Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Bayernpartei hat mit Drucksache Nr. 800 am 29. März 1950 den Antrag gestellt:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Kaffeesteuer wird mit sofortiger Wirkung um 75 % des gegenwärtig geltenden Satzes gesenkt.
Den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers auf die eingereichte Interpellation haben wir entnommen, daß das Bundesfinanzministerium derzeit noch keine Möglichkeit sieht, den ungeheuren Gefahren des Schmuggels im Wege der Steuersenkung entgegenzutreten, daß aber andererseits mit den Alliierten Hohen Kommissaren Vereinbarungen über die Bekämpfung des Schmuggels getroffen worden sind. Wir sind für dieses Entgegenkommen der Alliierten dankbar, und wir würden uns freuen, wenn dieses Entgegenkommen praktische Auswirkungen haben würde.
Dessenungeachtet ist es aber unmöglich, sich nur hierauf zu verlassen. Wir müssen aus uns selbst heraus Maßnahmen ergreifen, um der großen Notlage des gesamten Kaffeehandels und der damit zusammenhängenden Betriebe gerecht zu .werden Es steht fest, daß sich der gesamte Kaffeehandel nicht erst seit gestern und vorgestern in dieser ungeheuren Gefahr befindet. Schon seit acht Monaten schickt der Kaffeehandel an sämtliche Behörden Gutachten und Denkschriften mit begründetem Material. Es ist also in der Tat höchste Zeit zum Eingreifen, wenn nicht dieser ganze Wirtschaftssektor zugrunde gehen soll.
Neben diesen seit acht Monaten zu beobachtenden Bemühungen, die das lawinenartige Anschwellen des Schwarzhandels nicht aufhalten konnten, ist zu verzeichnen, daß ein Eingriff bisher nicht erfolgt ist. Meine Fraktion hat sich deshalb, durch diese Notschreie veranlaßt, mit einem Schreiben vom 23. Februar 1950 sowohl an das Bundesfinanzministerium
als auch an das Bundeswirtschaftsministerium gewandt, um zu erfahren, welche Maßnahmen ergriffen werden, und wir haben damals schon erklärt, daß nur eine 75%ige Senkung der Kaffeesteuer eine durchgreifende und wirksame Maßnahme wäre. Das Bundesfinanzministerium hat auf dieses Schreiben vom 23. Februar mit Schreiben vom 24. März 1950 geantwortet:
Die Frage einer Senkung der Kaffeesteuer wird zur Zeit von mir geprüft. Nach Abschluß der Prüfung werde ich mir erlauben, Ihnen weitere Nachricht zukommen zu lassen.
Einen Tag darauf, am 25. März 1950, hat der Herr Bundeswirtschaftsminister persönlich einen Brief an uns gerichtet, dessen Inhalt bereits weit positiver gewesen ist, und aus dem man ersehen konnte, daß sich das Bundeswirtschaftsministerium mit diesen Vorgängen bereits eingehendst beschäftigt hatte und auch schon zu Entschlüssen und Beschlüssen gekommen ist, nämlich denen, daß eine wirksame Bekämpfung des Schwarzmarktes im Interesse der einschlägigen Betriebe nur dadurch erfolgen kann, daß eine Herabsetzung der Verbrauchsteuern auf 25 % vorgenommen wird. Das steht in dem Schreiben des
Herrn Bundeswirtschaftsministers vom 25. März 1950.
Wenn schon seit acht Monaten diese gesamten Wirtschaftszweige ihre Not und die zugrunde liegenden Tatsachen den einschlägigen Ministerien dargelegt haben und bis heute noch nichts Wirksames geschehen ist, ja die Verhältnisse sogar katastrophal sind, dann können wir nicht damit einverstanden sein, daß jetzt nochmals Erfahrungen gesammelt werden sollen, weil, bis diese neuen Erfahrungen gesammelt sein werden, die genannten Wirtschaftszweige endgültig erledigt sind.
