Wenn auch die geschätzten Umsätze in der Möhlstraße zum Teil übertrieben werden, in einer Eingabe der Kaffeefirma ist von einem täglichen Umsatz von 25 bis 30 to berichtet worden. Ich halte diesen Umsatz für unmöglich. Trotzdem hat aber der Umsatz dort einen Umfang erreicht, der wesentlich größer ist als der aller anderen Münchener und bayrischen Kaffeegeschäfte zusammen, wie man ohne Übertreibung behaupten kann.
Ich habe mich neulich zur Vorbereitung auf diese Schulaufgabe heute mit einem Schutzmann in der Möhlstraße in München unterhalten. Da laufen 50 bis 60 Polizisten herum. Ich weiß nicht, zu welchem Zweck. Die Läden dürfen sie nicht betreten, den Verbraucher dürfen sie nicht schützen. Jedenfalls laufen sie herum. Da hat mir der Schutzmann die Zustände, die dort eingerissen sind, und die Möglichkeiten, die die Polizei zu ihrer Bekämpfung hat, erzählt. Da stellte sich heraus, daß man der Polizei die Möglichkeit gegeben hat, den einzelnen, der den Laden betritt oder verläßt, auf Schwarzhandelsgut zu kontrollieren, wenn er also mit einer Büchse Kaffee oder mit einem Päckchen Zigaretten herauskommt. Das darf die Polizei. Es
ist ihr aber nicht erlaubt, die Läden zu betreten, um die dort zu Tausenden von Säcken aufgestapelten Schwarzhandels- und Schmuggelgüter zu erfassen.
— Sind Sie von Stuttgart? Dann kann ich Ihnen einige Gegenbeispiele dazu bringen.
Daß dieser Zustand, in allem Ernst gesprochen, eine Unmöglichkeit darstellt, bedarf, glaube ich, keiner Bestätigung mehr. Hier handelt es sich nicht bloß um den Schutz gewisser Kreise etwa vor nationalistischen oder antisemitischen Ausschreitungen von deutscher Seite. Es handelt sich aber um das Ansehen der Besatzungsmacht und um das Ansehen des Staates bei uns, und die Besatzungsmacht hätte allen Grund, gerade hier einzugreifen, um das Entstehen dessen zu vermeiden, was sie angeblich mit diesen Maßnahmen verhindern will.
Meine sehr verehrten Anwesenden! Wir haben heute auf diesem Gebiet sowohl im Westen an der sogenannten grünen Grenze wie dann auch in den DP-Lagern, an der bayrisch-österreichischen Grenze unten bei Bad Reichenhall und oben an der Sowjetzonengrenze Vorgänge, die sonst zu den Geschichten gehören, die wir in Abenteurer- und in Wildwest-Romanen gelesen haben. Diese Zustände haben sich heute nach Deutschland verlagert und werden seit Jahren gekannt, gesehen, und trotzdem scheitern wir bei dem Versuch, einmal gründlich mit diesem Unfug, mit diesem Gangster- und Gaunerunwesen bei uns aufzuräumen, an Zuständigkeitsschwierigkeiten und an einer Reihe von Vorwänden, an die weder wir glauben noch die, die sie erheben. Es muß auch bei uns wieder die Möglichkeit gegeben werden — nicht in dem Sinne, wie wir es früher im Jahre 1933 gehört haben: Ordnungszellen oder ähnliches —, daß, wie es der Polizei in allen demokratischen Staaten möglich ist, Sauberkeit und Ordnung geschaffen werden.
Wenn z. B. der „Telegraf" vom 24. Januar 1950, um auch ein Berliner Beispiel zu erwähnen, berichtet, daß auf dem Güterbahnhof Pankow 30 Waggons brasilianischen Rohkaffees ausgeladen worden seien, die auf dem Wege über den Balkan und Polen nach Berlin gekommen seien, so wird man die Ziffer von 30 000 t illegaler Gesamtkaffeeeinfuhr im Bundesgebiet und Gebiet von Berlin nicht als übertrieben bezeichnen können. In einem Jahre nach der Währungsreform sind insgesamt von den Zollbehörden und Staatsanwaltschaften 1 055 000 Kilo Rohkaffee und 43 000 Kilo Röstkaffee beschlagnahmt worden.
Wenn man den Quellen etwas zu Leibe rückt, so ist heute eine wesentliche Quelle schon genannt worden. Das sind die Liebesgabensendungen. Es gehört schon ein besonderes Maß an Gaunerei dazu, um eine Einrichtung und Möglichkeit, eine Vergünstigung, die dazu geschaffen worden ist, um notleidenden oder politisch verfolgten Menschen eine zusätzliche Hilfe zu gewähren, dazu zu mißbrauchen, um den deutschen Staat zu schädigen, deutsche Wirtschaftsgruppen an den Rand des Ruins zu bringen und sich persönlich maßlos zu bereichern.
