Rede von
Anton
Storch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zuerst die von der sozialdemokratischen Fraktion eingebrachte Interpellation beantworten und dann nur ganz kurz auf das eingehen, was hier zu ihrer Begründung gesagt worden ist:
Die Interpellation der Abgeordneten Kurlbaum, Seuffert, Dr. Schöne und der Fraktion der SPD, Drucksache Nr. 954, ist folgendermaßen zu beantworten:
1. Der Wohnungsbau. Bereits in der 71. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 22. Juni 1950 hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau bei Beantwortung einer Interpellation der Fraktion der SPD, Drucksache Nr. 948, zur Frage der Durchführung des Wohnungsbauprogramms eingehend Stellung genommen. Das Wohnungsbauprogramm der Bundesregierung ist, obwohl der Bund erst seit Herbst 1949 besteht und hierdurch die Wohnungsbaumittel erst im März 1950 endgültig zugesagt werden konnten, in vollem Umfange angelaufen.
a) Zur Finanzierung: Der freie Kapitalmarkt, die Sparkassen, die Hypothekenbanken und die Lebensversicherungsgesellschaften haben über die bis zum 1. Mai 1950 zugesagten 650 Millionen hinaus bereits jetzt 850 Millionen an den letzten Darlehnsnehmer zugesagt. Auf Grund der Vorfinanzierung seitens der Bank deutscher Länder sind 250 Millionen aus ERP-Mitteln bereits von der Kreditanstalt für Wiederaufbau den Realkreditinstituten bis Ende März zur Verfügung gestellt worden. Davon entfallen allein 100 Millionen auf das Flüchtlingsprogramm für die Länder Schleswig-Holstein, Bayern und Niedersachsen.
Statt der von den öffentlichen und privaten Bausparkassen in Aussicht gestellten 220 Millionen, von denen bereits am 1. Mai 1950 164 Millionen bewilligt waren, sind heute schon 260 Millionen zugesagt worden. Von den 400 Millionen Haushaltsmitteln, die in zehn Monatsraten von je 40 Millionen schlüsselmäßig auf die Länder aufgeteilt sind, sind bis jetzt 117 Millionen ausgezahlt worden. Aus dem Soforthilfe-Fonds sind 100 Millionen bereits am 1. März 1950 und aus den Rückflüssen, aus Umstellungsgrundschulden 312 Millionen ebenfalls schon zum 1. März 1950 anteilmäßig auf die Länder verteilt worden. 400 Millionen aus den Haushaltsmitteln der Länder sind nach den Berichten der Länder bereits fast in vollem Umfange bis zum 1. Mai 1950 verplant worden. Eigenmittel, Zuschüsse und Darlehen von Privaten in Höhe von ungefähr 400 Millionen sind dem Kapitalmarkt schon zugeflossen.
b) Entscheidend für die Inangriffnahme des Programms ist nicht die Auszahlung der Geldbeträge
an den letzten Kreditnehmer, sondern die Zusage der Kreditinstitute, die Finanzierung der Bauvorhaben zu übernehmen. Die Auszahlung der Gelder erfolgt entsprechend dem Baufortschritt. Sie ist anders als der Abfluß von Krediten für die gewerbliche Wirtschaft und wird insbesondere dadurch bestimmt, daß die dingliche Sicherung der Kredite auf den Grundstücken durchgeführt werden muß. Seit der Ingangsetzung des Wohnungsbauprogramms im März 1950 konnten daher bis zum 1. Mai 1950 Kreditabflüsse nur langsam erfolgen. Die erhöhten Zusagen insbesondere seitens des freien Kapitalmarktes und der Bausparkassen lassen aber erkennen, daß die Abflüsse der Darlehen nunmehr nach Anlaufen des Programms entsprechend den erzielten Baufortschritten zügig vor sich gehen. Es ist ein Erfahrungssatz, daß die Bewegung großer Geldbeträge von der Zusage durch die Zentralbehörden bis zur dinglichen Sicherung auf dem Baumarkt Zeit beansprucht.
c) Die für den Wohnungsbau bereitgestellten Bundesmittel sind bereits im März auf die Länder verteilt worden und werden als globale Schuldscheindarlehen den Ländern zur Verfügung gestellt. Die Durchführung des Wohnungsbaues liegt nach der Bundesverfassung bei den Ländern, die die zur Verfügung gestellten Mittel über die Fewilligungsbehörden den Bauherren zuzuleiten haben. Tatsächlich sind aus diesen Mitteln in der Zwischenzeit 117 Millionen an den letzten Kreditnehmer gegeben worden.
d) Kennzeichnend für die Entwicklung im Wohnungsbau ist das stetige Absinken der Zahl der arbeitslosen Bauarbeiter. Von 337 000 erwerbslosen Bauarbeitern Ende Februar verblieben Ende Mai 174 000. Die weitere Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt der Bauarbeiter für den Monat Juni konnte infolge Fehlens von Ziffern aus den Ländern noch nicht übersehen werden. Heute haben wir bereits aus den 'verschiedensten Gebieten die Meldung, daß im Baugewerbe Facharbeitermangel eintritt.
