieser Angelegenheit nun so viel gehört, so viel Versprechungen, die durch die Tatsachen widerlegt worden sind — bitte, vielleicht sagt der eine oder andere, daß das um so schlimmer für die Tatsachen ist; wir sind der Meinung, es ist nur schlimm für die Versprechungen und für diejenigen, die sie gemacht haben —, daß wir jetzt hier absolut sichergehen wollen.
Wir sind deshalb leider nicht in der Lage, dem Abänderungsantrag, der hier gestellt worden ist, zuzustimmen, der die Worte „die bisherigen Maßnahmen fortzuführen" verändern will in schlicht und einfach „Maßnahmen zu treffen".
Ich will Ihnen auch sagen, warum. Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die die Brotpreiserhöhung betreffen. Einige Leute glauben, es sei sehr gescheit, die Margarine teurer zu machen, damit das Brot nicht teurer wird. Das scheint uns nun wiederum zwar eine Maßnahme, aber eine außerordentlich ungeeignete Maßnahme zu sein. Wir sehen einen wirksamen Schutz wirklich nur dann, wenn das bisherige System in dem Umfang fortgeführt wird, in dem es eben heute noch notwendig ist. Das heißt: Fortzahlung der Subventionen aus allgemeinen Haushaltsmitteln, das heißt zu Lasten aller Steuerzahler, für Brotgetreide und phosphorsäurehaltige Düngemittel, indem wir uns darüber einig sind, daß es für Futtermittel usw. im Augenblick nicht mehr notwendig ist.
Auch der zweite Abänderungsvorschlag, statt „Die notwendigen Subventionen" nur „Notwendige Subventionen" zu sagen, ist für uns unerträglich, weil da drin ja im Unterton liegt „eventuell notwendige Subventionen", während es — das ist einmal wenigstens, und zwar erst vor drei Wochen, scheint mir, die Ansicht des gesamten Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft gewesen —, nur ein wirksames Mittel gibt, um die Brotpreise und die Margarinepreise zu halten, nämlich Subventionen in der bisherigen Form.
Deswegen hält meine Fraktion den Antrag auf Drucksache Nr. 1083 aufrecht und bittet Sie dringend, ihm zuzustimmen. Nur wenn wir das jetzt hier beschließen, haben wir noch eine leise Chance, Schlimmeres zu verhüten und das aufzufangen, was schon sehr leichtfertig in Gang gebracht worden ist. Wird das heute nicht mit allen Konsequenzen beschlossen, die sich daraus möglicherweise auch für die Steuerpolitik der Regierung ergeben — ich mache gar kein Hehl daraus, daß das vielleicht denjenigen, denen man die Steuern so nachgelassen hat, etwas kosten wird; aber das hat so ein Ausgleich nun mal an sich —, dann, meine Damen und Herren, sanktionieren diejenigen, die es nicht beschließen wollen, alles das, was infolge dieser Politik nun über unser Volk hereinbrechen wird.