Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nur 3 Minuten Redezeit. Äußerungen maßgeblicher Männer, auch einiger unserer Minister in den letzten Tagen, dazu tendenziöse Berichte in Zeitungen aller Parteirichtungen im ganzen Bundesgebiet geben mir Veranlassung, mich in diesem Augenblick als einziger Bäckermeister unter den Abgeordneten des Bundestages vor meine Kollegen draußen im Lande zu stellen, weil über uns Bäcker in den letzten Tagen Sachen verbreitet worden sind, die wir nicht ohne weiteres hinnehmen können.
Man hat den Eindruck erwecken wollen, als ob wir Bäcker uns unserer Verpflichtung dem deutschen Volke gegenüber nicht mehr bewußt gewesen wären.
Wir haben es mehr als alle anderen bedauert, daß wir in einen gewissen gesetzlosen Zustand gekommen sind. Wir hätten wirklich gewünscht, daß unsere Minister den Tag des 1. Juli nicht so hätten vorübergehen lassen. Wir hätten gewünscht, daß wir eine gesetzliche Grundlage gehabt hätten, um in Ruhe weiterarbeiten zu können.
Von den Bäckern hat man früher, zu einer anderen Zeit, schon einmal etwas anders gesprochen. Ich erinnere Sie an die Tage des Zusammenbruchs, als unsere Bäckermeister, unsere Frauen und Gesellen Tag und Nacht gearbeitet haben, um dem deutschen Volk unter den schwierigsten Umständen das Brot zu beschaffen, oft ohne Elektrizität, ohne Wasser usw. Ich erinnere mich des Tages meiner Heimkehr aus der Kriegsgefangenschaft. Ich kann Ihnen sagen: ich habe mit Bewunderung vor mei-
Deutscher Bundestag. — 75. und 76. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Juli 1950 2719
ner Frau, meinen Gesellen und Lehrlingen und vor meinen Nachbarn gestanden, die auch mit eingesprungen waren, mit Bewunderung ob der Arbeitsleistung, die sie vollbracht hatten. Anderthalb Kilometer von meinem Hause entfernt befand sich ein Durchgangslager für KZ-Häftlinge. Dauernd ist gearbeitet worden, ob gegen Entgelt oder ohne Entgelt, nur um dem deutschen Volke das Brot zu schaffen.
Dieser Verpflichtung dem deutschen Volk gegenüber sind wir Bäckermeister uns heute genau so bewußt. Wir wollen doch nur unser Recht. Wir wollen nur, wenn wir das Mehl jetzt teurer einkaufen müssen — und es ist uns bestätigt worden, daß wir es teurer einkaufen müssen —, diese Erhöhung auch auf unser Brot umlegen können. Wenn hier erzählt wird, daß die Bäcker ein Mehllager von 4 bis 6 Wochen hätten, dann stimmt das in keinem Falle,
höchstens für acht bis zehn Tage. Ich möchte Sie bitten, erkundigen Sie sich bei Ihren Konsumvereinen, bei dem zuständigen und verantwortlichen Leiter einer Konsumvereinsbäckerei, ob der in der Lage ist, diese Mehlpreiserhöhung auf sich zu nehmen, ohne den Brotpreis zu erhöhen.
— Das ist ganz egal, wohin ich spreche. Wenn aber heute im Radio von Herrn Bundesminister Niklas ebenso wie von dem Preiskommissar Bendix in Hannover gesagt wird, daß man uns deutsche Bäckermeister, die wir nun den Brotpreis um etwas erhöht haben, deswegen bestrafen wollte, dann darf ich Ihnen sagen: dann soll man die 53 000 Bäcker vor den Kadi zitieren, und ich möchte den Richter sehen, der einen anständigen Bäckermeister bestraft, nur weil er richtig kalkuliert hat.
Der Vorsitzende unseres Bäckerverbandes hat vor sechs Wochen Herrn Niklas anläßlich der Brotwerbewoche einen Vorschlag gemacht, den ich jetzt ganz offiziell für das deutsche Bäckerhandwerk wiederholen möchte. Wenn wir durch die finanzielle Notlage einmal dahingekommen sind, daß Minister Schäffer keine Subventionen mehr hergeben kann, müssen wir versuchen, aus diesem Dilemma herauszukommen. Aber es geht nicht an, daß dann nur ein Stand die ganze Last tragen soll. Dann muß das ganze deutsche Volk eben mithelfen, und dann wird es auch gehen. Ich würde es deshalb begrüßen, wenn schon in allernächster Zeit sich verantwortungsbewußte Männer zusammensetzen und folgenden Vorschlag diskutieren würden: Die Subventionen werden in Zukunft getragen zu je einem Sechstel von der Landwirtschaft, von den Mühlen, von den Großhändlern, von den Händlern, von den Bäckern und von den Verbrauchern. Dann ist eine gerechte Verteilung gesichert, und dann haben wir für die Zukunft einen Brotpreis, mit dem sich das ganze deutsche Volk einverstanden erklären kann.