Ich bitte, jetzt ruhig zu sein! Denn Salomo der Weise spricht; dann muß man Obacht geben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es handelt sich um einen Antrag des Oberstaatsanwalts von Dortmund, um ein Genehmigungsersuchen nach Art. 46 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland zur Strafverfolgung des Bundestagsabgeordneten Karl Bielig in Dortmund wegen Vergehens gegen die 4. Notverordnung zum Schutze des inneren Friedens vom 8. 12. 1931:
Am 8. 12. 1949 erschien in der „Westfälischen Rundschau" in Dortmund der in Abschrift beigefügte Artikel „Signale", in dem insbesondere folgende Behauptungen enthalten sind:
1. Bundesminister Seebohm habe gesagt, „die Männer vom 20. Juli 1944 seien Verbrecher",
2. nachdem ausgeführt worden ist, daß Herr Seebohm und seine Partei unter SchwarzWeiß-Rot marschiere, das auch die Farben der
Hitler-Fahne und eines Freisler und Himmler gewesen seien:
„Herr Seebohm bekennt sich ausdrücklich zu diesem Schwarz-Weiß-Rot; und die kaiserliche Fahne verriet er, indem er die Nachfahren Moltkes und Yorcks Verbrecher nannte." Zu diesen Behauptungen hat Herr Bundesminister Seebohm in seiner Anzeige folgende
Erklärung abgegeben:
„Ich betone ausdrücklich, daß ich eine solche Äußerung über die Männer des 20. Juli 1944 weder jemals selbst getan noch an irgendeiner öffentlichen Versammlung teilgenommen habe, in der derartige oder entsprechende Äußerungen gefallen sind. Einige meiner vertrautesten Freunde gehören zu den Männern des 20. Juli und sind für ihre Überzeugung gestorben. Für mich steht der lautere Charakter und das eindeutige nationale Wollen der Männer des 20. Juli über jedem Zweifel."
Ferner hat Herr Bundesminister Seebohm fristgerecht Strafantrag gegen den Verfasser des Artikels „Signale" und den verantwortlichen Redakteur gestellt. Verantwortlicher Redakteur ist Walter Poller in Dortmund.
Vor der Ladungszustellung und Vernehmung des Redakteurs Poller sind in dessen Tageszeitung weiterhin die in Abschrift beigefügten Artikel — und zwar am 14. 12. 1949: „Seebohm dementiert . . ." und am 15. 12. 1949: „Hedler" — erschienen, wodurch eine Richtigstellung und teilweise Zurücknahme der schweren Beschuldigungen gegen den Herrn Bundesminister Seebohm erfolgt sind.
— Ich betone ausdrücklich: „wodurch eine Richtigstellung und teilweise Zurücknahme der schweren Beschuldigungen gegen den Herrn Bundesminister Seebohm erfolgt sind".
Bei seiner Vernehmung am 20. 12. 1949 hat der beschuldigte Redakteur Poller angegeben, daß es ihm ferngelegen habe, Herrn Bundesminister Seebohm beleidigen zu wollen. Als Teilnehmer an der Aktion vom 20. 7. 1944 und verantwortlicher Redakteur einer politischen Zeitung habe er in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt, da er öffentlich in aller Klarheit habe herausstellen wollen, daß die Männer vom 20. 7. 1944 nicht als Verbrecher bezeichnet werden dürfen.
Ferner hat er geltend gemacht, daß er geglaubt habe, seiner Sorgfaltspflicht als leitender Redakteur insoweit nachgekommen zu sein. als die Veröffentlichung des Artikels ,.Signale" u. a. auf Unterrichtungen durch den Bundestagsabgeordneten Karl Bielig in Dortmund. Bremer Straße Nr. 16. beruht habe, der auch Verfasser dieses Artikels sei.
Zur Prüfung der Richtigkeit dieser Angabe und zur weiteren Strafverfolgung, die gegebenenfalls die Alleinverantwortlichkeit des Bundestagsabgeordneten Bielig für den Inhalt des Artikels „Signale" ergeben könnte. erscheint es dringend notwendig, das Verfahren auf den Bundestagsabgeordneten Karl Bielig als Beschuldigten auszudehnen. Hierzu ist jedoch nach Art. 46 des Grundgesetzes die Genehmigung des Bundestages erforderlich. Um deren Erteilung wird hiermit gebeten.
Den Artikel „Signale" will ich auch bekanntgeben, wenigstens in seinen wesentlichen Teilen, wie ich es im Ausschuß getan habe.
Herr Seebohm ist ein ehrenwerter Mann. Er
ist Minister der Bundesrepublik. Er ist einer der führenden Männer der Deutschen Rechtspartei. Er hat einen Eid auf das Grundgesetz geleistet. Wenn dieser Mann, Parteiführer, Minister und Grundgesetz-Beschwörer, jetzt sagt, die Männer vom 20. Juli 1944 seien Verbrecher, so muß er mit dem Maß gemessen werden, das ihm zukommt. Er ist kein arbeitslos gewordener kleiner Leutnant; er ist Minister und Parteiführer
in der Deutschen Bundesrepublik. Darum müssen wir mit ihm reden. Wir müssen ihm sagen, daß sich zu Hitler bekennt, wer die Männer vom 20. Juli Verbrecher nennt. Wir müssen ihm sagen, daß sich zu Freisler und
seinem Schaffot und seinen Fleischerhaken bekennt, wer die Moltke und Leuschner, die Yorck von Wartenburg und Leber, die Stauffenberg und Haubach Verbrecher nennt. Wir müssen weiter sagen, daß den Tod von Hunderttausenden gutheißt, wer der Meinung ist, daß es gut war, daß die Tat jener „Verbrecher" fehlschlug.
Ohne persönliche Beleidigung ist hier im Artikel „Signale" zu diesem Tatbestand vom 20. 7. 1944 Stellung genommen. Der Ausschuß hat sich auch auf den Standpunkt gestellt, daß hier zweifellos—gleichgültig, wer die Worte gesagt hat, es ist ja immer bei diesen Auseinandersetzungen in Versammlungen so, daß man zum Schluß nie weiß, wer es gesagt hat und wie es gesagt worden ist — etwas Ähnliches gesagt worden sein muß. Davon muß man überzeugt sein. Denn aus der Luft kann man das nicht greifen. Man kann in persönlicher Erregung diesen Artikel „Signale" schreiben. Ich bin über die Sache auch aufgeregt, weil ich anläßlich des 20. Juli auch nach Dachau gekommen bin. Und da bin ich der Meinung, daß man die Quellen, die das wieder aufreißen, rechtzeitig verstopfen muß.
Denn die Hauptverbrecher von ehedem haben immer die Sehnsucht danach, andere als Verbrecher zu bezeichnen, statt bei sich selber nachzusehen.
Wir sind der Meinung: erstens ist das richtiggestellt worden. Ich habe Ihnen das vorgelesen. Zweitens ist in Wahrung berechtigter Interessen gehandelt worden. Und wenn ein Abgeordneter nicht das Recht hat, als Abgeordneter seine Meinung — noch dazu in Wahrung berechtigter Interessen — kundzutun, dann hat die Immunität überhaupt keinen Sinn.
Deswegen ist der Ausschuß einstimmig der Meinung gewesen, die Immunität in diesem Falle nicht aufzuheben. Ich bitte das Hohe Haus, diesem Beschluß beizutreten.