An dieser Frage der Liebesgaben sind aber nicht nur die DP-Lager beteiligt. Wir kennen die Zustände im Lager Bergen-Belsen, wo monatliche Liebesgaben-Lizenzen in einer Höhe erteilt worden sind, daß man die Betreffenden, wenn sie die eingeführte Ware hätten selber trinken müssen, vor dem Kaffee hätte schützen müssen, weil sie alle an Herzschlag gestorben wären.
— Das ist natürlich jetzt nicht in Bayern — der Herr Kollege Mellies ist jetzt nicht mehr da —, sondern das ist in Bergen-Belsen.
Aber nicht nur aus DP-Lagern, auch aus Hamburg haben wir in diesem Zusammenhang noch ganz andere interessante Dinge gehört. In Hamburg ist eine interessante Methode eingerissen. Da wurde folgende Methode des Verkaufs von amerikanischem Büchsenkaffee auf dem Liebesgabenweg beobachtet. Amerikanische Soldaten zahlen bei der Liebesgabenstelle der Besatzungsbehörde einen Betrag von 5-10 Dollar ein, wogegen sie einen Bon erhalten. Dieser Bon berechtigt deutsche Personen gegen Vorweisung ihres Personalausweises zum Empfang eines Liebesgabenpakets, das von einer deutschen zur Ausgabe von Liebesgabenpaketen lizenzierten Firma zu liefern ist. In diesem Falle wurden von einer Gruppe von griechischen DPs in großem Stile auf der einen Seite dollarkräftige amerikanische Soldaten und auf der andern Seite Deutsche angeworben, die bereit waren, gegen eine Provision in Höhe von einer Tafel Schokolade ihren Personalausweis kurzfristig zur Verfügung zu stellen. Die Werbung der Deutschen geschah einfach in der Weise, daß halbwüchsige Jungen und Mädchen auf der Straße zur Hergabe ihrer Personalausweise überredet wurden. Diese Praxis wurde der Polizei dadurch bekannt, daß ein Werber vergaß, 15-20 Halbwüchsigen ihre Ausweise mit der Provisionsschokolade wieder zurückzugeben. Erst nach langem Suchen gelang es, die Identität der Werberin — in diesem Falle war es eine deutsche Frau — festzustellen. Also eine Methode, mit der auch auf diesem Wege außer den berühmten Großlizenzen für die DP-Lager versucht wird, die Liebesgabenmöglichkeiten für solche Zwecke zu mißbrauchen.
An der Grünen Grenze, wo das berühmte Loch im Westen ist, hatten wir allein im ersten Halbjahr 1949 21 300 Schmuggelfälle registriert. Dort soll ja der Schmuggel zum Teil zum Gewerbe gehören; und seit es im Bundesgebiet Gewerbefreiheit gibt, sind die Zustände noch entsprechend ausgeweitet worden. Im gleichen Halbjahr sind an dieser Stelle 52 000 kg Kaffee beschlagnahmt worden. Auch der Schmuggel über die Ostzone, über dessen politische Hintergründe heute schon gesprochen worden ist, konnte bis jetzt in keiner Weise irgendwie erfolgreich eingedämmt werden. Nach zuverlässigen Informationen wurden allein im russischen Sektor Berlins im Dezember 1949 21000 Sack Kaffee, im Januar 1950 24 000 und im Februar 30 000 Sack Rohkaffee verzollt, und zwar in Ostmark. Diese Mengen, für die die Kaffeeverbrauchssteuer nicht gezahlt wird — in der Ostzone gibt es keine Kaffeeverbrauchssteuer — fließen fast restlos auf den verschiedensten Wegen in das Bundesgebiet und dienen offensichtlich dazu, politischen und wirtschaftlichen Stellen im Osten die für ihre besonderen Zwecke benötigten großen Beträge in D-Mark zu verschaffen.
Es ist aber, meine sehr verehrten Anwesenden, auch mit aller Offenheit auf eine weitere Quelle hinzuweisen, das ist die Besatzungsmacht selbst und ihr D-Mark-Bedarf. In den Reichsmarkzeiten waren die Dinge ja leichter. Der Markbedarf, allgemein gesagt, war auch schon sehr groß, als die Fraternisierung noch nicht gestattet war. Seit die Fraternisierung gestattet ist, hat natürlich der D-Mark-Bedarf der Besatzungsmacht noch entsprechend zugenommen. Ich habe selber von verschiedenen Amerikanern gehört, daß es ihnen auf legalem Wege, d. h. auf dem Weg über den Umtausch von Dollars in D-Mark zu dem Satz von 1 Dollar gleich 4,20 DM, nur sehr schwer möglich sei, die von ihnen gewünschten, für den Besuch in Restaurants und von Veranstaltungen usw. benötigten D-Mark zu beschaffen, daß sie ,also zu diesem Zweck geradezu angewiesen seien, Zigaretten und Kaffee in deutsche Währung umzusetzen, um auf diesem Wege zu einer Befriedigung ihrer D-Mark-Bedürfnisse zu kommen.
