Rede von
August-Martin
Euler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Meine verehrten Damen und Herren! Es ist die Tatsache zu konstatieren, daß der Herr Abgeordnete Renner mit keinem Wort den Versuch gemacht hat, etwas zur Aufklärung des ominösen Verschwindens des Abgeordneten Müller beizutragen. Gerade von dieser Seite hätte die Aufklärung über die dunklen Vorgänge, die zur Verhaftung des Abgeordneten Müller im Ostsektor von Berlin führten, kommen können. Gerade diese Seite ist uns aber die Auskunft schuldig geblieben. Die Erklärung, die Herr Renner hier abgegeben hat, war lediglich darauf angelegt, den Vorgang in Schweigen und Dunkel zu halten. Deshalb ist der Antrag des Ausschusses ohne weiteres gerechtfertigt.
Ich habe aber insbesondere das Wort ergriffen, um die Anregung zu geben, daß sich die örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften nun mit mehr Intensität um die Aufklärung der Vorgänge bekümmern, die mit dem Verschwinden und der angeblichen Mandatsniederlegung des Abgeordneten Müller zusammenhängen. Ich darf daran erinnern, daß es einen § 106 des Strafgesetzbuches gibt, der lautet:
Wer ein Mitglied einer der vorbezeichneten Versammlungen
— das sind die Versammlungen, die in § 105 genannt worden sind, der Senat oder die Bürgerschaft einer der freien Hansestädte, eine gesetzgebende Versammlung des Reichs oder eines Bundestaats -
durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer
strafbaren Handlung verhindert, sich an den
Ort der Versammlung zu begeben oder zu
stimmen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren
oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft.
Weiter sind in Betracht zu ziehen nicht nur der Tatbestand des § 239 des Strafgesetzbuches, der ein-
fachen und qualifizierten Freiheitsberaubung, sondern darüber hinaus der Tatbestand des § 234 des Strafgesetzbuches, der lautet:
Wer sich eines Menschen durch List, Drohung oder Gewalt bemächtigt, um ihn in hilfloser Lage auszusetzen oder in Sklaverei, Leibeigenschaft oder in auswärtige Kriegs- oder Schiffsdienste zu bringen, wird wegen Menschenraubes mit Zuchthaus bestraft.
Es handelt sich hier um einen eklatanten Fall der Verbringung in Sklaverei. Weiter ist interessant der Tatbestand des § 139 des Strafgesetzbuches, in dem es heißt:
Wer von dem Vorhaben eines Verbrechens wider das Leben, eines Münzverbrechens, eines Raubes, Menschenraubes oder gemeingefährlichen Verbrechens glaubhafte Kenntnis erhält und es unterläßt, der Behörde oder dem Bedrohten hiervon zur rechten Zeit Anzeige zu machen, wird mit Gefängnis bestraft.
Diese Tatbestände sind im Zusammenhang mit dem plötzlichen Verschwinden des Abgeordneten Müller außerordentlich interessant, und es ist wohl richtig, von der Tribüne dieses Hauses her die Staatsanwaltschaften an die Pflicht zu erinnern, alles zu tun, um den dunklen Tatbestand aufzuklären.