Meine Damen und Herren! Es ist der Antrag gestellt worden, die Beratung dieses Gesetzentwurfes auszusetzen und den Gesetzentwurf an die Ausschüsse zurückzuverweisen. Ich möchte Sie dringend bitten, davon abzusehen und diesen Gesetzentwurf möglichst rasch zur Verabschiedung zu bringen.
Meine Damen und Herren, ich darf doch auf etwas hinweisen. Die Bundesregierung muß ab 1. April 195Q die großen Steuern des Bundes übernehmen; sie muß dazu eine Verwaltung haben, und es ist für die Bundesregierung allmählich ein unerträglicher Zustand, daß sie deswegen, weil sich die Verabschiedung der notwendigen Gesetze immer wieder verzögert, nur bittend zu den Ländern kommen und bittend bei den Ländern immer Provisorien erwirken muß, um überhaupt das, was dem Bund gehört, nämlich die steuerlichen Einnahmen, verwaltet zu sehen. Ich glaube, es wäre doch der Mühe wert, wenn die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes zusammenwirken würden, um möglichst bald einen sauberen und reinlichen Verwaltungszustand auf dem Gebiet der Finanzen, die das Rückgrat des Staates sind, zu schaffen. Ich möchte die Überzeugung aussprechen: Alle Anträge, die gestellt worden sind, bräuchten nicht die Veranlassung zu sein, um die Vertagung des Gesetzentwurfes und dessen Rückverweisung an die Ausschüsse durchzuführen. Ich könnte mir vorstellen, daß, wenn die Antragsteller an ihren Ideen festhalten wollten, diese Anträge in diesem Hohen Hause auch getrennt von der Beratung des allgemeinen Gesetzentwurfes noch vorgenommen werden könnten.
Ich darf ganz kurz von dem Gesichtspunkt aus auf die Anträge eingehen, ob wegen dieser Anträge die Hauptsache, daß nämlich der Bund überhaupt einmal zu einer richtigen Finanzverwaltung kommt und dann auf eigenen Füßen steht, länger verzögert werden darf.
Da ist der Antrag Drucksache Nr. 911, der die Offenlegung der Steuerlisten verlangt. Ich bemerke, es ist inzwischen eine Rundfrage bei den Ländern gemacht worden. Sämtliche Länder — mit Ausnahme allein des Landes Schleswig-Holstein — haben sich gegen die Offenlegung der Listen ausgesprochen,
und zwar aus folgenden Gründen:
Erstens: Art. 22 der Abgabenordnung enthält nun einmal den Grundsatz des Steuergeheimnisses.
Wenn ich die Offenlegung der Steuerlisten durchführte, wäre es sinnwidrig, wenn ich das im Gegensatz zu Art. 22 der Abgabenordnung tun würde. Dann müßte ich wohl oder übel den Art. 22 der Abgabenordnung aufheben.
Zweitens: Diese sämtlichen Länder sind der Meinung, daß in Zeiten steuerlicher Überlastung die Offenlegung der Steuerlisten eine ganz andere Bedeutung als in Zeiten der normalen Steuerbelastung, wie sich diese Länder ausdrücken, gewinnt. Eine Offenlegung der Steuerlisten wird in Zeiten der steuerlichen Belastung demoralisierend auf den Willigen und nicht aneifernd auf den Mann schlechten Willens wirken.
Drittens betonen sämtliche Länder übereinstimmend, daß, wenn die Steuerlisten offengelegt werden sollen — und sie sollen doch dann richtig aufgelegt und jeweils auch auf dem Stande gehalten werden -- und wenn sich durch die Betriebsprüfung, die Rechtsmittelverfahren etc. die Steuersummen ändern, dies eine sehr starke Verwaltungsarbeit macht, die bei dem geringen Erfolg, den sie erzielen würde, der Mühe nicht wert sein dürfte.
Das ist die allgemeine Stellungnahme der Länder. Ich will hierzu sachlich gar nicht Stellung nehmen; aber wegen dieses Punktes die Aufrichtung der Bundesfinanzverwaltung zu verzögern, halte ich nicht für notwendig.