2. Die Bundesbahn. Von der Bank deutscher Länder sind der Deutschen Bundesbahn bis zum 1. Mai 1950 250 Millionen verbindlich zugesagt worden. Bis zum 1. Mai 1950 waren 10 % des Gesamtbetrags, das sind 25 Millionen Mark, der Deutschen Bundesbahn gutgeschrieben. Ein stärkerer Abruf durch die Deutsche Bundesbahn war bis zu diesem Zeitpunkt nicht erforderlich, da die Aufträge zwar schon früher erteilt worden sind, die Rechnungsbeträge aber erst nach Lieferung, also später anfallen. Die Deutsche Bundesbahn wird den Kredit in Anpassung an die Fälligkeit der Unternehmerrechnungen in Anspruch nehmen und hat die Abrufe weiterer Teilbeträge entsprechend vorgesehen. Die Durchführung der Kreditaktion bei der Deutschen Bundesbahn obliegt der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn in Offenbach. Eine Verzögerung in der Herausgabe von Aufträgen liegt nicht vor, vielmehr konnte die Deutsche Bundesbahn äußerst kurzfristig Aufträge herausgeben. Die Deutsche Bundesbahn hatte bis zum 1. Mai einschließlich des Auftrages für die Waggonindustrie für 155 Millionen Aufträge erteilt.
3. Die Bundespost. Der für die Deutsche Bundespost vorgesehene Kredit in Höhe von 50 Millionen Mark ist bisher noch nicht in Anspruch genommen worden. Die Bank deutscher Länder hat für den Fall, daß die Deutsche Bundespost bei der Durchführung ihres in Gang gesetzten Investierungs-
Deutscher Bundestag — 75. und 76. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Juli 1950 2699
programms in Kassenschwierigkeiten geraten sollte, eine Liquiditätshilfe in Höhe von 50 Millionen Mark zugesagt. Bisher hat die Deutsche Bundespost, ohne Auftragsstornierungen vornehmen zu müssen, diese Liquiditätshilfe noch nicht in Anspruch zu nehmen brauchen.
4. Kredite für Exportaufträge. Für mittel- und langfristige Exportaufträge hat die Bundesregierung 300 Millionen Mark zur Verfügung gestellt. Durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau waren am 1. 5. 1950 den Kreditnehmern 10,5 Millionen zugesagt und 3,6 Millionen ausgezahlt. Am 1. 7. 1950 hatte die Kreditanstalt für Wiederaufbau 30 Millionen zugesagt und 16,5 Millionen ausgezahlt. In der Durchführung des Exportprogramms sind Verzögerungen nicht festzustellen. Nachdem am 15. 3. 1950 den Exportfirmen die Verfahrensvorschriften der Bank deutscher Länder und der Kreditanstalt für Wiederaufbau gegeben waren, konnten erst auf Grund dieser neu geschaffenen Möglichkeiten die Exportgeschäfte in größerem Umfange anlaufen. Bis dahin hatten die Exportfirmen nur geringe Möglichkeiten, mittel- und langfristige Exportverträge mit dem Ausland zu vereinbaren. Eine Anlaufzeit für derartige Lieferungsgeschäfte ist natürlich unvermeidlich. Der Umfang des Exportgeschäftes hat sich laufend günstiger gestaltet. Mitbestimmend für diese Entwicklung ist der Einfluß der zur Verfügung gestellten Kredite.
5. Kredite für mittlere und kleinere Betriebe einschließlich des Handwerks. Die Industriebank hat von der ihr zur Verfügung gestellten Summe von 50 Millionen Mark am 24. 3. 1950 10 Millionen und am 10. 5. 1950 weitere 10 Millionen von der Kreditanstalt für Wiederaufbau abgerufen. Bis zum 21. 6. 1950 sind von der Industriebank Kreditbewilligungen im Betrage von 28,5 Millionen Mark ausgesprochen worden. Der Abfluß dieser Kredite geht entsprechend weiter. Vorfinanzierungen bis zur endgültigen Zuteilung der Kredite nach Erfüllung der banktechnischen Voraussetzungen überbrücken die Kreditanforderungen.
