Rede von
Heinrich Georg
Ritzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Ich will mich in den Streit über die Bewertung des einen oder andern der Herren Minister wirklich nicht einmischen. Mir ist noch deutlich in Erinnerung, daß im Erzberger-Helfferich-Prozeß eine sehr interessante Auseinandersetzung über das sogenannte Werturteil in bezug auf führende Persönlichkeiten stattgefunden hat. Ichlaube kaum, daß sich in diesem Hohen Hause eine Übereinstimmung in der Formulierung eines Werturteils über die Person des hier zur Diskussion stehenden Herrn Ministers ergeben wird.
Nun möchte ich aber zur Sache selbst einige kleine Feststellungen treffen. Zunächst einmal darf ich in Unterstreichung dessen, was der Herr Berichterstatter Dr. Horlacher dem Hohen Hause mitgeteilt hat, wiederholen, daß der Ausschuß in seiner überwältigenden Mehrheit anerkannt hat, daß der Artikel, um den es sich hier handelt, in Wahrung berechtigter Interessen geschrieben worden ist. Ich glaube kaum, daß, da § 193 RStGB anwendbar ist — und das ist wohl zweifelsfrei —, noch von der Behandlung einer Immunitätsfrage unter Mißachtung des Prinzips der Wahrung berechtigter Interessen gesprochen werden darf.
Ich möchte weiterhin feststellen, daß die Information, die den Herrn Abgeordneten Bielig zu seinem Artikel veranlaßt hat, aus dem Kreis der Regierungskoalition kommt.
Ich möchte weiter feststellen — und das wird nun den Damen und Herren, die sich so heftig gegen die Behandlung dieser Sache wehren, vielleicht nicht gefallen —, daß den Antrag auf Strafverfolgung des Herrn Abgeordneten Bielig derselbe Staatsanwalt gestellt hat, der in einem andern Falle eine Strafverfolgung abgelehnt hat.
Damals ging es um den Rechts- und Ehrenschutz
eines Mitglieds des Hohen Hauses, des Herrn Abgeordneten Heiland, der von einer Zeitung — wenn
ich es recht weiß, den „Ruhr-Nachrichten" — bezichtigt worden war, jemand totgeschlagen zu haben.
Da hat derselbe Herr Oberstaatsanwalt keine Veranlassung gefunden, ein Strafverfahren einzuleiten.
Dazu würde er der Genehmigung des Bundestags nicht bedurft haben.
Nun, meine Damen und Herren, zu der rechtlichen Argumentation des Herrn Kollegen Dr. von Merkatz. Ich wundere mich über den Widerspruch in der Begründung, die Herr Dr. von Merkatz zu Recht bisher in Immunitätsangelegenheiten namens des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität abgegeben hat, wenn er in voller Übereinstimmung mit dem Ausschuß jeweils erklärte, daß es nicht Sache des Parlamentsausschusses und nicht Sache des Hohen Hauses sei, in die materielle Beweiswürdigung irgendeines Falles einzutreten. Hier aber beantragt Herr von Merkatz, die materielle Beweiswürdigung sogar durch einen Ausschuß, eben durch den Rechtsausschuß; vornehmen zu lassen. Das steht in krassem Widerspruch zu der bisherigen Praxis und zu der einzig möglichen Konsequenz aus der Situation.
Ich darf feststellen, daß die Diskussion der ganzen Angelegenheit zweifellos nicht diesen Umfang angenommen haben würde — Herr Kollege von Merkatz möge mir verzeihen, wenn ich das hier sage —, wenn Herr von Merkatz in der Lage gewesen wäre, rechtzeitig zu der Behandlung des Falles in dem Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität anwesend zu sein. Die Abstimmung hatte bereits ohne die schätzenswerte Mitwirkung unseres sehr geehrten Kollegen Dr. von Merkatz stattgefunden. Er hat nachträglich noch sein Veto gegen die Behandlung des Falles eingelegt, d. h. gegen die Entscheidung, die bereits so formuliert war, daß man von einer Gegenstimme des Herrn Dr. von Merkatz keine Notiz nehmen konnte, weil er eben nicht anwesend war. Ich war loyal genug, das selbstverständlich noch in dem Protokoll zu vermerken, daß Herr von Merkatz dagegen gestimmt habe. Wäre er dort anwesend gewesen, dann wäre wie in allen Fällen eine klare Entscheidung durch Mehrheit erfolgt und kaum die Möglichkeit entstanden, heute vor dem Plenum des Hauses diese Dinge derart zu traktieren, wie es geschehen ist.
Ich kann nur feststellen, daß es im Interesse der Republik liegt, meine Damen und Herren, nachdem eine zum Teil falsche Information von demjenigen, der die Information zu einem Artikel verarbeitet hat, sachlich richtiggestellt wurde und einige Formulierungen zurückgenommen worden sind gegen den Kern dessen, was in dem Artikel kritisiert worden ist, gegen die Verächtlichmachung der Wider-
standskämpfer vom 20. Juli Front zu machen. Das
erfordert die politische Lage unseres Volkes, und es
ist nach meiner Überzeugung die Pflicht unseres
Hauses, und ich glaube, dafür wird sich eine Mehrheit im Hause wohl noch finden lassen. Wir haben
alle Veranlassung, und es ist die Pflicht des Hohen
Hauses, jedem Versuch zu wehren, das, was damals
in Wahrung der Menschenrechte und im deutschen
Interesse geschehen ist, moralisch zu dezimieren,
jedem Versuch dieser Art zu widerstehen. Dazu gehört dieser Fall, und ich bitte Sie im Sinne des
Antrags des 3. Ausschusses, entsprechend dem Antrage des Herrn Berichterstatters zu entscheiden.