Rede von
Max
Wönner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema, das wir heute zu behandeln haben, hat — so scheint mir wenigstens — ein viel größeres wirtschaftliches und vor allen Dingen auch politisches Gewicht, als es bisher aus der Diskussion zu erkennen gewesen sein mochte. Ich habe mich ganz besonders darüber gewundert, daß uns der Herr Bundesernährungsminister mit einer so langatmigen Einleitung über die Geschichte und Vorgeschichte der Subventionspolitik aufgehalten hat, anstatt gleich auf den Kern des Problems vorzustoßen. Es wäre nach unserem Dafürhalten wichtig und notwendig gewesen, sich darüber klar zu werden, daß die jetzt noch erforderlichen Subventionen nur einen sehr bescheidenen Bruchteil dessen ausmachen, was bisher notwendig gewesen ist, um diesem Zweck zu dienen.
Es wäre doch wohl für die Regierung notwendig gewesen, die Frage zu überprüfen, ob der verhältnismäßig geringe Aufwand von jetzt noch erforderlichen Subventionsmitteln in irgendeinem Verhältnis zu den ungeheuren wirtschaftlichen und vor allem psychologischen Schäden steht, die hervorgerufen werden, wenn die Brotpreiserhöhung nicht verhindert wird.
Ich möchte besonders auch noch darauf hinweisen, daß der Herr Bundesfinanzminister klug genug war, selbst in seinem Katastrophenhaushalt noch 250 Millionen DM für Subventionsmittel einzusetzen. Diese können ja doch offensichtlich nach Ablauf von drei Monaten noch nicht voll verbraucht sein. Und wenn ich recht verstanden habe, so haben Sie, Herr Bundesernährungsminister, davon gesprochen, daß die Deckung noch für etwa sechs Wochen reichen würde. Warum setzen Sie diese Mittel dann nicht ad hoc ein, um die Verhältnisse zu verhindern, die wir seit vorgestern über uns ergehen lassen müssen? Und dem Herrn Finanzminister — er ist eben dabei, wegzugehen — möchte ich eine Frage vorlegen: Warum haben Sie diese Erwägungen, die Sie heute in der Frage der Subventionspolitik anstellen, nicht obwalten lassen, ehe Sie Ihre Steuerrechtsnovelle eingebracht haben?
Damals haben Sie. Herr Bundesfinanzminister — ich darf Sie noch einmal apostrophieren —, zu den gewerkschaftlichen Vorschlägen zur Steuerpolitik im Finanzausschuß erklärt, es handle sich um Agitationsanträge. Heute haben wir die Auswirkungen davon. Das haben Sie uns beschert.
Ich möchte nicht im einzelnen auf die Schwierigkeiten eingehen, die allein aus der Tatsache resultieren, daß für Inlands- und Importgetreidepreise noch lange nicht ausreichende Deckung gefunden werden kann. Das ist eine Sorge, mit der sich die Bundesregierung wird auseinandersetzen müssen.
Wir sind gerne bereit, alles zu tun, um die Landwirtschaft am Leben zu erhalten. Das möchte ich mit aller Klarheit den Landwirten sagen, damit uns nicht draußen in agitatorischer Weise vorgehalten wird; daß wir uns gegen die Landwirtschaft wenden würden. Wir denken gar nicht daran, sondern auch wir halten die Landwirtschaft unbedingt für einen integrierenden Bestandteil der deutschen Gesamtwirtschaft. Wir sind aber nicht bereit, mit solchen kleinlichen Mitteln von Fall zu Fall zu manipulieren, sondern wenn wir uns überhaupt über die deutsche Landwirtschaft unterhalten, dann muß es im Grundsätzlichen geschehen.
Was der Herr Bundesernährungsminister zur Frage der Verminderung der Anbaufläche erklärt hat, scheint mir nicht ganz zutreffend zu sein. Sie hat ihre Ursache doch wohl nicht nur darin, daß der Getreidepreis nicht ausreichend gewesen ist, sondern wohl vielmehr darin, daß wir uns bemühen, von der Getreidewirtschaft zur Veredelungswirtschaft überzugehen. Damit müssen wir gewisse Umstellungen in der Landwirtschaft in Kauf nehmen.