Ich möchte Ihnen aus dem gesamten Material, das mir ebenfalls vorliegt, nur einige Schlaglichter zeigen, aus denen verständlich wird, wieweit die Situation im Kaffeehandel ist. Die illegalen Umsätze in Bayern, im Aachener Gebiet und an anderen Plätzen sind seit geraumer Zeit wesentlich höher als die Umsätze des legitimen Handels. In Süddeutschland liegt die Kaffeeversorgung der gastronomischen Betriebe und Verbraucher zu 70 bis 80, an verschiedenen Plätzen sogar bis zu 90 % beim Schwarzhandel. Der Damm der wenigen hundert Zollfahndungsbeamten und -angestellten und die Anstrengungen des Kaffeehandels selber, den Schmuggel abzuwehren, sind durch diese ungeheure Inflation des Schmuggels durchbrochen. Die Quellen, die diese wenigen Beamten, welche tatsächlich ihr Bestes getan haben, verstopfen sollen, sind zuviele. Wir haben es ja schon gehört: Transitverkehr, Liebesgaben, Schmuggel über die Grüne Grenze, amerikanischer Dosenkaffee, Postversand, Mißbrauch der IRO, widerrechtliche Benützung von US-Frachtbriefen und -Fahrbefehlen. Aber noch einige ganz krasse Beispiele: Eine Münchner Kaffeespezialfirma, die im November 1949 noch einen Monatsumsatz von 150 000 DM hatte, hat seit Mitte Dezember bis Ende Januar keinen Kaffee mehr rösten und verkaufen können. Man schätzt den täglichen Umsatz in der Münchner Möhlstraße im Dezember auf 25 bis 30 Tons täglich während deer größte Röster in Bayern etwa 200 kg Röstkaffee pro Tag umsetzen kann.
Im letzten Viertel des vorigen Jahres wurde offiziell mitgeteilt, daß das Loch im Westen, also im
— Ich glaube, die Sektoren verwechsle ich nicht; Sie wollen nur die Sache vertuschen! Meine Herren, hier wird eine klare Sprache gesprochen!
Zu den Folgen des Schwarzmarktes für den Staat möchte ich weiterhin auf folgendes hinweisen. Wir haben schon gehört, daß allein der direkte Verlust für den Fiskus, wenn man, was gering bemessen ist, nur 300 000 Sack Kaffee zugrunde legt, die durch den Schwarzhandel hereinkommen, an Zöllen, Verbrauchsteuern , und Umsatzausgleichsteuern 216 Millionen DM beträgt. Der indirekte Verlust an Umsatzsteuer, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer bowie die durch die Gegengeschäfte — schwarze Ausfuhr und schwarze Devisentransaktionen — entstandenen Einbußen für den Staat werden, allein auf den Kaffeehandel berechnet, mit 500 bis 600 Millionen DM beziffert.
Die Folgen für den Kaffeehandel, die sich aus der nicht wirksamen Bekämpfung des Schwarzmarktes ergeben, bestehen darin, daß die Kaffeespezialfirmen zum Erliegen kommen und der Importhandel wegen der aufgenommenen Bankkredite in die größten Schwierigkeiten kommt und neue Importe a nicht durchführen kann. Die allgemeinen Folgen, die sich aus der nicht wirksamen Bekämpfung des Schmuggels ergeben, sind die außergewöhnlichen Verdienstspannen auf Grund der Steuerhinterziehung, nämlich 8,20 DM an Zoll, Verbrauchsteuer, Umsatzausgleichsteuer und Umsatzsteuer je 1/2 kg Röstkaffee; und das ist für die weitesten Kreise ein Anreiz, sich dem Schwarzhandel zu ergeben.
Diese Gesamtsituation wird verschlimmert und das Hineinschleusen weiter Kreise in den Schmuggel wird verstärkt dadurch, daß im Volk die Kaufkraft fehlt, um die auf legalen Wegen hereingekommenen Waren in solchen Mengen zu kaufen. Deshalb geht die Menge auf den illegalen Markt. Unsere Arbeitslosigkeit treibt die Leute ebenfalls auf den illegalen Markt. Der Einnahmerückgang bei den gastronomischen Betrieben und den Einzelhandelsunternehmungen treibt diese ebenfalls dazu, sich an diesem illegalen Markt zu beteiligen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen. Ferner ist dabei die allgemeine Verwilderung der Jugend zu berücksichtigen. Man muß wissen, daß z. B. im Aachener Gebiet täglich 200 Anzeigen wegen Schmuggels erstattet werden. Hier sehen wir die verheerenden demoralisierenden Wirkungen.
Auch aus einem andern Grunde muß die Frage der Steuersenkung in Angriff genommen werden. Dieser betrifft die wirtschaftliche Lage Deutschlands auf diesem Sektor im Verhältnis zu den uns umgebenden Ländern. In Deutschland bestand schon immer ein hoher Zollsatz für Kaffee. Er betrug schon vor dem Krieg 1,60 Mark pro Kilo. Mit dem Zollsatz stand Deutschland im Vergleich zu den andern Ländern immer an der Spitze. Jetzt ist durch den sechsfachen Betrag der Verbrauchssteuer von 10 DM je Kilo eine sechsfache Bela-
stung gegenüber dem Ausland gegeben. Neben Deutschland hat nur noch Italien die Verbrauchsteuer. Bei den Beneluxstaaten ist Kaffee überhaupt zollfrei. Auch diese Tatsachen sind bei der Gesamtbeleuchtung der Frage in Betracht zu ziehen.
Ich möchte Ihnen mit einem kurzen Satz diese Situation im Kaffeehandel ganz volkstümlich beleuchten.