Meine Damen und Herren! Ich muß sagen, ich finde es bedauerlich, daß die Diskussion, die sich an die Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers angeschlossen hat, auf einem so niedrigen Niveau stand, und daß man nicht versucht hat, eine Untersuchung darüber anzustellen, erstens ob die Anfrage der SPD allgemein berechtigt ist, und zweitens - und darauf kommt es an —, ob die Antwort genügt, die die Regierung durch den Herrn Bundesinnenminister gegeben hat. Durch die Art der Diskussion ist von dem Kernpunkt der ganzen Angelegenheit abgelenkt worden.
Man hat geglaubt, den Wert der Anfrage dadurch mindern zu können,
daß man auf angebliche Vorgänge in den Ländern hinwies. Nun, der Bundestag ist nicht dazu da, die Politik, auch die Personalpolitik irgendeiner Landesregierung einer Kritik zu unterziehen. Wenn man schon immer und immer wieder darauf hinweist, daß hier im Bundestag zuviel geredet werde, dann ist das dann berechtigt, wenn man sich nicht darauf beschränkt, zu untersuchen, ob die Personalpolitik der Bundesregierung die richtige ist.
Darauf allein aber kommt es an. Jeder andere Versuch, auszubrechen, auch soweit er seitens der Bundesregierung erfolgt, bedeutet nichts anderes, als daß man sich selbst ein Armutszeugnis ausstellt.
Es handelt sich bei der ganzen Angelegenheit, auch soweit Namen wie Ehrich oder Globke erwähnt werden, gar nicht um die Frage der Denazifizierung, und wer von Ihnen aufrichtig ist, wird das zugeben, und niemals haben wir diese Frage unter diesem Gesichtspunkt angeschnitten. Sie müssen ja selbst zugestehen, daß der Herr Bundeskanzler und, wie wir heute erneut gehört haben, auch ein immerhin prominenter Sprecher der stärksten Regierungspartei, der CDU-Fraktion, im Fall Ehrich durchaus unsere Auffassungen zu teilen scheint und auch zum
Ausdruck gebracht hat, daß die Ausführungen meines Kollegen Arndt zum Falle Globke ihn bedenklich gestimmt haben, und das bestimmt nicht, weil wir diesen Fall unter dem Gesichtspunkt der Denazifizierung angeschnitten haben.
Im übrigen muß ich feststellen, daß zwischen den Sprechern der Regierungsparteien, Herrn Dr. Dresbach und Herrn Dr. Mühlenfeld, doch sehr weitgehende Differenzen bestehen. Aber das ist eine Angelegenheit, die die Regierungskoalition unter sich selbst ausmachen muß. Derartig große und sehr weitgehende Differenzen sollen ja nicht nur hier unten im Hause, sondern auch im Rahmen des Kabinetts vorhanden sein; und gerade die Auseinandersetzung, die wir kürzlich hier auf personalpolitischem Gebiet zwischen Mitgliedern des Bundeskabinetts erlebt haben, unterstreicht das durchaus aufs deutlichste.
Ich möchte aber nun zu den Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers kommen und zum Ausdruck bringen, daß uns seine Erklärung in keiner Weise befriedigt.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, Herr Bundesinnenminister, daß es nicht sozialdemokratische Zeitungen gewesen sind, die die Frage aufgeworfen haben, wie sich die Bundesbeamtenschaft konfessionell zusammensetzt, sondern diese Frage ist von der „Frankfurter Rundschau" aufgeworfen worden. Ich nehme an, daß immerhin auch einem Bundesinnenminister bekannt ist, daß die „Frankfurter Rundschau"
keine sozialdemokratische Zeitung ist, daß keiner der Lizenzträger der SPD angehört. Aber selbst wenn es so wäre, selbst wenn sozialdemokratische Zeitungen oder solche, die der Sozialdemokratie nahestehen, diese Frage aufgeworfen hätten, würde das niemals die Bundesregierung berechtigen, eine Vorschrift des Grundgesetzes zu verletzen.
Und eine Vorschrift des Grundgesetzes ist verletzt, wenn die Regierung, auch zu angeblich statistischen Zwecken, nach der Konfession fragt. Das Grundgesetz verbiete in Art. 140 unter Bezugnahme auf die entsprechende Vorschrift der Weimarer Verfassung außer in Fällen, in denen es zur Feststellung von bestimmten Rechten oder Pflichten oder zu rein statistischen Zwecken notwendig ist, jede Befragung nach der Konfession. Damit ist auch eine Befragung mit dem Hinweis unter dem Strich, die Beantwortung sei freigestellt, untersagt. Ich möchte den Beamten erleben, der sich darauf berufen würde.