Ich hoffe auch zuversichtlich, daß Sie, Herr Bundesernährungsminister, nicht einen Vorwurf gegen die arbeitende Bevölkerung erheben wollten, wenn Sie feststellten, daß der Brotkonsum von 12,5 auf 8,5 kg zurückgegangen sei. Wir haben wahrhaftig viele Jahre lang nur Brot und Kartoffeln gegessen. Schätzen wir die Leute glücklich, die sich heute auf dem Markt etwas anderes beschaffen können!
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— Aber so war es doch wohl nicht gedacht, sondern
es war doch wohl so gemeint, daß damit in der Geschmacksrichtung eine Verlagerung eingetreten sei.
Es sind die niedrigen Brotpreise in Deutschland erwähnt worden. Mein Kollege Kriedemann war so liebenswürdig, bereits auf die Subventionspolitik durch die allerdings von anderen Parteien regierten Länder wie beispielsweise Norwegen und England hinzuweisen. Ich möchte Ihnen jetzt noch die Brotpreise in diesen Ländern mitteilen, damit Sie in der Lage sind, die Differenz gegenüber dem deutschen Brotpreis klar und eindeutig festzustellen. Wir in Deutschland bezahlen im Augenblick bei nichterhöhtem Preis 48 bis 50 Pfennig pro Kilogramm Weizenbrot. In Frankreich kostet dasselbe Brot 42 Pfennig, in Holland kostet es 37 Pfennig, in England 28 Pfennig.
— Eben, subventioniert! Das ist ja klar, daß das mit Weltmarktpreisen nichts zu tun haben kann; das wissen wir alle. Bei Roggenbrot ist der Unterschied zum Teil noch krasser. Wir bezahlten bisher 45 Pfennig für das Kilogramm. In Holland bezahlt man für Roggenbrot 36 und in Dänemark — man höre und staune — 18 Pfennig je Kilogramm.
Ich möchte mich ganz kurz mit den beiden Ausweichversuchen beschäftigen, die von meinem Kollegen Kriedemann schon treffend genug illustriert worden sind. Deshalb möchte ich zu dem ersten Versuch, nämlich auf die Type 1350 und 1600 auszuweichen und daraus ein neues Brot bei gleichem Preis zu backen, nichts mehr sagen. Lassen Sie mich nur soviel sagen: Dadurch, daß Sie den Antrag, der von Ihnen selbst gewünscht war, wieder fallengelassen haben, haben Sie dem Herrn Bundeskanzler einen sehr großen Dienst erwiesen; denn dieses Brot wäre mit absoluter Sicherheit als „Adenauerbrot" in die deutsche Geschichte eingegangen;
nicht nur, weil es sich in der Farbe der politischen Farbe des Herrn Bundeskanzlers nähert.
Aber nun noch etwas zu dem zweiten Versuch, diese Frage bei gleichbleibenden Preisen zu lösen. Der Herr Bundesernährungsminister war liebenswürdig genug, den letzten Teil der gestrigen Besprechungen hier noch einmal wiederzugeben, in dem er feststellte, daß neue Besprechungen mit den Verarbeitern eingeleitet seien, die zu dem Ergebnis führen sollen, eine marktgängige Sorte zu dem bisherigen Preis zu verkaufen, wohingegen alle übrigen Preise freigelassen werden sollten. Gegen einen solchen Versuch haben wir sehr ernste Bedenken. Sie stützen sich nicht nur auf vergangene Erfahrungen, sondern auf Erfahrungen in der Gegenwart.
— Herr Minister, ich habe Ihnen meine Bedenken angemeldet und ich lege Wert darauf, sie jetzt zu wiederholen. Ich lege deshalb Wert darauf, weil Sie diese Tatsache nicht umstoßen können. Wenn ich
mich recht erinnere, ist aus dem Schoße der Regierung eine Erklärung etwa folgenden Inhalts an die Öffentlichkeit gelangt: Wenn der Versuch gemacht werden sollte, jetzt, wo das Mehl noch zu den alten Preisen zur Verfügung steht, auch nur die geringste Erhöhung der Brotpreise eintreten zu lassen, wird die Regierung mit allen zu Gebote stehenden Mitteln einschreiten.
