Herr Präsident! Hohes Haus! Es bedarf nicht vieler Worte, um folgendes festzustellen. Auf einem so wichtigen Gebiet, wie es die Brotversorgung des Volkes nun einmal ist, kann man den Schritt von der Zwangswirtschaft in die freie Wirtschaft nicht auf einmal machen. Infolgedessen haben wir uns seit Monaten mit allen in Betracht kommenden Wirtschaftskreisen, den Erzeugern, den Be- und Verarbeitern, dem Handel und den Verbrauchern zusammengesetzt, um einen Weg zu finden. Er ist in dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf aufgezeichnet. Vier Punkte sind wesentlich.
Erstens Einfuhr- und Vorratsstelle. Wenn man, wie es bei uns zutrifft, trotz der glänzenden Ernte 1949 im laufenden Wirtschaftsjahr noch zu mehr als 50 % von der Einfuhr abhängig ist, dann braucht es keine langen Reden, um darzulegen, daß die Einfuhr geregelt werden muß, zumal sie ja aus den verschiedensten Quellen fließt. Bei Weizen beträgt der Einfuhrbedarf Deutschlands im nächsten und den kommenden Jahren ungefähr je 2,4 Millionen Tonnen, wovon uns 1,8 Millionen Tonnen aus dem Weltweizenpakt zugesagt sind, während 600 000 Tonnen aus Handelsabkommen noch notwendig sind. Bei Roggen beträgt der Bedarf 2,5 Millionen Tonnen, und zwar 1,7 Millionen Tonnen aus eigener Erzeugung und 0,8 Millionen Tonnen aus Einfuhren.
Preislich ist die Situation schwierig, weil wir ja für den aus Handelsverträgen zu beziehenden Weizen verhältnismäßig hohe Preise haben. Wir rechnen von Frankreich bis hinüber nach Pakistan mit ungefähr 85 Dollar je Tonne, während wir, insbesondere nach den letzten Zusagen, die uns auf dem Petersberg gegeben wurden, erwarten können, die anderen 1,8 Millionen zu 75 Dollar zu bekommen.
Zweite Eingriffstelle: Kontingentierung der Mühlen. Das ist eine fragwürdige Angelegenheit. Man kann viel dagegen und viel dafür anführen. Übertragung des Erbhofbauerntums auf die Mühlenwirtschaft ist z. B. eines der Argumente. Andererseits wird gesagt: Kontingentierungen passen nicht in die große Richtlinie unserer Wirtschaftspolitik hinein. Das stimmt bis zu einem gewissen Grade. Wir haben aber 16 000 Mühlen. Mit diesen versorgen wir 47 Millionen Menschen. Die USA versorgen mit 1200 Mühlen 150 Millionen. Man sagt, daß dieses Verhältnis zwischen Mühlen und zu versorgender Bevölkerung auch einmal bei uns kommen wird. Ich bin kein Prophet; ich weiß es nicht. Aber das eine weiß ich, daß wir in den noch vor uns liegenden Jahren einer labilen Getreideversorgung derartig turbulente Zustände auf dem Mühlengebiete nicht ertragen und nicht brauchen. Dessentwegen also bis zu einem gewissen Grade Kontingentierung; aber nicht starr, vielmehr nur eine Kontingentierung auf Grund der alten Kontingentsbasis unter Berücksichtigung der Mahlungen in den letzten Jahren. Besserungsschein soll jederzeit auf Grund der Tätigkeit in den laufenden Jahren möglich sein.
Das Mühlenprojekt jetzt zu erörtern, meine verehrten Herren, ist müßig. Dazu bräuchte ich eine Stunde. Wer die letzten 30, 40 Jahre mit sehenden Augen erlebt hat, der weiß, daß es auf keinem Gebiet der Wirtschaft so heiße Kämpfe gab wie gerade in der Mühlenwirtschaft. Dabei spielen nicht nur Versorgungsmomente. sondern auch gewisse allgemein-wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle.
