Rede von
Dr.
Erich
Köhler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich stelle das ausdrücklich fest und stelle weiterhin fest, daß die Aussprache über Drucksache Nr. 1079 damit abgeschlossen ist.
Wir kommen nun zur Abstimmung. Zunächst haben wir über den kommunistischen Abänderungsantrag abzustimmen. Wird dieser Antrag von zehn Mitgliedern unterstützt? — Schön, der Antrag wird von der genügenden Anzahl von Mitgliedern unterstützt. Er geht dahin, die Worte „unter normalen Bedingungen" zu ersetzen durch die Worte „ohne Paß- und Visumzwang". Wer diesem Abänderungsantrag zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. —
Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit.
— Seien Sie doch beglückt, Ihr Abänderungsantrag ist ja angenommen!
Ich lasse nunmehr über den Gesamtantrag Drucksache Nr. 1079 abstimmen unter Berücksichtigung der soeben beschlossenen Änderung. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit zweifelsfreier Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kommen damit zu Punkt 8 der Tagesordnung:
Beratung des Antrages der Fraktion der SPD betreffend Sitz der oberen Bundesbehörden .
Der Ältestenrat macht Ihnen den Vorschlag, daß wir lediglich die Begründung der Herren Antragsteller entgegennehmen und dann ohne Aussprache den Antrag an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung überweisen. Darf ich das Einverständnis des Hauses mit dieser Verfahrensregelung feststellen? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist demgemäß beschlossen.
Wer von den Herren Antragstellern wünscht das Wort? — Herr Abgeordneter Maier!
Maier (SPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Als in den Tagen der Auseinandersetzungen über den vorläufigen Bundessitz in einer Denkschrift der Stadt Frankfurt geltend gemacht wurde, bei der Wahl der Bundeshauptstadt habe man von der grundsätzlichen Erwägung auszugehen, daß alle Instanzen mit zentralen Aufgaben an einem Platze oder mindestens in seiner unmittelbarsten Umgebung zusammengefaßt werden müßten, wurde seitens der Vertreter der heutigen Bundesregierung und von den Anhängern Bonns entgegnet, daß ein so unerträglicher Zentralismus die im gesamtdeutschen Interesse als notwendig anerkannte Vorläufigkeit des Bundessitzes hinfällig mache. Selbst in der ehemaligen Reichs-
hauptstadt Berlin, wurde gesagt, habe eine solche Zusammenballung von Zentralinstanzen nicht bestanden. Zahlreiche derartige Stellen hätten sich zum Nutzen der deutschen Bevölkerung in anderen politisch und wirtschaftlich besonders hervorragenden deutschen Städten wie Hannover, Hamburg, München, Stuttgart, Köln, Leipzig und anderen befunden. Gegenüber dem Einwand, durch eine Dezentralisierung der oberen Bundesbehörden würden Dienstreisen in großer Zahl und mit einem nicht zu rechtfertigenden Aufwand an Zeit, Kraft und Geld notwendig werden, wurde darauf hingewiesen, daß nach Überwindung der Kinderkrankheiten im Aufbau von Verwaltung und Wirtschaft an die Stelle des überbetriebsamen Jagens von Konferenz zu Konferenz schließlich doch eine ruhigere, produktivere Tätigkeit an der Arbeitsstätte selbst eintreten werde, wobei man sich dann wohl auch der Benutzbarkeit postalischer Einrichtungen erinnere.
Im Verfolg dieser Auffassung hat am 14. Oktober 1949 die Bundesregierung in einer Kabinettsitzung entschieden, daß zwar sämtliche Ministerien am Bundessitz untergebracht werden sollen, daß aber die Fachstellen des Wirtschaftsministeriums, die Außenhandelsstellen und die Vorratsstellen des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der Bundesrechnungshof und das Statistische Bundesamt an ihren Sitzen verbleiben können.
Anläßlich der Beratungen über die Verlegung von Bundesoberbehörden nach Berlin wurde regierungsseitig der Standpunkt vertreten, daß neben einer bevorzugten Berücksichtigung der ehemaligen Reichshauptstadt bei der Errichtung weiterer Bundesoberbehörden und Bundesgerichte eine gesunde und gerechte Streuung über das ganze Bundesgebiet erfolgen müsse. Die Folge dieser Erklärungen war, daß eine große Anzahl von Städten Angebote für die Aufnahme neuer Bundesverwaltungen einreichte. Man beschränkte sich dabei nicht nur auf die Vorlage von Denkschriften und Plänen. Die interessierten Stadtverwaltungen schickten Delegationen, die in mündlichen Rücksprachen die Stimmung im Bundeshause erforschten, um je nach dem Erfolg ihrer Bemühungen ihre Propaganda für ihre Stadt zu verstärken oder ihre kommunalen Körperschaften erneut tätig werden zu lassen.
Wenn man beispielsweise verfolgt, was seitens einer ganzen Reihe von Städten, die sich um den Bundesgerichtshof beworben haben, an geistigem und materiellem Aufwand geleistet wurde, und dabei feststellt, daß in einigen Fällen schon nach oberflächlicher Beurteilung eine Berücksichtigung völlig ausgeschlossen ist, so erhebt sich die Frage nach der Verantwortlichkeit für solchen Leerlauf. Meine Freunde und ich sind der Meinung, daß die Schuld in erster Linie bei der Bundesregierung zu suchen ist, die hier, wie in vielen anderen Fragen, ohne Plan vorgeht und es entweder dem Herrn Bundeskanzler — wie etwa im Falle des Sitzes für den Bundesgerichtshof — oder dem Zufall überläßt, welcher Ort als Sitz einer Bundesbehörde festgelegt wird. Dabei kann häufig die Beobachtung gemacht werden, daß der einmal vertretene Grundsatz von der gesunden und gerechten Streuung über das ganze Bundesgebiet und der besonderen Berücksichtigung Berlins völlig außer acht gelassen wird, während sich der Wunsch des Herrn Bundeskanzlers immer stärker verdichtet, seine neuen Oberbehörden nahe bei sich zu haben, wohl in der Annahme, daß das Bonner Klima ihrer gedeihlichen Entwicklung besonders förderlich sei.
