Rede von
Dr.
Hermann
Etzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem Bier umfaßt drei Teilgebiete: die Biersteuersenkung, die Freigabe des Bierpreises und die Bestimmung und Regelung der gesetzgeberischen Zuständigkeit.
Die Ermäßigung der Biersteuer ist vom Bundesfinanzministerium angekündigt, und zwar sollen die derzeitigen Hektoliterpreise von 24 bis 27 DM um 12 DM, also auf 12 bis 15 DM gesenkt werden. Die Frage der Freigabe des Bierpreises schien in die Nähe der Verwirklichung gebracht durch die Begründung, die seinerzeit der Gesetzentwurf über die Forterhebung der Importausgleichsabgabe bis zum 30. Juni dieses Jahres mitbekommen hat. In dieser Begründung hieß es: „Der Importausgleich ist ein Teil der gegenwärtigen Ernährungswirtschaft, die in der derzeitigen Form bis zum Ende des laufenden Wirtschaftsjahres, das ist bis zum 30. Juni 1950, aufrechterhalten werden soll. Von diesem Zeitpunkt an wird eine einschneidende Änderung eintreten, die das gesamte Bewirtschaftungssystem, die Preispolitik, die Subventionen und damit auch die Importausgleiche grundlegend beeinflussen wird." Wir haben heute vormittag bei der Erörterung des überstürzt eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Preisregelung, des sogenannten Preisgesetzes, zu unserem Erstaunen wahrgenommen, daß in der Anlage zu § 1 auch Bier und Malz als der Preiswirtschaft weiterhin unterworfen bleiben sollen. Es ist also die erstaunliche Tatsache festzustellen, daß sich innerhalb weniger Monate die grundlegende wirtschaftspolitische Auffassung der Bundesregierung entscheidend geändert hat und daß anstelle eines Fortfalls der Preiswirtschaft, also der Reglementierung, ein neuer Beginn zu einer vielleicht anders gearteten staatlichen Preiswirtschaft gemacht werden soll. Der König ist tot, es lebe der König!
Die dritte Frage, die uns beschäftigt, ist das Thema unseres namens der Bayernpartei-Fraktion gestellten Antrags. Er lautet:
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Einziger Paragraph
In Absatz 2 Ziffer 1 des Artikels 105 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland werden nach den Worten „mit Ausnahme der" die Worte „Biersteuer und der" eingefügt,
so daß in Zukunft der Artikel 105 lauten würde: Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über 1. die Verbrauch- und Verkehrsteuern
mit Ausnahme der Biersteuer und der Steuern
mit örtlich bedingtem Wirkungskreis usf.
Manche haben, meine Herren, wenn sie den Begriff Bier in ihrer Imagination auftauchen sehen, eine Anwandlung von heiterer Ironie, ich will nicht sagen: von leise angeheiterter Ironie; aber das Problem ist zu ernst, als daß es mit einer solchen fidelen Auffassung gemeistert werden könnte. Die besondere Bedeutung und Stellung dieses Wirtschafts- und Verbrauchszweiges vor allem in Bayern tritt in einer fünffachen Beziehung eindrucksvoll hervor: in der Zahl der darin beschäftigten Personen, den darin investierten Kapitalien, der außerordentlichen Ausweitung des unmittelbaren Zweiges des Braugewerbes im weitesten Sinne in die damit zusammenhängenden Verbrauchs- und Erzeugungsgebiete, dann viertens in der Größe der Produktion und damit im Zusammenhang in dem Ertrag der Biersteuer, die beide fast die Hälfte des Ausstoßes und Aufkommens im Bundesgebiet erreichen, und endlich in der Bedeutung, die das Bier als Volksnahrungsmittel — nicht als Genußmittel — in Bayern besitzt.
Die Zahl der in der Brauindustrie und im Braugewerbe beschäftigten Personen umfaßt ohne deren Familienangehörige 26 000. Dazu kommen die mit der Erzeugung und dem Verbrauch von Bier verbundenen wichtigen Landwirtschafts-, Gewerbe-, Industrie- und Verbrauchszweige, der Gersten- und Hopfenbau, Hopfenhandel, die Mälzereien, die Brauereimaschinenindustrie, Flaschen- und Fässererzeugung, das Hotel- und Gaststättengewerbe, die eine Beschäftigtenzahl von 250 000 haben, also glatte 10 % der gesamten Beschäftigtenzahl in Bayern. Das ist eine außerordentlich gewichtige Potenz des gesamten bayerischen Wirtschaftslebens.
Die Tatsache der Weitschichtigkeit und tiefgreifenden Verzweigung des mit der Biererzeugung und dem Bierverbrauch in Bayern zusammenhängenden Problembereichs begründet einen legitimen Anspruch auf Berücksichtigung dieser besonders gelagerten Verhältnisse eines großen Mitgliedstaates des Bundes. An und für sich ist die Regelung, die die Biersteuer im Grundgesetz gefunden hat, höchst eigenartig. Art. 105 unterwirft die Biersteuer der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Art. 106 erklärt, daß die Verbrauchsteuern mit Ausnahme der Biersteuer dem Bunde zufließen. Es weist also der Art. 106 die Biersteuer den Ländern zu. Trotzdem wird die Biersteuer nach dem Art. 108 wie alle der konkurrierenden Gesetzgebung unterworfenen Verbrauchsteuern vom Bunde verwaltet, und der § 14 des soeben von diesem Hohen Hause verabschiedeten Gesetzes über die Finanzverwaltung hat ausdrücklich vorgesehen, daß die unteren Behörden der Bundesfinanzverwaltung, nämlich die Hauptzollämter, auch die Biersteuer mitverwalten, obwohl sie den Ländern zufließt.