Dritte Säule: Möglichkeit für die Regierung, Ausmahlungssätze bei der Mehlherstellung zu statuieren. Ich erhalte darauf folgende Antwort: Die Mühlen passen nicht mehr auf, sie machen. was sie wollen. Bis zu einem gewissen Grade ist das richtig. Trotzdem können wir die Ermächtigung nicht entbehren. § 2 des Gesetzentwurfs sieht den Versorgungsplan vor. Wenn er im Einverständnis mit den Alliierten aufgestellt ist, müssen wir uns danach richten. Zehnprozentige stärkere Ausmahlungen bei Roggen würden einen Mehrbedarf an Roggen von 360 000 tons bedeuten. Woher nehmen und nicht stehlen? Wir müssen also unter allen Umständen wenigstens das Instrument in der Hand haben, um mit dem Versorgungsplan auszukommen.
Noch etwas anderes möchte ich erwähnen. Man weiß nicht. wie sich die Dinge auf dem Gebiet der hohn Politik entwickeln. Da könnte es sein, daß das Vorhandensein einer solchen Ermächtigung der Regierung, bei den Ausmahlungen den Hahn in der Hand zu haben, uns die Einführung einer Brotkarte erspart. Weitere Ausführungen brauche ich wohl nicht zu machen.
Viertens: Die Ermächtigung der Bundesregierung, Preise für Getreide und Mahlerzeugnisse festzusetzen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem Thema der eigentlichen Fixierung der Getreide-, Mehl- und Brotpreise hat dieses Formationsgesetz, wenn ich es so nennen darf, das Ihnen jetzt zur Beratung vorliegt, nichts zu tun. Dieser Akt Nr. 2 kommt noch. Ich werde vielleicht bei der Aussprache gefragt, warum er nicht gleichzeitig mit dem Akt Nr. 1 über die Bühne geht. Ich darf dazu kurz auf folgendes hinweisen. Einmal wissen wir heute noch nicht, wie die Ernte ausfällt. Der Roggen steht vor der Blüte. Auch der Nichtlandwirt weiß, daß nichts so sehr die Roggenernte beeinflußt wie der Verlauf der Blüte, die trockenes, warmes Wetter mit mäßigen Winden braucht.
Ferner wissen wir noch nicht, wie sich unsere Preise aus dem internationalen Weltweizenpakt einspielen; das übersehen wir am heutigen Tag noch nicht ganz genau; aber wahrscheinlich übersehen wir es in den nächsten vierzehn Tagen, weil uns von Washington zugesagt ist, daß die CCC, die Organisation, die uns bisher aus den Einkäufen des Kriegsministeriums global mit den notwendigen Mengen versorgt hat, zu bestehen aufhört, so daß wir individuell einkaufen können und damit natürlich weit mehr als bisher in der Lage sind, die besten Preise für uns herauszuholen. Ich habe vorhin von 75 Dollar gesprochen. 81,5 ist der Höchstpreis nach dem internationalen Abkommen.
P Schließlich werden sie meine Vorsicht verstehen, wenn Sie die Zeitungsnachrichten des gestrigen Tages und des heutigen Morgens verfolgen. Nach den Darlegungen, die der Vorsitzende der Wirtschaftskommission der UN, Professor Gunnar Myrdal, gestern früh in Genf gemacht hat, scheint es doch so zu sein, als ob die Sowjets willens wären, in der allernächsten Zeit mit Weizenlieferungen für Westeuropa aktiv aufzutreten. Ich möchte an diese von dem Vorsitzenden der UN-Wirtschaftskommission gemachten Darlegungen heute noch keine weitere Folgerung knüpfen, aber auf das eine hinweisen, daß sich dadurch neben den beiden bisher bestehenden Weltpreisgebieten, nämlich den Londoner internationalen Paktabmachungen mit 180 Dollar-Cents je Bushel und den Internationalen freien Preisen möglicherweise noch ein drittes Preisgebiet auftut, das man nicht ganz außer acht lassen darf, ehe man den maßgeblichen Stellen diese schwerwiegende Frage der Preisbildung vorlegt, wobei es doch so ist, daß wir natürlich im Interesse einer gedeihlichen Entwicklung des deutschen Getreidebaues auf die Gewährung auskömmlicher deutscher Getreidepreise mit einem möglichst stabilen Charakter hinwirken müßten. Sie verstehen die Vorsicht, die ich bei der Formulierung dieses Satzes gebraucht habe. Ich glaube aber, daß es im gegenwärtigen Augenblick fehl am Platze wäre, hierüber schon mehr zu sagen. Das, meine Damen und Herren, sind die vier Pfeiler des Gesetzes, das Ihnen vorliegt und um dessen baldige Erledigung ich im Namen der Bundesregierung sehr herzlich bitte.