In diesem Zusammenhang ist wohl die Frage an die Regierung erlaubt: Wie kam es, daß, nachdem der Herr Justizminister durch seinen Vertreter im Rechtsausschuß erklären ließ, daß von den Bewerbern für den Sitz des Bundesgerichtshofs die Städte Karlsruhe und Kassel die Voraussetzungen für ihre Wahl erfüllten, plötzlich der Herr Bundeskanzler in einem Brief an den Herrn Präsidenten des Bundestages die Stadt Köln als einzig möglichen Sitz dieses Gerichts in Vorschlag brachte? Weiter soll dem Vernehmen nach Köln auch als Sitz für das Bundesaufsichtsamt in Aussicht genommen sein, weil die Nähe der Bundeshauptstadt sich günstig für die Arbeit dieser Behörde auswirken würde. Da im Berlinausschuß im Hinblick auf die Bedeutung Berlins für die Versicherungswirtschaft gerade diese Bundesoberbehörde für Berlin vorgeschlagen wurde, sei auch in diesem Falle an die Regierung die Frage gestellt, aus welchem Grunde man Berlin fallen ließ, obwohl in jener Ausschußsitzung eine Reihe von Vertretern der Versicherungswirtschaft sich durchaus für Berlin ausgesprochen hat.
Endlich soll wieder nur Köln für eine Abteilung des Amts für Verfassungsschutz vorgesehen sein. Was könnte einer Stadt, die infolge des hohen Zerstörungsgrades an Raum- und Wohnungsmangel leidet, den Vorzug verschaffen, Sitz einer Reihe von Oberbehörden zu werden, wenn nicht der bereits hervorgehobene Wunsch des Bundeskanzlers, im Bonner Raum, was man für Frankfurt seiner-
zeit als unerwünscht ablehnte, Bundesbehörden zentralisiert zu sehen?
Wenn es weiter richtig ist, daß man den Bundesrechnungshof von Frankfurt auch in das Land Nordrhein-Westfalen, und zwar nach Münster, zu verlegen beabsichtigt, so kann man angesichts der Finanzlage des Bundes nur fragen: Wer soll das bezahlen? Und wenn andererseits die Absicht be- steht, eine Einrichtung wie das Bundesarchiv, die nun einmal wirklich am Sitze der Bundesregierung und des Parlaments aus Zweckmäßigkeitsgründen errichtet werden sollte, nach Celle oder Ehrenbreitstein zu legen, so muß man sich auch hier fragen: Wo bleiben da Logik und Planung?
Einem Bericht der Technischen Kommission der Ministerpräsidenten vom September 1949 war in einer Anlage eine Übersicht nach den Beratungen des Organisationsausschusses beigeheftet, die rund 40 Oberbehörden vorsah, von denen heute nur ein kleiner Teil errichtet ist. Wir treiben einem Chaos entgegen, wenn in der bisherigen Art kleckerweise über die jeweiligen Sitze dieser Behörden entschieden wird.
Meine Fraktion hat deshalb in ihrem Antrag Drucksache Nr. 1069 gefordert, daß, um eine Ubersicht zu gewinnen, die Bundesregierung eine Aufstellung über Art und Sitz bereits bestehender Bundesbehörden dem Hohen Hause vorlegt und daß sie ein Ministerium — am zweckmäßigsten das Bundesinnenministerium — als das Organisationsministerium mit der Vorlage eines Planes beauftragt, der den zweckmäßigsten Sitz der zu errichtenden weiteren Bundesoberbehörden für eine spätere gesetzliche Regelung vorschlägt.
Bei diesen Vorschlägen sollte der besonderen Lage Berlins und der in der Nähe der Grenze der russischen Besatzungszone gelegenen größeren Städte aus politischen Gründen Rechnung getragen werden. Es darf bei der Bevölkerung dieser Städte nicht das Gefühl aufkommen, als ob man aus Sicherheitsgründen die Bundesverwaltungsorgane alle westlich des Rheins lege und damit die
Bevölkerung der östlichen Grenzzone bereits abschreiben würde. Im übrigen sollte der einmal aufgestellte Grundsatz der Berücksichtigung aller Landesteile des gegenwärtigen Geltungsbereiches des Grundgesetzes wieder Geltung haben, wobei die bestmögliche Unterbringung, das Vorhandensein von Wohnungen für Beamte und Angestellte und der für die einzelnen Behörden notwendigen Hilfseinrichtungen den Ausschlag für die Wahl des Sitzes geben sollte.
Da die von meiner Fraktion erhobenen Forderungen, insbesondere die Forderung nach einer stärkeren Berücksichtigung Berlins durchaus in Einklang stehen mit den Erklärungen mehrerer Regierungsmitglieder anläßlich ihres Besuchs in Berlin, bitte ich das Hohe Haus, unserem Antrag Drucksache Nr. 1069 zuzustimmen.