Rede von
Dr.
Herwart
Miessner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DRP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Ich lese hier im § 2 der SPD-Vorlage über die Gewährung von Straffreiheit für Dienstvergehen, daß Dienstvergehen nicht verfolgt werden sollen, wenn sie für den „Neuaufbau der demokratischen Staats- und Verwaltungsordnung" begangen sind. Das klingt doch sehr paradox! Wie kann man eine demokratische Staatsordnung aufbauen, wenn man nicht gewillt ist, für absolute Sauberkeit auf allen Gebieten einzutreten? Gerade der öffentliche Dienst erfordert, wie der Herr Vertreter der SPD als An-
tragsteller gesagt hat, einen besonders scharfen Maßstab. Das ist so und muß auch so bleiben. Der Beamte hat in manchen Dingen eine bevorzugte Stellung gegenüber den anderen Mitmenschen. Er hat, was auch vom Berufsbeamtentum selbst immer wieder betont wird, auch besondere Pflichten auf sich zu nehmen. Man muß an seine weiße Weste, wenn ich einmal so sagen darf, noch etwas höhere Anforderungen stellen als vielleicht gemeinhin. Das Berufsbeamtentum selbst hat daher ein ebenso großes Interesse wie die Öffentlichkeit, daß Vergehen, die aus seinen eigenen Reihen gekommen sind, auch geahndet werden. Das Berufsbeamtentum ist stolz darauf, daß es auch in der Zeit einer allgemeinen Demoralisierung nach dem Kriege seinen Mann gestanden hat. Die Zahl der Fälle, wo der eigentliche, echte Berufsbeamte versagt hat, sind ganz verschwindend gering; das gilt — ich glaube, das sagen zu können, obwohl ich selbst nur die Sparte Finanz genauer kenne — für sämtliche Zweige des öffentlichen Dienstes. Versagt haben nicht die Berufsbeamten, sondern meist diejenigen, die nach Kriegsende etwas übereilt an ihre Stelle getreten sind und ihren Platz ersetzen sollten, ihn aber nicht ersetzt haben, weil ihnen die Tradition, die nun ein- mal zum Berufsbeamtentum gehört, gefehlt hat.
Die Deutsche Reichspartei steht hundertprozentig zum Berufsbeamten und lehnt daher diesen Gesetzesentwurf der SPD entschieden ab.