Ich frage die Regierung: Was hat sie gegen die in
allen Zeitungen in Rede stehenden Brotpreiserhöhungen bis jetzt gemäß dieser Erklärung getan?
Nichts hat sie getan!
Wir haben ernste Zweifel. Selbst wenn es ihr gelänge, mit einer gleichbleibenden schwarzgefärbten
Brotsorte einen entsprechenden Preis herbeizuführen, würde sie nicht in der Lage sein, die Garantie dafür zu übernehmen, daß dieses Brot auch
nur in einem einzigen Bäckerladen zu haben wäre.
Den Herren Bäckermeistern möchte ich nicht wehetun. — Schade, daß der Herr Bundesfinanzminister weggegangen ist. Es war meine Absicht, ihn auch noch an seine jüngsten Ausführungen am Sonntag vor acht Tagen auf dem Petersberg bei Dachau zu erinnern. Er hat sich eine historische Stätte ausgewählt, um ausgerechnet das zu sagen, was er sich dort zu sagen vorgenommen hatte, als er vom Rentnerstaat sprach. Mir scheint — das ist auch sehr zutreffend vom Herrn Präsidenten des Deutschen Bauerntages hier gesagt worden —, daß in den Handels- und in den Verarbeitungsspannen tatsächlich noch einige staatlich garantierte Renten enthalten sind, die abbauwürdig wären, wobei ich nicht behaupten möchte — um auch das ganz klar verständlich zu machen —, daß auch nach unserer Überzeugung aus den Verarbeitungsspannen allein die volle Preisdifferenz gedeckt werden könnte.
Was nun die Margarine-Preiserhöhung anbelangt, so war ich erschüttert, vorhin zu hören, daß man hier im Hause selbst die Anregung der Bundesregierung als noch nicht ausreichend empfindet und an Stelle der 25 Pfennig, die die Regierung gemeint hat, 50 Pfennig je Kilogramm auf die Margarine aufzuschlagen vorschlägt. Ich würde Sie doch bitten, jetzt einmal ernstlich mit sich selbst ins Gericht zu gehen und nicht nur jene Bevölkerungskreise zu sehen, denen Sie angehören und deren Wählerschaft Sie Ihre Anwesenheit hier verdanken.
Versuchen Sie sich einmal in die Lage derer hineinzuversetzen, die mit 40, 50, 60 Mark Rente im Monat ihr Leben fristen müssen.
Versuchen Sie sich einmal ein Bild davon zu machen, wie es bei diesen Leuten aussieht, die nach Abzug ihrer stehenden Kosten noch 24 bis 30 Mark im Monat zum Leben haben.
Bei diesen Leuten, die pro Tag noch 80 Pfennig oder 1 Mark zu verzehren haben, spielen 5 oder 10 Pfennig eine entscheidende Rolle. Das bedarf doch wohl keiner besonderen Betonung.
Ich möchte aber nicht nur die Renten- und Fürsorgeempfänger angesprochen wissen. Seien Sie bitte
davon überzeugt, daß wir in Deutschland leider,
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leider noch einen großen Teil von Arbeitnehmern haben, deren Lohneinkommen sie dazu zwingt, mit jedem einzelnen Pfennig zu rechnen. Vielleicht darf ich mir eine grundsätzliche Bemerkung dazu erlauben. Wenn ich mich recht erinnere, ist es seit dem September des vorigen Jahres die in diesem Hause mehr als einmal erklärte Politik der Regierung, die Lebenshaltungskosten der arbeitenden Menschen zu senken.
— Wollen Sie damit, daß Sie jetzt glauben, bei der Margarine stoppen zu können, zum Ausdruck bringen, der Lebensstandard der deutschen Arbeiter sei bereits angemessen?
— Aber das bringen Sie doch damit zum Ausdruck.