Es ist schon einmal ein Vorschlag gemacht worden. Diesen Vorschlag möchte ich noch einmal der Bundesregierung für die Verhandlungen mit der Alliierten Hohen Kommission nahelegen; er wäre in beiderseitigem Interesse. Die hätten keine Ausrede mehr, wir hätten mehr Devisen, und der Schmuggel könnte vermindert werden, wenn es auf beiden Seiten ehrlich gemeint ist. Wie wäre es denn, wenn ein Teil des Gehalts, vielleicht 25°/o, aller Beamten, Soldaten und Offiziere der Besatzungsmächte in D-Mark ausgezahlt würde und dafür der entsprechende Betrag dann in Devisen, in Dollars dem deutschen Fonds gutgeschrieben würde? Auf diese Weise wäre es möglich, die Besatzungsmächte mit ehrlichen D-Mark zu versorgen. Sie hätten es nicht mehr notwendig — sie tun es nur aus Zwang heraus, anders machen sie es natürlich nicht —, Kaffee und Zigaretten umzusetzen, um sich D-Mark auf diesem Wege zu beschaffen.
Die Preisunterschiede, die hierbei auftreten, sind natürlich ganz erheblich. Seit die Rationierung in den amerikanischen PX-Läden aufgehoben worden ist und Kaffee in beliebigen Mengen erhältlich ist, können sie dort beliebige Mengen Büchsen — eine Büchse = 454 g feingemahlener Kaffee — zu einem Preis von 80 cents = 3,30 DM erwerben. Wenn man die deutschen Preise, die wir bezahlen müssen, damit vergleicht, ist es wohl richtig, daß ein Profit, wie er vorhin genannt worden ist, von mindestens 8 DM Verdienst je 1/2 kg Kaffee für die am Schmuggel oder Schwarzmarkt beteiligten Stellen zustande kommt.
In diesem Zusammenhang haben wir auch schlechte Erfahrungen mit der Abladung mancher Flugzeuge in Frankfurt/Main gemacht, wo ganze Pakete ankommen, und ebenso ist es bei Schiffsausladungen im Bremer Hafen.
Meine sehr verehrten Anwesenden! Wir müssen uns überlegen: Welche Mittel gegen Schmuggel und gegen den Schwarzmarkt und zu einer Bekämpfung der genannten Mißstände sind für uns überhaupt möglich? Da stehen wir, wie man ohne weiteres mit aller Deutlichkeit auch sagen muß, einfach vor gewissen für uns zur Zeit noch nicht überschreitbaren Grenzen. Es würde sich erstens einmal darum handeln, daß gegenüber allen im Bundesgebiet befindlichen Personen, Deutschen und Ausländern — daß Soldaten der Besatzungsmacht nicht darunter fallen können, ergibt sich aus den normalen militärischen Notwendigkeiten — die volle Polizeihoheit und die volle Gerichtshoheit wiederhergestellt wird. Allein auf Grund dieser Maßnahme wäre es der Staatsanwaltschaft, dem Oberfinanzpräsidium, den Zollfahndungsbehörden usw. möglich, energisch einzugreifen. Die Praxis, die die Militärgerichte bisher weitgehend in solchen Fällen angewandt haben, hat nicht dazu geführt, daß Schmuggel und Schwarzhandel eingedämmt werden konnten. Es wurden großenteils milde Strafen verhängt, und Bestände sind wieder freigegeben worden, so daß sie sogar nach gerichtlicher Sicherstellung in genau die gleichen Kanäle gewandert sind, für die sie tatsächlich ursprünglich bestimmt waren.
Die volle Polizei- und Gerichtshoheit muß auch gegenüber sämtlichen DPs und gegenüber den DP-Lagern bestehen. Es ist ein unwürdiger Zustand, daß deutsche Polizei nur in Begleitung von Militärpolizei ein DP-Lager betreten darf. Nachdem nun die DPs ab 1. Juli, wie wir aus dem Besatzungskostenhaushalt entnommen haben, in den deutschen Haushalt übernommen werden, nachdem die Betreuung durch die IRO und ihre Organisationen aufhört, so daß nur mehr eine gewisse Kontrolle durch die IRO übrigbleibt, müßte — und darauf möchte ich den Herrn Finanzminister hinweisen — bei der Hohen Kommission erwirkt werden, daß die deutsche Polizei ab 1. Juli die uneingeschränkte Möglichkeit des Einschreitens im Rahmen der geltenden Gesetze wie gegenüber jedem Staatsbürger auch gegenüber den DPs hat.