Aber das ist noch nicht einmal das Entscheidende. Sie haben diese Frage nicht etwa nur an diejenigen gestellt, die bereits bei Ihnen als Beamte und Angestellte tätig waren. Wenn Sie sich darauf beschränkt hätten, dann hätten Sie vielleicht noch sagen können: Diese Rundfrage diente statistischen Zwecken. Statt dessen wurde sie jedem Bewerber vorgelegt.
Herr Bundesinnenminister: selbst in Ihrem Ministerium ist es hohen Beamten, die sich um eine Stelle in Ihrem Ministerium beworben haben, passiert, daß die dritte Frage, und zwar mündlich gestellte Frage, die nach der Konfession war.
Wenn Sie im übrigen den Eindruck zu erwecken versuchen, als ob diese Befragung eben nur statistischen Zwecken diente, um irgendwelchen Presseangriffen angeblich sozialdemokratischer Zeitungen zu begegnen, dann paßt das nicht ganz zu Aktenvermerken, die sich in einigen Akten der Bundesregierung vorfinden. Der glückliche Zufall hat auch uns einmal Einblick in eine Akte eines Bundesministeriums gestattet, in der vermerkt ist: diese Stelle ist mit einem Katholiken zu besetzen.
Bei dieser Akte handelte es sich um die Besetzung eines Generalkonsulats, und dieser Vermerk deckt sich durchaus mit dem Hinweis auf jene Liste, die bereits mein Kollege Arndt erwähnt hat, jener Liste, die in einem Ausschuß dieses Bundestages einer Untersuchung unterzogen wurde, bei der es sich herausstellte, daß man bei jedem Bewerber für einen Posten im ausländischen Dienst mit einem E oder K die Konfession bezeichnet hat.
Aber auffällig ist noch etwas anderes. Wenn man den Herrn Bundesinnenminister hört und wenn man alle diese Vorgänge, die heute hier erwähnt wurden, betrachtet, dann hat man den Eindruck, als wenn es für die Bundesregierung nur Evangelische und Katholiken aber keine anderen Christen, auch keine Freireligiösen gibt. Offenbar existieren sie nicht mehr in Deutschland. Schon die Art der Befragung, der Umstand, daß sie sich nur auf zwei Konfessionen beschränkt, läßt den Verdacht durchaus berechtigt erscheinen, daß man hier mehr beabsichtigte als nur eine statistische Befragung.
Meine Damen und Herren! Nun noch ganz kurz zu dem Fall Globke! Ich habe bereits eingangs darauf hingewiesen, daß das keine Frage der Entnazifizierung ist. Hier handelt es sich einfach darum, ob ein Mann, der persönlich noch so ehrenwert sein mag, der aber nach' außen Repräsentant des Dritten Reiches war, Repräsentant des neuen Staates sein kann.
Das ist keine Frage der staatsbürgerlichen Gleichberechtigung. Das ist einmal eine Frage des politischen Geschmacks, es ist aber auch eine Frage, die wir nicht unter parteipolitischen, sondern unter gesamtdeutschen Gesichtspunkten betrachten sollten. Neuerdings wird soviel davon gesprochen, daß die - Bundesrepublik Deutschland ein unlösbarer Bestandteil Europas, ja überhaupt der westlichen Welt ist. Wenn das richtig ist, und es ist richtig, dann darf man bei der Besetzung entscheidender repräsentativer Posten dieser Republik nicht Männer herausstellen — mögen sie noch so ehrenwert sein —, die einmal, zum mindesten nach außen, Repräsentanten eines Staates und Systems gewesen sind, das wir ablehnen und das von ganz Europa abgelehnt wird!
Aber es kommt noch auf etwas anderes an. Der Herr Bundeskanzler und gelegentlich auch seine Minister pflegen immer wieder zu betonen, welch ungeheuren Wert sie auf eine Zusammenarbeit mit der Opposition legen. Sie betonen, daß sie eine konstruktive Mitarbeit der Opposition für wünschenswert halten. Nun, meine Herren, Herr Bundesinnenminister, durch eine Personalpolitik, wie sie durch den Fall Ehrich und durch den Fall Globke gekennzeichnet wird, sabotieren sie von vornherein eine Zusammenarbeit mit der Opposition.
Es wird hier im Bundestag sehr oft von dem ideologischen Existenzminimum gesprochen, an das wir alle
uns erinnern sollten. Nun, erinnern wir uns daran,
meine Herren von der Regierungsmehrheit! Wenn wir das tun, ist ein Mann wie Globke, ein Mann wie Ehrich, ist ein Fall Globke und ein Fall Ehrich hier in Bonn eigentlich nicht denkbar und unmöglich.