Wenn Sie in diesem Augenblick erklären, der Lebensstandard der deutschen Arbeiter reiche noch nicht aus, er müsse noch erhöht werden, dann dürfen Sie keine Gelegenheit ungenützt vorübergehen lassen, um den Lebensstandard zu verbessern.
Wenn Sie aber die Brot- und Margarinepreise erhöhen, dann haben Sie das Gegenteil von dem
getan, was Sie hier wiederholt selbst erklärt haben.
Ich möchte auch mit aller Klarheit darauf hingewiesen haben, daß die Angaben des Herrn Bundesernährungsministers, bezogen auf die Lebenshaltung der arbeitenden Menschen, eine recht unklare Darstellung bedeuten, wenn er vom Fleisch- und Eiweißbedarf gesprochen hat. Zunächst einmal ist seinen Zahlenangaben zu entnehmen, daß die Verbrauchsschichtung eine wesentlich andere ist als die Vermehrung des Fleischbedarfs an sich. Wir haben früher 50 kg pro Kopf der Bevölkerung verbraucht, und heute haben wir im Durchschnitt 30 kg. Wir liegen also im Durchschnitt mit 20 kg immer noch unter dem Durchschnitt des Normalverbrauchs.
Seien Sie sich bitte darüber klar: Diese Differenz von 20 kg wird ausschließlich von der unterdurchschnittlichen Lebenshaltung der arbeitenden Schichten getragen und bei den Sozialrentnern auf ein absolutes Nichts reduziert.
Zur Kunstdüngerfrage denke ich nicht ein einziges Wort zu sagen. Ich könnte nur noch einmal wiederholen, was ich bezüglich unserer Vorstellung von der allgemeinen Agrarpolitik gesagt habe. Wir sind selbstverständlich bereit, in dieser Richtung ein positives Stück mitzuarbeiten.
In diesem Zusammenhang möchte ich aber auf etwas anderes hinweisen. Seien Sie sich darüber klar, daß die Maßnahmen, die die Regierung vorzuschlagen jetzt die Absicht hat, nämlich die Preise für Brot und Margarine zu erhöhen, im einzelnen nicht nur wirtschaftlich zu sehen sind.
— Bitte, der Brotpreis ist de facto schon erhöht, oder wollen Sie, Herr Kollege Dr. Horlacher, uns begreiflich machen, daß es nicht schon viele Tausende von Bäckereien gibt, in denen der neue erhöhte Preis verlangt wird? Ich darf Sie vielleicht darauf hinweisen — eine Anregung, welche die Bundesregierung mit einiger Aufmerksamkeit verfolgen sollte —, es handelt sich um eine Aufforderung der Bäckerinnungen, das Brot nicht mehr zum
bisherigen Preise zu verkaufen, so daß man das also nicht der Entscheidung des einzelnen Bäckers überlassen hat, eine Frage, die unter Umständen auch unter dem Gesichtswinkel der Kartellgesetzgebung der Erörterung wert wäre. Aber seien Sie sich bitte darüber klar: Die Auswirkungen dieser beiden Maßnahmen werden viel, viel weiter reichen, als Sie es sich jetzt im Augenblick noch vorzustellen scheinen.
Auf die Auswirkungen bei den Sozialrentnern und Fürsorgeunterstützungsempfängern habe ich bereits hingewiesen. Ich könnte schon heute Tausende von Briefen vorlegen, die den Inhalt haben wie der, den ich Ihnen jetzt mit der gütigen Erlaubnis des Herrn Präsidenten vorlesen werde:
Der Betriebsrat der Ford-Werke AG, Köln, stellt fest, daß entgegen allen Versprechungen der Bundesregierung, keine Brotpreiserhöhung zuzulassen, die Brotpreise seit Montag, den 10.7. 1950, um 7 bis 10 Pfennig pro Kilogramm gestiegen sind. Ebenso droht durch die beschlossene Margarine-Ausgleichsabgabe eine empfindliche Erhöhung der Fettpreise.