6. Lohnintensive Unternehmungen in den Flüchtlingsländern Bayern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und einem Teil von Nordhessen: Für diese finanzschwachen Länder sind seitens der Bundesregierung 300 Millionen DM, insbesondere zur Schaffung von Dauerarbeitsplätzen unter besonderer Berücksichtigung der Flüchtlinge, zur Verfügung gestellt worden.
Unter Zugrundelegung der Vorschläge der beteiligten Lander wurden bis zum 1. Mai 1950 folgende Kredite zugeteilt: an die gewerbliche Wirtschaft 141 Millionen DM, die Landwirtschaft 56 Millionen DM, den Seeschiffsbau 25 Millionen DM, Kleinkredite für einheimische und Vertriebenenbetriebe 40,9 Millionen DM, für den Verkehr 24 Millionen DM, an Versorgungsbetriebe 9 Millionen DM und an verschiedene andere 3,11 Millionen DM.
Bis zum 1. Mai 1950 wurden von der Wiederaufbaubank als durchleitendem Kreditinstitut für einheimische Handwerks- und Kleinbetriebe 6 Millionen DM, für Flüchtlingshandwerks- und -kleinbetriebe 34 Millionen DM und die Landwirtschaft 10,5 Millionen DM den Ländern für die von diese= benannten Kreditinstitute abrufbereit zur Verfügung gestellt.
Bis zum 11. Mai 1950 hatte die Wiederaufbaubank insgesamt bereits für gewerbliche Einzelprojekte weitere 138,6 Millionen DM, für den Hochseeschiffsbau weitere 10,7 Millionen DM und
für die Binnenschiffahrt weitere 1 Million DM bereitgestellt.
Bis zum 10. Juni 1950 waren alle Kredite außer denen an die gewerbliche Wirtschaft den Kreditnehmern eingeräumt und standen abrufbereit bei der Wiederaufbaubank bzw. bei den Länderkreditinstituten zur Verfügung.
Die Abwicklung der insgesamt 536 gewerbliche Objekte umfassenden Einzelkredite nimmt längere Zeit in Anspruch, da jedes Einzelprojekt überprüft und der Kredit gesichert werden muß. Da die Einzelkredite in großem Umfang den Vertriebenenbetrieben zufließen, stößt der Abfluß dieser Kredite mangels entsprechender Sicherheiten bei den Kreditnehmern auf nicht unerhebliche Schwierigkeiten, zumal die Hausbanken vielfach nicht gewillt sind, selber ein Risiko mit zu übernehmen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau hat bisher von den rund 140 Millionen DM für die gewerbliche Wirtschaft eingeplanten Krediten mehr als 70 Millionen DM den letzten Kreditnehmern fest zugesagt. Der Abfluß der Kredite sowohl auf der gewerblichen als auch auf der nichtgewerblichen Seite geht nunmehr gut vorwärts. Es ist nach Lage der Dinge zu erwarten, daß die Abwicklung der Kredite auf dem gewerblichen Sektor in kürzester Frist durchgeführt sein wird. Vielfach haben sich auch Banken bereit gefunden, geplante Kredite v orzufinanzieren.
Inwieweit die den Ländern zugeteilten Mittel, insbesondere für den landwirtschaftlichen Siedlungsbau und für Kleinkredite sowie für die Versorgungsbetriebe, an den letzten Kreditnehmer gelangt sind, ist nicht übersehbar. Fest steht, daß Teilbeträge der eingeräumten Kredite bei der Wiederaufbaubank bereits abgerufen worden sind.
Außer dem Umstand, daß die Banken zögern, eine eigene Haftung bei den gewerblichen Betrieben zu übernehmen, ist zu erwähnen, daß die Abwicklung des Schwerpunktprogramms besonders wegen der Bürgschaftsübernahme der Länder auf große Schwierigkeiten stieß. Die Überprüfung der Einzelobjekte in der Länderebene für die Entscheidung, ob eine Bürgschaft übernommen werden soll oder nicht, nimmt außerordentlich viel Zeit in Anspruch. Die vielfach bei den Hausbanken liegenden Kredite können nicht zur Auszahlung gelangen, weil die Bürgschaftsübernahmen der Länder fehlen. Bei den außergewerblichen Objekten konnte beobachtet werden, daß die erfolgten Kreditbewilligungen den Kreditnehmern mit größerer Verspätung bekannt wurden. Dadurch wird nicht nur der Abfluß der Kredite, sondern auch der Erfolg verzögert.
