Rede von
Walter
Fisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Der Fall Sontra ist aus mehr als einem Grunde interessant, weil er typisch ist für die direkte Verantwortlichkeit der amerikanischen Besatzungsmacht für den Zerstörungsprozeß in der deutschen Wirtschaft und für die Zerrüttung unserer sozialen Verhältnisse. Es ist eigenartig, daß keiner meiner Vorredner die Geschichte der Zerstörung des Sontra-Wirtschaftsgebietes hier zu erwähnen für nötig hielt. Die Sontra-Gruben, die bis 1945 4000 Arbeiter beschäftigten, wurden beim Einmarsch der Amerikaner auf deren Befehl systematisch zerstört. Die Schächte wurden ersäuft, und in diesem Gebiet gibt es darum heute eine solche im ganzen übrigen Bundesgebiet nicht erreichte Arbeitslosigkeit, daß beispielsweise in der Gemeinde Sontra von 6500 Einwohnern 1350 Unterstützungsempfänger sind.
Die amerikanische Besatzungsmacht hat die Demontage der zwei Hochöfen, die Demontage der wichtigsten Maschinen nicht darum angeordnet, weil es sich um kriegswichtige Objekte handelt, sondern weil die Konkurrenzangst der amerikanischen Kupferproduzenten und -importeure dahinter steht, die keine deutsche Kupferproduktion aufkommen lassen möchten.
Zudem ist das Gebiet die ganze Zeit nicht nur durch die Demontagen, sondern auch durch die fortlaufenden Produktionsbeschränkungen der Amerikaner gehemmt.
Es ist darum kein Wunder, wenn auch die Bundesregierung selbst keine Pläne entwickelt hat und sich auf solche, man muß sagen, banalen Erklärungen beschränkt, wie sie uns heute hier vorgelegt worden sind. Auch noch aus einem anderen Grunde geschieht dies. Man möchte die Ungeklärtheit der Besitzverhältnisse der Sontra-Gruben als Grund vorschieben. Diese Gruben zählen bekanntlich zum Geltungsbereich des Artikels 41 der hessischen Verfassung, der die Überführung der Grundindustrien in die Hände des Volkes bestimmte. Das ist nicht nur deswegen bis heute verhindert worden, weil die amerikanische Besatzungsmacht die Verf ügungsgewalt über die Gruben reklamierte, sondern weil man die Besitzansprüche der Herren von Mansfeld, der Aktionäre, die in Hannover sitzen, auch heute
Deutscher Bundestag — 75. und 76. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Juli 1950 2693
noch als gerechtfertigt ansieht. Darum, weil die Besitzverhältnisse in Sontra für die Bundesregierung „ungeklärt" sind, lohnt sich für die Bundesregierung keine langfristige Kreditgewährung; darum hat sie keinen Pfennig für diese Sache und darum beschränkt sie sich auf nichtssagende Erklärungen.
Es ist die Auffassung meiner Fraktion, daß eine wesentliche Hilfe für dieses Gebiet nur auf drei Wegen zustandekommen kann.
Erstens, indem man die wirtschaftliche Zusammenarbeit des durch die Aufteilung Deutschlands auseinandergerissenen Unternehmens wiederherstellt. Heute werden die Kupferrohsteine von Sontra nach Hamburg verfrachtet, statt wie früher in die Schwesterbetriebe in Thüringen. Die Deutsche Demokratische Republik und ihre Regierung haben sich wiederholt für die Zusammenarbeit dieser beiden getrennten Betriebe erklärt. Heute gibt es einen Weg, wenn man nur will und wenn man sich von amerikanischen Verboten nicht einschüchtern läßt. Die Kupferrohsteine von Sontra können und müssen zur Verhüttung nach Thüringen gebracht werden. Das ist die erste Möglichkeit, wie man auf dem Wege einer besonderen Vereinbarung, eines Betriebsvertrags, die Tausende, die ehemals dort beschäftigt waren, wieder in Arbeit bringen kann.
Zweitens braucht man eine umfangreiche finanzielle Unterstützung seitens der Bundesregierung, die sich gegen die amerikanischen Verbote auf Erweiterung des Kupferbergbaues durchsetzen müßte. Diese Mittel müssen nicht nur bloß für die Erweiterung des Kupferbergbaues, sondern auch für die Behebung der schlimmsten sozialen Nöte verwandt werden, wie auch für die Wiederherstellung des durch die DPs zerstörten Wohnraums, für die Erstellung von Schulgebäuden usw. Ich bin davon überzeugt, daß, wenn diese Hilfe seitens der Bundesregierung nicht bald kommt, die Bevölkerung des Sontra-Gebiets zur Selbsthilfe schreiten wird; denn länger läßt sich die Empörung der dortigen Bevölkerung nicht mehr durch banale Vertröstungen und unernste Versprechungen hinhalten. Es wäre Pflicht dieses Hauses, — —Präsident Dr. Köhler: Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.