Meine Damen und Herren! Zum ersten Mal tauchte das Problem einer Amnestie auch für Disziplinarverfahren auf, als wir im Dezember vorigen Jahres das Gesetz über Straffreiheit berieten. Der Vertreter der SPD, Herr Kollege Arndt, warf den Gedanken erstmalig in die Diskussion und kündigte an, daß er dazu ganz bestimmt formulierte Anträge stellen werde. Sofort aber erhob sich im Rechtsausschuß entschiedener Widerstand gegen diese Idee. Fast alle dort vertretenen Fraktionen mit Ausnahme der Sozialdemokratie und, ich glaube, des Zentrums, gaben damals ihrer Ansicht dahin Ausdruck, daß eine Disziplinaramnestie für Beamte und Angestellte, die beamtenrechtlich im gleichen Verhältnis stehen, überhaupt nicht in Frage kommen könne. Diese Einstellung im Rechtsausschuß war damals für Herrn Kollegen Arndt vielleicht auch der Grund, von dem ursprünglich beabsichtigten Einbringen neuer Anträge Abstand zu nehmen. Aber man hat von dem Gedanken nicht abgelassen, man hat nunmehr einen eigenen Gesetzentwurf gebracht, den Sie in Drucksache Nr. 905 vor sich haben. Meine Fraktion ist nicht in der Lage darüber möchte ich hier gar keinen Zweifel lassen —, diesem Gesetz irgendwie ihre Zustimmung zu geben..
Wir stehen — das ist ja bekannt — zu dem Prinzip des Berufsbeamtentums und haben das verschiedentlich hier entschieden zum Ausdruck gebracht. Wir sind der Meinung, daß man gerade dieses Prinzip aufrechterhalten und fordern soll, daß der Beamte ganz bestimmte Vorstellungen über seine spezielle Treuepflicht von Hause aus anerzogen bekommt, die er dem Staate gegenüber hat, daß man ganz bestimmte Qualifikationen von ihm fordert und auch verlangt, daß er sich in Ausübung seines Dienstes unter allen Umständen entsprechend verhält.
Daraus folgt für uns, daß wir diesen Dingen nicht zustimmen können, wo es sich darum dreht, auch noch disziplinär zusätzlich zu einer strafrechtlich gegebenen Amnestie — denn die Beamten sind davon nicht ausgenommen; soweit sie strafbare Tatbestände erfüllt haben, die unter das Straffreiheitsgesetz zu subsumieren sind, waren ihre Verfahren sowieso einzustellen oder nicht weiter zu verfolgen, je nachdem, in welchem Stand des Verfahrens sich das abgespielt hat — jetzt noch über die disziplinären Grundlagen hinaus Gnade zu erweisen mit dem letzten Erfolg, daß sie im Dienste bleiben können, obwohl `sie bewiesen haben, daß sie sich -unter gar keinen Umständen dazu eignen, derartige Posten auszufüllen, auf die man sie gestellt hat. Das ist meine Meinung, das ist die Meinung meiner politischen Freunde und des Teils unseres Volkes, der durch die Wahl gezeigt hat, daß er hinter uns steht.
Wir lehnen deshalb diesen Antrag ab.
Ich will nicht verkennen, daß der größte Teil der Beamtenschaft und auch derjenigen, die nach 1945 hineingekommen sind, sich um den Neuaufbau unseres Staatswesens die größte Mühe gegeben hat und daß man sich im allgemeinen nur dem Lob, das Herr Abgeordneter Zinn ausgesprochen hat, anschließen kann. Aber gerade deshalb wollen wir die Ausnahmeerscheinungen ausgemerzt wissen. Wir wollen nicht, daß diejenigen, die sich als unzuverlässig erwiesen haben, nunmehr in der Zukunft durch diese Amnestie im Dienst bleiben können. Es handelt sich nur um die Fälle, die wirklich schwerwiegender Natur sind.
Das Beispiel des Inspektors der Bundesbahn hat mich insofern nicht überzeugt, als das Disziplinargericht bei dem Vorliegen eines derartigen Tatbestandes es ohne weiteres in der Hand hat, größte Milde walten zu lassen.
— Das ist eine andere Frage. Kollege Zinn hat gesagt, daß es noch nicht rechtskräftig ist. Ich würde in einem solchen Falle größte Milde walten lassen. Wenn der Mann nicht aus Eigennutz, sondern im Interesse der Gesamtheit gehandelt hat, dann kann man ihn mit einem Verweis behandeln — das macht ihm gar nichts aus —, wenn der Verweis begründet ist.
Ich bin der Meinung, diejenigen, die sich unzuverlässig gezeigt haben, kann man nicht weiter auf den Posten lassen, auf denen sie sitzen, man muß sie einfach entfernen und muß die letzten Konsequenzen ziehen. Handelt es sich um Bagatellsachen, dann brauchen diese Konsequenzen nicht gezogen zu werden. Es gibt nicht nur die Entfernung aus dem Dienst — das ist das letzte Disziplinarmittel, das die Disziplinarkammer anwenden kann -, es gibt eine ganze Reihe milderer Ahndungsverfahren wie Verweis und anderes. Aber diejenigen, die einen Tatbestand erfüllt haben, daß ein Verfahren strafrechtlicher Art notwendig ist, müssen auch in Zukunft entfernt werden.
Es entstehen da gar keine Lücken, denn es sitzen noch Zehntausende von alten Beamten und warten auf ihre Wiederverwendung, die dreißig und vierzig Jahre treue Dienste geleistet haben und sich niemals etwas haben zuschulden kommen lassen als . das eine, daß sie vielleicht einmal einem politischen Irrtum zum Opfer gefallen sind.
Es ist Zeit, daß dafür gesorgt wird, daß sie in entsprechende Posten kommen. Wir werden also dem Gesetz unsere Anerkennung versagen.