Insgesamt gesehen können die Bemühungen der Bundesregierung, die Arbeitslosigkeit durch dieses Arbeitsbeschaffungsprogramm zu mindern, zum mindesten teilweise als erfolgreich bezeichnet werden. In den letzten Monaten zeichnet sich infolge des Arbeitsbeschaffungsprogramms und einer aktiven Konjunkturpolitik der Bundesregierung eine sichtbare Belebung der Volkswirtschaft ab. Im zweiten Vierteljahr 1950 ist die Zahl der Arbeitslosen um 314 000 gesunken. In derselben Zeit, in der die Zahl der Arbeitslosen um 314 000 gefallen ist, hat die Zahl der Beschäftigten im Bundesgebiet um 500 000 zugenommen.,
Die Zahl ,der Beschäftigten liegt heute um 142 000 höher als die höchste Zahl, die bisher in der Zeit nach der Währungsreform erreicht worden ist.
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Das ist ganz bestimmt ein Erfolg, der sich sehen lassen kann. An dieser Entwicklung sind die Flüchtlingsländer erfreulicherweise mehr beteiligt als die anderen. Die Zahl der Beschäftigten ist im Bundesgebiet im Durchschnitt um ungefähr 4 % gestiegen. Die Steigerung betrug aber in Schleswig-Holstein 5,7, in Bayern 5,5 und in Niedersachsen 5,2 %. Man darf wohl annehmen, daß sich diese Entwicklung fortsetzt, nachdem die Arbeitsbeschaffungsprogramme der Bundesregierung — eigentlich langsamer als erwartet war — angelaufen sind.
Ich darf deshalb die Einzelfragen, die in der Interpellation zum Schluß unter 1, 2, 3 und 4 zusammengefaßt sind, wie folgt beantworten:
Die Fragen 1 und 2 dürften wohl durch die bis jetzt gemachten Darlegungen als beantwortet angesehen werden.
Frage 3 lautet: Welche Stellen der Bundesregierung sind für die Durchführung dieser Kreditaktionen verantwortlich? — Darauf habe ich die Antwort zu geben: An erster Stelle natürlich unser Finanz- und unser Wirtschaftsministerium, allerdings in engster Verbindung mit dem Gesamtkabinett.
Frage 4 lautet: Welche Gründe sind für die bisherigen Verzögerungen maßgebend? — Da möchte ich sagen: Die Größe des Programms hat dazu geführt, daß wir nicht überall die Leute gefunden haben, die in solche Dinge so eingearbeitet sind, wie es eigentlich sein müßte. Ich möchte diese Frage dahingehend beantworten, daß die Verzögerungen vielfach an der Unzulänglichkeit der Menschen gelegen haben.
Gestatten Sie mir zum Schluß noch einige Bemerkungen zu dem, was der Vertreter der Sozialdemokratischen Partei gesagt hat. Wir gehen mit Ihnen völlig darin einig, daß es Aufgabe der Bundesregierung ist, das Problem der Arbeitslosigkeit sobald wie möglich rückläufig zu entwickeln und sie zu beseitigen. Wir sollen uns aber doch keiner Täuschung hingeben. Das heutige Wirtschaftsplateau für unsere 48 Millionen Menschen ist nicht groß genug, um das durchzuführen, was man unter einer Vollbeschäftigung versteht. Ich möchte den Herren von den Oppositionsparteien die Bitte unterbreiten, die Bundesregierung doch mit allen Mitteln zu unterstützen, damit wir von allen wirtschaftlichen Hemmungen, die heute noch auf uns liegen, befreit werden. Es ist völlig verkehrt, wenn wir aus dem Deutschen Bundestag heraus der Welt sagen: Es liegt an der Unzulänglichkeit der Deutschen Bundesregierung, daß wir ein Arbeitslosenproblem haben. Jeder von Ihnen weiß doch — und vor allen Dingen die Vertreter der Konjunkturforschungsinstitute auch in Ihren eigenen Reihen sagen es Ihnen ganz klar und deutlich —, daß das wirtschaftliche Plateau, das uns heute zur Verfügung steht, nicht groß genug ist, um das Problem der Vollbeschäftigung im deutschen Volke zu lösen.