Rede von
Dr.
Bernhard
Reismann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist erfreulich, daß bei dieser Materie sowohl die Opposition als auch die Regierungsparteien sich über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung dieser Frage einigermaßen einig sind.
Was wir bei diesem vorliegenden Entwurf bedauern, ist die etwas negative Fassung. Wir würden es begrüßen, wenn es zu den Aufgaben der Behörde, die sich um den Verfassungsschutz zu kümmern hat, insbesondere auch gehören würde — wie der Herr Kollege Kopf eben sagte —, daß die Verfassung, das Verfassungsleben popularisiert wird, daß das Volk mit ihm und mit den Gedanken des demokratischen Verfassungslebens mehr vertraut und näher an es herangebracht wird, so daß wir am Ende einer längeren Periode auf ein innigeres Verwachsen unseres Volkes mit dem Verfassungsleben zurückschauen können, als es in der Weimarer Zeit der Fall war. Diese Aufgabe in allererster Linie muß dem Amt gestellt werden, das sich um die Verfassung zu kümmern hat, wie es in diesem Gesetz vorgesehen ist.
Aber es ist hier nicht so sehr die Frage, ob überhaupt in dieser Hinsicht etwas getan werden soll, sondern es ist die Frage: besondere Behörde oder nicht, soll hier eine besondere Behörde aufgestellt
werden? Und da erhebt sich die Frage: Wozu haben wir denn schließlich das Innenministerium, das normalerweise in allen Ländern das Verfassungsministerium ist? Es scheint uns nicht notwendig, aus einer besonderen Abteilung des Innenministeriums, die sich bisher um den Verfassungsschutz gekümmert hat, ein selbständiges, unabhängiges Amt zu machen. Es ist zu überlegen, was denn eigentlich noch, wenn man solche Aufgaben aus dem Bereich des Innenministeriums — Verfassungsministerium genannt — ausgliedert, zu guter Letzt zum Kompetenzbereich des Herrn Innenministers überhaupt noch gehören mag. Wenn aber eine Behörde einmal selbständig aufgestellt wird, so bringt es die Schwerkraft eines solchen Betriebes mit sich, daß sie wächst und wächst und ihre Selbständigkeit und die Notwendigkeit ihrer Fortexistenz durch Größerwerden zu beweisen versucht. Das wäre die wichtigste Überlegung bei den Beratungen in den Ausschüssen: ob es nicht möglich ist, unter Einsparung von Personal, unter Vermeidung der Schaffung einer neuen Behörde der vorhandenen Organisation die Schwungkraft zu verleihen, daß sie allein mit diesen Aufgaben fertig wird, daß sie sich insbesondere auch die positive Förderung der Verfassungsfreudigkeit zum Ziele setzt und auch in dieser Hinsicht wirksame Schritte unternimmt.
Es sei mir in diesem Zusammenhange gestattet, auch einmal darauf hinzuweisen, daß es das Interesse an der Verfassung fördert, wenn man die demokratischen Institutionen ernst nimmt, und zwar in einer anderen Art und Weise, als es bisher von seiten der Regierung geschehen ist. Insbesondere wäre es wünschenswert, daß das Ansehen dieses Hohen Hauses mehr gestärkt wird, als es durch das Verhalten der Regierung bisher geschehen ist. Es wäre
insbesondere wünschenswert, daß das Haus selbst seine Aufgaben betont und auch da sieht, wo sich Gelegenheiten bieten. Wir dürfen uns in Zukunft nicht weiter auf der Bahn vorandrängen lassen, die wir bisher beschritten haben, nämlich immer mehr von den Aufgaben abzugeben und in die Hände der Regierung gleiten zu lassen, die allzu sehr willens ist, Zuständigkeiten an sich zu ziehen, die ihr bisher noch nicht zukommen, die aber diesem Hause im Zuge der Ausbildung des Verfassungslebens, wenn wir auf der Bahn, die wir beschritten haben, weiter voranschreiten, durchaus entwunden werden können.
Das sind unsere vorläufigen Bemerkungen zu dem Entwurf, wie er hier vorliegt. Die Einzelheiten werden bei den Ausschußberatungen zur Sprache kommen.
— Eine „rote" in ihrem Sinne werde ich nie tragen!