Der Antrag Drucksache Nr. 931 bringt sachlich nichts wesentlich Neues. Der Grundgedanke des Antrags Nr. 931, Oberfinanzkassen, ist in der bisherigen Regelung schon enthalten. Das, was darüber hinausgeht, gehört an sich überhaupt nicht in ein Gesetz, sondern in eine Durchführungsverordnung oder Verwaltungsanordnung. Sachlich werden auf keiner Seite große Unterschiede sein.
Was den Antrag Drucksache Nr. 925 betrifft, so löst er die verfassungsrechtlichen Probleme in keiner Weise. Art. 108 des Grundgesetzes ist eine der widerspruchvollsten Bestimmungen, die in einem Gesetz zu finden sind. Auf der einen Seite steht zum Beispiel drin, daß die Vorstände der Mittelbehörden, natürlich im Einvernehmen mit den Ländern, vom Bund zu ernennen sind. Im nächsten Absatz heißt es, das die Vorstände der Mittelbehörden im Einvernehmen mit der Bundesregierung von den Ländern zu ernennen sind. Alle, die einen ehrlichen Willen haben, das Grundgesetz so zu handhaben, daß die Handhabung zweckmäßig ist und so auch die Autorität des Grundgesetzes stärkt, haben sich seit langen Monaten den Kopf darüber zerbrochen, wie die Finanzverwaltung in Übereinstimmung mit Art. 108 des Grundgesetzes zweckmäßig aufgebaut werden kann. Das Ergebnis ist die Lösung, die insbesondere auch in § 10 des vorliegenden Gesetzentwurfs enthalten ist. Diese Be- Stimmung in § 10 des Gesetzes stützt sich auf die ausdrückliche Verfassungsvorschrift des Art. 35 des Grundgesetzes und die entsprechenden Bestimmungen der Abgabenordnung und deren Handhabung. Was also die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der gefundenen Lösung angeht, so sind sich im Haushaltsausschuß und in den Ländern sämtliche Beteiligten — und es gibt in der Frage des Verhältnisses von Bund zu den Ländern doch auch widersprechende Anliegen — durchaus bewußt gewesen, daß hier von beiden Seiten mit dem ehrlichsten Willen der Verfassungstreue eine Lösung gesucht und gefunden worden ist, die mit Art. 108 des Grundgesetzes vereinbar ist. Sie werden keine Lösung vorschlagen können, die bei den
Schwierigkeiten, die die Fassung des Art. 108 des Grundgesetzes bietet, nicht irgendwie bestritten werden könnte. Meiner Überzeugung nach ist die gefundene Lösung diejenige, die dem Grundgesetz am ehesten entspricht.
Aber um abzuschließen: Der Gesetzentwurf über die Finanzverwaltung war eine Probe dafür, ob das Zusammenarbeiten zwischen Bund und Ländern glatt verläuft und glatt verlaufen kann. Ich freue mich, feststellen zu können, daß Bundesregierung und Länderfinanzminister in dieser Frage wie bisher auch in allen anderen Fragen vermeiden konnten, daß aus dem Grundgesetz heraus irgendwelche staatsrechtlichen Konflikte zwischen Bund und Ländern auftreten, die dann zum Gegenstand großer öffentlicher Erörterungen gemacht werden könnten. Ich war immer stolz darauf, daß in all diesen Fragen ein stilles, geräuschloses und reibungsloses Zusammenarbeiten zwischen Bund und Ländern erzielt und damit für den Bund die Möglichkeit geschaffen worden ist, die Verwaltung, die die junge deutsche Bundesrepublik braucht, in kurzer, angemessener Zeit auf die Beine zu stellen. Ich möchte. dein Deutschen Bundestag dringend bitten, das, was die Zusammenarbeit zwischen Ländern und Bundesregierung bisher erreicht hat, nicht aufzuhalten und die Beschlußfassung über diesen Gesetzentwurf nicht zu verzögern.