Rede von
Ernst
Zühlke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Der Antrag Drucksache Nr. 98, der von den Abgeordneten Günther und Genossen eingebracht wurde, hat den Bundestag bereits am 16. Dezember 1949 ) schon einmal beschäftigt. Damals beschloß der Bundestag, diesen Antrag noch einmal dem Ausschuß für den Lastenausgleich und dem Ausschuß für Grenzlandfragen zuzuleiten, weil der Wille der Antragsteller dahin ging, daß diejenigen Einwohner der zerstörten Grenzgebiete, die mehr als 50% kriegsgeschädigt sind, von der Vorauszahlung zur Soforthilfe befreit werden.
Wir haben uns im Ausschuß erneut mit der Frage beschäftigt. Wir hatten den Bericht des Bundesministeriums der Finanzen zum endgültigen Lastenausgleich abgewartet. Wir haben gleichzeitig auch alle die Dinge abgewartet, die sich aus diesem Bericht des Bundesfinanzministeriums im Laufe der Zeit herauskristallisiert haben, darunter auch den Bericht der Gutachterkommission für den Lastenausgleich. Diese beiden Berichte brauche ich hier nicht darzulegen; denn sie sind unseren Damen und Herren bekannt. Der Antrag wurde nachher im Ausschuß noch einmal eingehend durchgesprochen. Ich will über die Formalitäten jetzt nicht sprechen, z. B. über die Frage: was ist 50% geschädigt? Diese reinen Formalitäten konnten und wollten wir auch nicht erörtern. In der Zwischenzeit ist aber folgendes eingetreten. Das Bundesfinanzministerium hat auf Grund der Anregung des Antrags Drucksache Nr. 98 am 2. Dezember 1949 an die Herren Finanzminister der Länder Richtlinien über Ermessungsstundungen der Soforthilfeabgabe aus wirtschaftlichen Gründen erlassen. Ich verweise hierzu im besonderen auf Abschnitt 6: Stundungen bei erheblichen Kriegs- und Kriegsfolgeschäden.
Der Ausschuß für Grenzlandfragen hat am 14. März 1950 einstimmig folgende Formulierung beschlossen:
Die Bundesregierung wird gebeten, die Finanzämter anzuweisen, den Einwohnern der not-leidenden und zerstörten Grenzgebiete die Vorauszahlungen zur Soforthilfe gemäß Erlaß über Ermessensstundungen der Soforthilfeabgabe aus wirtschaftlichen Gründen zu stunden und dabei großzügig zu verfahren.
Im Ausschuß für den Lastenausgleich haben wir dann festgestellt, daß gegenüber der gegenwärtigen Praxis der Finanzämter ernstliche Beanstandungen nicht vorgebracht wurden. Einzelfälle, die dabei in Erscheinung traten, sollten dem Finanzministerium direkt zugeleitet werden, weil die Unterlagen, die uns zur Verfügung standen, in den einzelnen Fällen nicht ausreichten, um eine Beurteilung zu finden. Wir haben uns im Ausschuß nachher endgültig mit der Auffassung durchgesetzt, daß, wenn wegen individueller Härten über das Verfahren hinaus eine, sagen wir einmal, regionale Beurteilung bestimmter Gruppen eintreten sollte, wir auf der Aufbringungsseite der Soforthilfeabgabe nach dem Soforthilfegesetz vollkommen ins Rutschen kommen würden; denn fest steht, daß das Aufkommen aus dem Soforthilfegesetz die Ansprüche der Geschädigten nicht voll befriedigt. Deshalb hat der Ausschuß — und auch nicht das erste Mal von dieser Stelle aus — durch den Berichterstatter kundgetan, daß er ein sehr großes Interesse daran hat, daß der Gesetzentwurf zum endgültigen Lastenausgleich nun dem Bundestag vorgelegt werden sollte. Auch aus diesen Motiven bittet der Ausschuß das Hohe Haus, den Antrag Nr. 98 abzulehnen und die Fassung in der Drucksache Nr. 859 anzunehmen. Die Ablehnung des Antrags Nr. 98 ist nicht aus formalen Gründen erfolgt, weil wir das im Bundestag nicht wollen, sondern weil wir den Antrag der Regierung als Material zum endgültigen Lastenausgleich übergeben wollen. Ich bitte das Hohe Haus aus diesen Motiven um Zustimmung zu dem mündlichen Bericht in der Drucksache Nr. 859.
Wenn ich nun auch gleichzeitig als Berichterstatter für die Drucksache Nr. 543 hier spreche, so liegt das auf einem ähnlich gelagerten Gebiet. Es sollte hier die veränderte Lage der Landwirtschaft bei der Durchführung des Soforthilfegesetzcs berücksichtigt werden. Der Antrag lautet formal im Punkt 1:
Die Finanzämter sind anzuweisen, die für die Landwirtschaft am 20. Februar 1950 fällige Soforthilfeabgabe in weitgehendem Umfange zu stunden.
Schon aus rein formalen Gründen würde ja der Punkt 1 als erledigt zu betrachten sein, weil in der Zwischenzeit auch durch das Finanzministerium Stundungsrichtlinien für die Landwirtschaft herausgekommen sind. Es ist hier nicht Aufgabe des Ausschusses oder meine persönliche Aufgabe, über die veränderten Verhältnisse der Landwirtschaft zu sprechen. Wir haben hier im Plenum über Agrarkrise und Landwirtschaft aus berufenerem Munde schon genügend gehört. Es ist aber unmöglich und vollständig aussichtslos, die Notlage der Landwirtschaft aus dem Soforthilfegesetz irgendwie zu befriedigen. Die formale Seite erwähnte ich. Die Finanzämter sind durch einen Erlaß des Bundesministeriums der Finanzen vom 13. 2. 50 angewiesen worden, weitestgehend die Stundungsmöglichkeiten in der Landwirtschaft durchzuführen. Ich will auch hier nicht erwähnen, in welchem Rahmen und in welcher Höhe die Anträge gestellt worden sind. Diese Gedanken haben auch den Ausschuß nun bewogen, den Antrag auf Drucksache Nr. 542
mit dem besonderen Wunsch der Bundesregierung als Material zuzustellen, daß die von mir vorhin genannten Einzelfälle, also ausgesprochene Härtefälle, bei der Beurteilung in den Finanzämtern durch Heranziehung von Sachverständigen aus der Landwirtschaft mitbegutachtet werden sollten. Es würde nun Aufgabe der Finanzämter sein, sich den Kreis der Sachverständigen aus den Berufsorganisationen der Landwirte herauszuholen. Wir haben dadurch die Hoffnung, daß über die Stundungsanträge hinaus, die der Mensch persönlich stellt, nun auch der Sachverständige bei ganz besonderen Fällen mifhelfend eingreifen kann. Ich bitte also im Namen des Ausschusses, dem Antrag auf Drucksache Nr. 966 die Zustimmung zu geben.