Diese Regelung ist nicht zweckmäßig. Die Länder haben an und für sich örtliche Finanzbehörden, nämlich die Finanzämter, während die örtlichen Finanzbehörden des Bundes die Hauptzollämter sind. Es ist also durchaus möglich, die Biersteuer in den einzelnen Ländern durch die örtlichen Finanzbehörden dieser Länder erheben zu lassen; aber der Bund will das nicht, er will durch seine eigenen unteren Instanzen die Einhebung vornehmen und verlangt dafür von den Ländern 4 % des Aufkommens. Diese 4 % des Aufkommens könnten ebensogut den Ländern verbleiben.
Wir wollen, indem wir diesen Antrag auf Änderung des Grundgesetzes in Art. 105 stellen, nicht eine bayerische Reservation, nicht einmal ein bayerisches Reservat, sondern nur die Berücksichtigung einer wirtschaftlichen Sonderlage dieses Gewerbes und der mit ihm zusammenhängenden Wirtschaftszweige im Lande Bayern.
Wir wissen, daß der Bundesfinanzminister selbst sich für die Bundesgesetzgebung in der Biersteuerfrage eingesetzt hat. Man erhebt den Einwand und sagt: Ja, wenn die einzelnen Länder, z. B. Bayern, die Gesetzgebung über die Biersteuer erhielten, dann würde möglicherweise die Folge sein, daß steuerstärkere Länder die Biersteuer noch stärker senken, als Bayern sie zu senken in der Lage wäre. Dieser Einwand schlägt in keiner Weise durch. Denn auch vor 1918/19 bestand ja die Gesetzgebungshoheit Bayerns auf dem Gebiet der Bierbesteuerung in der Form des sogenannten Malzaufschlages. Dieser Malzaufschlag war in seinen Sätzen, die auf den Doppelzentner abgestimmt waren, sehr niedrig gehalten. Gleichwohl sind durch steuerstärkere andere Bundesstaaten des damaligen Reiches die bayerische Brauindustrie und das bayerische Braugewerbe in keiner Weise dadurch beeinträchtigt worden, daß nun aus Ländern mit geringeren Biersteuersätzen Biere in das Biererzeugungs- und Verbrauchsgebiet Bayern eindrangen.
Überdies hat diese Überlassung der Biersteuer an die einzelnen Länder jedenfalls in Bayern eine wichtige wirtschaftspolitische Auswirkung gehabt, nämlich die, daß die Aufsaugung der mittelständischen Betriebe nicht in dem raschen Tempo in Gang gesetzt worden ist wie später seit der Überweisung der Biersteuer an das Reich bzw. an den Bund.
Wir sind keineswegs gegen die Großbetriebe der Brauindustrie, die im Gesamtgesicht der deutschen Wirtschaft, vor allem auch für den Export, unentbehrlich sind. Aber wir möchten in diesem Gesicht auch nicht die Züge der mittelständischen Gewerbe vermissen. Ein früherer Direktor der Münchner Löwenbrauerei, Dr. Lange, der später auch bayerischer Wirtschaftsminister war, hat 1913 in seinem Buch über das Malzaufschlaggesetz von 1910 geschrieben:
Bei alledem darf nicht vergessen werden, daß, wenn nicht das Malzaufschlaggesetz gestaffelte Steuersätze vorsähe, der kleine Brauerstand längst nicht mehr in seinem heutigen Umfang weiterbestehen würde.
Ich möchte also an Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bitte richten, zu erkennen, daß es sich hier für uns in keiner Weise um eine Eigenbrötelei, um eine Reservation, wie ich sagte, oder um ein Reservat handelt, sondern angesichts der überragenden Bedeutung des Braugewerbes und der mit ihm zusammenhängenden Wirtschaftszweige in Bayern um die Berücksichtigung einer wirklichen Sonderlage. Die Bundesfreudigkeit eines Landes wird dadurch gehoben, daß man ihm seine Welt läßt, daß man seine Sonderverhältnisse nicht einfach niederwalzt.
Ich möchte bitten, über unseren Gesetzesvorschlag nicht zur Tagesordnung überzugehen. Wir denken mit unserem Gesetzesvorschlag auch an Zeiten, in denen der Herr Bundesfinanzminister vielleicht aus einer anderen Himmelsrichtung gestellt werden könnte. Jedenfalls bitten wir, den Antrag oder den Gesetzesvorschlag einem Ausschuß zu überweisen und ihn nicht kurzerhand über die Tagesordnung hinwegzuschlagen. Diese Bitte möch-
ten wir an das Hohe Haus nicht bloß aus wirtschaftlichen, steuerpolitischen, steuerrechtlichen, sondern vor allem auch aus verfassungsrechtlichen Gründen gerichtet wissen, weil wir, wie ich schon ausdrückte, der Überzeugung sind, daß, je mehr die Eigenart der einzelnen Länder berücksichtigt wird, desto größer die Bundesfreudigkeit dieser Länder ist.
Ein Mitglied des Hauses hat in der Aussprache über die Regierungserklärung im vergangenen September gesagt: Soviel Staat wie notwendig, sowenig Staat wie möglich! Es war Herr Abgeordneter Dr. Schmid. Ich möchte die Tendenz dahin abwandeln, daß ich sage: Soviel Bund wie notwendig, aber sowenig Bund wie möglich.