Rede von
Anton
Storch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin wegen der Art und der Durchführung des Arbeitsbeschaffungsprogramms in den verschiedensten Zeitungen angegriffen worden. Man hat dabei gesagt: die ganze Arbeitsbeschaffung steht unter der Leitung des Arbeitsministers. Daß heute der Herr Wirtschaftsminister Nölting dieselben Töne singt, wundert mich einigermaßen. Ihm ist doch bestimmt bekannt, daß die Federführung für die Aufstellung und Durchführung des Arbeitsbeschaffungsprogramms nur in der Größenordnung der 300 Millionen DM für die Flüchtlingsländer beim Arbeitsministerium gelegen hat.
Die Angriffe, die gegen die Art der Einsetzung dieser Mittel geführt worden sind, gingen immer wieder dahin, daß dies Geld nicht zur finanziellen Unterstützung bereits bestehender Betriebe eingesetzt wurde. Ich wundere mich darüber, daß auch Herr Dr. Nölting die Meinung vertritt, daß, wenn Gelder wirtschaftlich eingesetzt werden sollen, man es nur nach dem Gesichtspunkt der bereits vorhandenen Betriebe tun soll. Wenn ich die Masse der Arbeitslosen in den Flüchtlingsländern habe, dann bin ich verpflichtet — bis zum wirtschaftlichen Ausbau dieser Gebiete —, auch einmal Geld in diese Gebiete hineinzugeben, um den dort ansässigen Menschen die Lebensmöglichkeit zu erhalten.
Wenn die Auffassung des Herrn Dr. Nölting von
einem reinen Kapitalisten vorgetragen worden wäre,
hätte ich Verständnis dafür gehabt; von einem Sozialisten vorgetragen sind sie mir völlig unverständlich.
— Herr Dr. Nölting, Sie haben davon gesprochen, man müsse Planung betreiben und müsse das Geld dort einsetzen, wo durch die vorhandenen Betriebe die Aufsaugmöglichkeit gegeben sei.
Sie wissen doch ganz genau, daß in Ihr Land — Nordrhein-Westfalen —, in dem wir die große Konzentration der deutschen Grundindustrien haben, zur Zeit eine Übersiedlung der Millionen Menschen, die in Schleswig-Holstein, in Niedersachsen und in Bayern arbeitslos sitzen, gar nicht durchgeführt werden kann, weil dort die notwendigen Wohnungen nicht vorhanden sind. Sie sind in England gewesen und haben sich dort mit Ihren politischen Freunden den Neuaufbau der englischen Wirtschaft angesehen; Sie wissen, daß man sich dort besonders darüber freut, daß es gelungen ist, in die sogenannten Elendsgebiete neue Arbeitsplätze in einer Größenordnung von 420 000 zu bringen. Das war schon etwas! Wir werden nicht damit auskommen, Herr Nölting, nur kleine Nebenindustrien in die Flüchtlingsländer zu bringen. Wir werden eine Streuung der deutschen Industrie über das Bundesgebiet durchführen müssen, wenn es uns nicht gelingt, die Millionen der Vertriebenen aus ihren jetzigen Wohngebieten wegzunehmen.
Ach, meine sehr verehrten Herren, nehmen Sie es mir nicht übel: „Planen", das finden Sie in jedem Privatbetrieb besser als in einer Planung durch den Staat.
Wenn Planung durchgeführt werden soll, dann dürfen Sie sich von uns sagen lassen, daß das, was wir tun, planmäßiges Handeln ist. Wenn wir in den Notstandsgebieten im vergangenen Jahr 300 Millionen DM eingesetzt haben, dann wollten wir den Menschen in diesen Gebieten eine Übergangshilfe geben, bis wir die endgültigen Lösungen durchführen können.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollte man die Dinge vor dem Volk nicht so hinstellen, als ob man dadurch, daß man eine Planwirtschaft aufbaut, das deutsche Arbeitslosenproblem lösen
könnte.
Herr Professor Nölting, fragen Sie doch Ihren eigenen Kollegen, der das Institut für Weltwirtschaft in Kiel führt; der wird Ihnen sagen, daß man mit Ihren Rezepten die Probleme nicht lösen kann. Er wird Ihnen unsere Auffassung bestätigen, daß nur eine Ausweitung unserer industriellen und wirtschaftlichen Basis in der Lage ist, die Arbeitslosigkeit zu überwinden, die Sie mit der Planung lösen zu können glauben.