Die tiefe Kluft zwischen Preisen, Löhnen und Gehältern wird dadurch noch weiter aufgerissen. Das muß zu katastrophalen Folgen für die Arbeitnehmerschaft führen. Löhne und Gehälter reichen für viele nicht mehr aus zur Sicherung des Existenzminimus. Die weitere Einengung der ohnehin schmalen Existenzlage hat große Empörung ausgelöst.
Den weiteren Teil dieses Briefes möchte ich Ihnen
jetzt nicht vorlesen; der wäre noch sehr viel schärfer.
— Nein, das werden wir am Montag sagen, und zwar über die Presse. Seien Sie sich darüber klar — ich bin nicht dazu autorisiert, Ihnen etwas über die erst am kommenden Montag und Dienstag zu fassenden Beschlüsse der zuständigen Gremien zu sagen; aber soviel kann ich Ihnen rein stimmungsmäßig mitteilen: Diese Angelegenheit geht nicht über die Bühne, ohne daß dadurch der schärfste Widerstand der Gewerkschaften ausgelöst wird.
Ich will Ihnen nur den Weg andeuten, wie die Entwicklung vor sich gehen wird. Sie können uns
— jetzt spricht der Gewerkschaftler — nicht den Vorwurf machen, daß wir in der deutschen Nachkriegswirtschaft nicht alles getan haben, um dem deutschen Volk in seiner Gesamtheit wieder einen Weg in die Zukunft freizumachen.
Aber einmal kommt der Tag, an dem wir Ihren Intentionen bei bestem Willen nicht mehr Rechnung zu tragen in der Lage sind.
Dieser Tag scheint jetzt gekommen zu sein, und ich will Ihnen andeuten, was noch geschehen wird. Wir werden überall dort, wo Lohntarife zu kündigen sind, sofort kündigen und in eine entsprechende Lohnbewegung eintreten. Wir werden uns die Frage zu überlegen haben, ob Sie durch die hier geschaffenen politischen Maßnahmen nicht einen rechtlichen Notstand hervorgerufen haben, der uns dazu berechtigt, auch nicht kündbare Verträge in Lohnverhandlungen zu berichtigen.
Sie sollten sich also, wenn Sie des Glaubens wären,
daß an diesem Antrag noch sehr viel herumzu-
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mäkeln sei, der Verantwortung darüber bewußt sein: Wenn die Entscheidung nicht heute fällt, fällt sie am Montag, allerdings in einer anderen Richtung und auf einer anderen Ebene. Dann ist Ihnen das alles aus der Hand genommen, und das ist das, worüber Sie heute zu entscheiden haben.
(Fortdauernde Unruhe. — Glocke des Präsi-
denten.)
Ihre Absicht ist voll und klar erkannt: Zeit zu gewinnen, damit sich das öffentliche Bewußtsein mit diesen Dingen abfindet.
Mein Kollege Kriedemann hat mit Recht gesagt: Der Dreh soll versucht werden. Wir aber sind bereit — und ich möchte das deutlich aussprechen — wir sind durchaus bereit, mit dem Herrn Bundesfinanzminister anzunehmen, daß es sich um harte und reale Tatsachen handelt, mit denen wir uns auseinanderzusetzen haben. Wenn aber die Brotpreiserhöhung und die Fett-Ausgleichsabgabe nach den Vorstellungen der Bundesregierung Tatsache werden sollten, so seien Sie gewiß, daß diese Maßnahme dann nichts anderes als eine Dokumentation der unsozialen Haltung der Bundesregierung und ihrer Mehrheit sein wird.
Gestatten Sie mir, Herr Präsident, zum Schluß ein Bibelwort!
Es lautet:
Höret dies, die Ihr die Armen unterdrückt und die Elenden im Lande verderbt und sprecht: Wann will denn der Neumond ein Ende haben, daß wir Getreide verkaufen, und der Sabbath, daß wir Korn feilhalten mögen und das Maß verringern und den Preis steigern und die Waage fälschen, auf daß wir die Armen um Geld, und die Dürftigen um ein Paar Schuhe unter uns bringen und Spreu für Korn verkaufen?
Das ist der Inhalt der Politik, wie Sie sie inauguriert haben.